Dabei ist die ein echtes Schwergewicht, das vor Kraft nur so strotzte. Schon vor der für viele doch so überraschend abgesagten Tourismusmesse ITB in Berlin Anfang März wurden erneut gute Zahlen verkündet, 2020 sollte ein erfolgreiches Jahr werden. Alleine in Deutschland arbeite(te)n knapp drei Millionen Menschen für den Tourismussektor.
Weltweit ist die Reisebranche mächtiger als etwa die großen Technologiefirmen des Silicon Valley, sie generiert mehr Umsatz als die Öl- und die weltweite Automobilbranche. Gut 6600 Milliarden Euro werden pro Jahr rund um den Globus mit Reisen umgesetzt, das sind zehn Prozent der Weltwirtschaftsleistung - das deutsche Bruttoinlandsprodukt ist nur halb so groß. Im Vergleich zu 1950 reisen jährlich fünfzigmal mehr Menschen, der Tourismus gilt als die Jahrhundertindustrie schlechthin - er verkörpert die Errungenschaften der modernen Zivilisation. Nun liegt er im Mehrbettzimmer neben anderen Branchen unter der Atemmaske.
Stornierungen statt Buchungen
"Furchtbar!", antworten Reisebüromitarbeiter derzeit, fragt man sie nach der aktuellen Situation - Februar und März sind eigentlich gute Monate. Nun kommt an manchen Tagen keine einzige Buchung mehr herein, viele seriöse Reisebüros zögern, ihren Kunden eine Buchung zu empfehlen. Zu ungewiss, ob die Reise wirklich angetreten werden kann, ob die Kunden an der Grenze ins Zielland dürfen. Schließlich gilt Deutschland selbst als Risikoland - es wird von ausländischen Reisenden gemieden, seinen Bürgern verwehren viele Länder die Einreise. Und selbst wenn: Niemand kann sich sicher sein, ob er wieder heim darf.
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Um fast 80 Prozent ist das Geschäft der Reisebüros laut Deutschem Reiseverband (DRV) eingebrochen, sie kämpfen mit einer Stornierungsflut. Anonyme Online-Buchungsportale - lange die großen Gewinner von Digitalisierung und Globalisierung - trifft es noch härter. Sie konnten sich mangels persönlicher Betreuung nie eine Stammkundschaft aufbauen.
Der DRV schätzt den durch die Corona-Krise verursachten Umsatzausfall nur für die sechs Wochen zwischen Mitte März und Ende April auf knapp fünf Milliarden Euro und schickte einen Rettungsappell an die Bundesregierung: "Helfen Sie! Retten Sie die Reisebüros". Der Ruf ist verbunden mit der Forderung, bei stornierten Reisen ein Jahr lang gültige Gutscheine ausgeben zu dürfen, anstatt wie gesetzlich vorgeschrieben das Geld zurückzahlen zu müssen. Der Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) ist von dieser Forderung schon wieder abgerückt - sie sei nicht kundenfreundlich.
Kreuzfahrtschiffe irren auf Meeren umher
Reiseveranstalter wie der Welt-Branchenprimus TUI schicken ihre Angestellten für ein halbes Jahr (!) in die Kurzarbeit, auch Alltours oder FTI stellen ihre Reiseangebote vorübergehend ein. Doch sie sind zum Glück breit aufgestellt - Spezialisten, die sich auf Reisen in bestimmte Weltregionen konzentrieren, könnten als erstes zusammenbrechen - China Tours etwa hat schon Insolvenz angemeldet.
Hotels und Gasthäuser bleiben leer, fast alle Gästeankünfte für die nächsten Wochen wurden abgesagt, die Skisaison vorzeitig beendet - die Tourismusverbände sprechen von einer "Riesenkrise". Besonders hart trifft es vor allem die Fluggesellschaften, viele wie die Lufthansa oder selbst Ryanair kämpfen ums Überleben, einige rufen nach Staatshilfe, weil fast alle Flieger am Boden stehen. Die Lufthansa führt derzeit nur noch fünf Prozent ihrer Flüge durch.
Auch die ewigen Stars der Branche, die Kreuzfahrtschiffe, wurden vom Kurs abgebracht. Schwimmende Hochhaushotels mit bis zu 9.000 Passagieren gelten als Brutstätten für Keime, weshalb fast alle Länder ihre Häfen für die Dampfer geschlossen und die Reedereien sämtliche Reisen bis mindestens Ende April ausgesetzt haben. Derzeit irren laut Kreuzfahrtexperte Franz Neumeier noch über 30 Schiffe auf den Weltmeeren herum, weil sie nirgends einlaufen können - auf mindestens zwei Schiffen gibt es nachweislich mehrere positive Coronafälle.
Reise-Boom nach der Krise?
Angesichts all der Horrormeldungen versuchen gerade die alten Hasen der Branche, gelassen zu bleiben. Auch wenn die derzeitige Krise alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt, haben die meisten Unternehmen den Einbruch nach den Terroranschlägen in New York vom 11. September 2001 und die Sars-Krise nur zwei Jahre später gemeistert - das waren im Vergleich zu dem, was uns bevorstehen könnte, aber nur kurze Dämpfer. Doch die Fachleute für die Zeit nach Corona sterben ja nicht weg, und die Infrastruktur ist dann auch noch weitestgehend da.
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Sicherlich wird der Tourismus erst einmal auf niedrigeren Touren wieder anlaufen, "vor Juni wird sich aber nicht viel grundlegend verändern", glaubt der Tourismusbeauftrage der Bundesregierung, Thomas Bareiß. Doch die Nachfrage nach Reisen, nach Erholung, nach dem Reiz des Fremden hat das Virus ja nicht beseitigt.
Vielleicht wird die Branche sogar von einem riesigen Nachholbedarf überrascht, den sie dann kaum stillen kann.
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