Arbeitsunfähigkeit
Kneipe, Kino, Urlaub: Was ist während einer Krankschreibung erlaubt?
13.3.2023, 14:19 UhrIn diesem Artikel:
Freunde treffen, ein Kino-Besuch oder eine Runde Joggen - wer krankgeschrieben ist, muss nicht zwangsläufig nur das Bett hüten. Doch was genau erlaubt ist und was man als Arbeitnehmer lieber lassen sollte, wenn einem der Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat, ist nicht immer klar. Wie so häufig, kommt es auch hier auf den Einzelfall an.
"Juristisch spricht man davon, dass man sich während der Krankschreibung nicht genesungswidrig verhalten darf", sagt Oliver Kieferle, Fachanwalt für Arbeitsrecht gegenüber der Allianz-Versicherung. Alles was keine negativen Auswirkungen auf den Heilungsprozess hat, ist also auch erlaubt, wenn man krankgeschrieben ist. Nach Angaben der Versicherung müsse man sich also so verhalten, dass man so schnell wie möglich wieder einsatzfähig ist. "Eine feste Regel gibt es aber nicht", so Kieferle.
Arbeitsunfähig heißt nicht totaler Verzicht
Deutlich wird das auch, wenn man statt dem umgangssprachlichen Begriff "krankgeschrieben" die offizielle Bezeichnung "arbeitsunfähig" betrachtet. "Nur weil es aus gesundheitlichen Gründen einem Beschäftigten nicht möglich ist, seine hauptberufliche Arbeit zu erledigen, bedeutet das nicht, dass er sich privat oder nebenberuflich komplett einschränken muss", schreibt die IG-Metall auf ihrer Webseite. Was im Krankheitsfall erlaubt ist und was nicht, "hängt von der Krankheit und der individuellen Situation ab", sagt Axel Döhr, Arbeitsrechtler bei der R+V-Versicherung.
Krankgeschrieben: Ist der Urlaub erlaubt?
Hier muss man differenzieren. Während ein Langstreckenflug bei einem Bandscheibenvorfall nicht unbedingt zur Genesung beiträgt, kann ein Urlaub an der Nordsee bei Neurodermitis sehr gesundheitsfördernd sein. Zu beachten ist allerdings, dass für eine geplante Reise auf jeden Fall die Zustimmung desjenigen notwendig ist, der während der Krankheit Zahlung leistet: der Arbeitgeber, in den ersten sechs Wochen der Krankschreibung, die Krankenkasse danach. Wer ohne eine solche Erlaubnis verreist, muss mit einer Einstellung der Zahlungen rechnen.
Krankgeschrieben: Was ist noch erlaubt?
Einkaufen: Der Gang in den Super- oder Getränkemarkt, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen ist eigentlich immer erlaubt, außer der Arzt oder die Ärztin hat strenge Bettruhe angeordnet. Das Gleiche gilt für die Besorgung von Medikamenten in der Apotheke. Und auch mit einem gebrochenen Arm kann man bedenkenlos einen Stadtbummel machen.
Spaziergang: Frische Luft und Bewegung tut bei den meisten Erkrankungen gut und Spazierengehen ist daher auch häufig bei einer Krankschreibung erlaubt. Vor allem bei psychischen Leiden wirkt Spazierengehen heilungsfördernd. Mit hohem Fieber sollte man allerdings besser das Bett hüten. Und auch mit einer starken Erkältung sollte man bei eisigen Temperaturen keine stundenlange Wanderung unternehmen.
Ausgehen: Mit einem gebrochenen Arm oder Bein ins Kino oder ins Restaurant ist kein Problem. Ist man allerdings wegen einer Grippe oder eines Magen-Darm-Infekts krankgeschrieben, sollte man besser zuhause bleiben.
Friseur: Hat der Arzt keine Bettruhe verordnet, verzögert ein Friseurbesuch in der Regel die Genesung nicht. Doch lässt sich die Chefin oder ein Kollege gerade zufällig im selben Salon die Haare schneiden, entsteht schnell der Eindruck, der Arbeitnehmer sei gar nicht krank. Und auch die Friseurin ist wahrscheinlich dankbar, wenn sie nicht jemanden mit schwerem Husten oder einem ansteckenden Infekt am Kopf berühren muss. Wer sich also unsicher ist, sollte den Friseurbesuch lieber ein paar Tage verschieben.
Sport: Es empfiehlt sich, sportliche Betätigung vorab mit einem Arzt abzuklären. Bei psychischen Beschwerden kann Sport und Bewegung sehr hilfreich sein. Auch bei Rückenschmerzen kann Gymnastik das Leiden lindern. Tennis dagegen ist in diesem Fall eher schädlich. Und auch bei Grippe und schweren Erkältungen sollte man mit Ausdauersport eher langsam tun.
Arbeit: Wer sich schon vor dem Ablauf seiner Krankschreibung wieder so fit fühlt, dass er arbeiten kann, sollte das im Zweifelfall mit seinem bzw. ihrem Arzt oder Ärztin absprechen. Wer noch nicht komplett auskuriert ist, sollte in eigenem Interesse zuhause bleiben. Auch wenn der Arbeitgeber Zweifel hat, ob der oder die Angestellte wirklich fit ist, muss er sich nicht auf eine vorzeitige Wiederaufnahme der Arbeit einlassen. Das kann der Fall sein, wenn offensichtlich ist, dass eine Erkältung oder Infektion noch andauert oder wenn die Wiederaufnahme der Arbeit die Genesung des Mitarbeiters negativ beeinflussen könnte. Auch wenn eine Gefährdung für andere Kolleginnen und Kollegen besteht, kann der Arbeitgeber ablehnen. Wichtig: Die Krankenkasse muss bei früherer Rückkehr an den Arbeitsplatz über den vorzeitigen Arbeitsbeginn informiert werden.
Im Zweifelsfall sollte man die geplante Unternehmung sicherheitshalber mit einem Arzt oder einer Ärztin absprechen und sich diese schriftlich genehmigen lassen, empfiehlt die R+V-Versicherung. Klare Grenzen sind während der Arbeitsunfähigkeit Aktivitäten, die einer Genesung eindeutig entgegenstehen. Fußballspielen bei körperlichen Beschwerden oder durchzechte Nächte in Clubs und Bars sollten Krankgeschriebene besser lassen. Es macht auch einen Unterschied, ob man während der Krankschreibung im T-Shirt auf einem Weihnachtsmarkt fünf Glühwein kippt, oder ob man dick eingepackt mit Mütze und Schal gemütlich einen Kinderpunsch trinkt. Der Status der Genesung spielt ebenfalls eine Rolle. Schließlich macht es einen Unterscheid, ob man am ersten Abend einer fünftägigen Krankschreibung in eine Bar geht oder am letzten und dann am nächsten Morgen wieder am Arbeitsplatz erscheint.
Vorgetäuschte Krankschreibung birgt großes Risiko
Für die Anstellung hat genesungswidriges Verhalten allerdings in der Regel keine Auswirkungen. Denn für eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung reicht dies nicht aus. "Man müsste schon krass genesungswidrig handeln, damit eine Kündigung in Betracht käme: Etwa, wenn man wegen eines Bandscheibenvorfalls arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, dann aber Bungee springen geht", erklärt Fachanwalt Oliver Kieferle auf der Seite der Allianz-Versicherung. Ganz anders sieht der Fall allerdings aus, wenn die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht wurde. "Sofern sich das bewahrheiten sollte, braucht es vor einer Kündigung auch keine vorige Abmahnung", sagt Kieferle.
Dennoch sollte man auch bei wahrheitsgemäßer Krankschreibung die Kollegen nicht vergessen. Denn nicht immer kommt es gut an, wenn man alles ausreizt, was arbeitsrechtlich erlaubt ist. Denn schließlich halten sie am Arbeitsplatz die Stellung und übernehmen einen Teil der Aufgaben der ausgefallenen Kollegin oder des Kollegen und freuen sich wahrscheinlich nicht, den oder die Krankgeschriebene abends im Vollrausch in einer Bar zu treffen.