Lynk & Co 01: Freude am Teilen
13.4.2021, 17:08 UhrUnd sie kommen doch, die Chinesen. Freilich nicht in Gestalt billiger China-Kracher á la Landwind, die – man erinnert sich mit Schaudern – höchst unrühmlich an den Hürden hiesiger Crashtest-Normen zerschellt sind. Stattdessen fahren ausgereifte Modelle mit selbstbewussten Premium-Ambitionen vor. Polestar ist so ein Beispiel – die Elektromarke gehört ebenso wie Lotus und Volvo zum chinesischen Geely-Konzern, zur gemeinsamen Verfügung steht ein hochwertiger Technik-Baukasten bereit.
Das nächste Geely-Kind, das den Sprung nach Europa und Deutschland wagt, ist die junge Marke Lynk & Co. Als erstes Modell stellt sich der Lynk 01 vor, der sich mit dem Volvo XC40 und dem Polestar 2 die sogenannte CMA-Plattform (Compact Modular Architecture) teilt. Weder konzeptionell noch technisch verkörpert das Kompakt-SUV eine aufsehenerregende Revolution. Aber sein Vertriebsmodell folgt Prinzipien, die zumindest ungewöhnlich sind.
Komplettausstattung statt Extras
Tagelanges Hirnen über Ausstattungslisten und Optionen bleibt dem Kunden erspart: Der Lynk 01 wird nur in zwei Farben (Blau- oder Schwarz-Metallic) sowie in zwei Antriebsvarianten angeboten - Hybrid (HEV) und Plug-in-Hybrid (PHEV). Extras gibt es keine, was aber auf das genaue Gegenteil von Mager-Ausstattung verweist, denn sowohl HEV als auch PHEV agieren als Vollsortimenter: Großflächiges Panoramadach, elektrische Hecklappe, Infinity-Soundsystem mit zehn Lautsprechern, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Sitzheizung, achtfach elektrisch verstellbarer Fahrersitz, Navi-Multimediasystem mit WLAN-Hotspot, Fahrassistenten vom Adaptivtempomat über den Stauassistenten bis hin zum rückwärtigen Querverkehrswarner – alles im Preis inbegriffen.
Für das Komplett-Paket berechnet Lynk 35.000 Euro (HEV) beziehungsweise 42.000 Euro. Vorbestellungen sind gegen eine (erstattungsfähige) Gebühr von 500 Euro möglich.
Neben dem klassischen Kauf gibt es aber auch die Möglichkeit, ein Abo abzuschließen. 90 Prozent der bereits registrierten Kunden, sagt Lynk-Chef Alain Visser – ein Mann mit GM- und Volvo-Vergangenheit – hätten diese Option gezogen. Die Monatsrate von 500 Euro umfasst Wartung, Versicherung und 1250 Frei-Kilometer. Jeder weitere Kilometer kostet 15 Cent, ungenutzte Kilometer werden auf den Folgemonat übertragen. Das Rundum-Sorglos-Paket kann monatlich gekündigt werden.
Carsharing-Button im Auto
Aber auch das ist noch nicht alles. Denn: Der Lynk 01 lässt sich mit anderen Mitgliedern einer sogenannten Community teilen. Über den Share-Button im Auto wird das Fahrzeug entsprechend freigeschaltet und über eine App zugänglich gemacht, das Smartphone dient dem Sharing-Partner als digitaler Türöffner. Die Carsharing-Gebühr legt der Hauptnutzer individuell fest, seine Abokosten kann er so zumindest teilweise wieder hereinholen.
Und was bekommen Käufer, Abo-Kunde oder Sharing-Partner für ihr Geld? Der Lynk 01 ist ein 4,54 Meter langes Kompakt-SUV, wuchtiger als der skandinavisch-elegante XC40 und vom äußeren Anschein her konservativer, als es das hippe Gebaren um Community und Sharingprogramm vermuten lassen. Den HEV treibt ein 1,5-l-Dreizylinder-Turbobenziner mit 105 kW/143 PS an, der mit dem effizienten Miller-Cycle-Brennverfahren arbeitet. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h erfolgt in 9 Sekunden, als Topspeed werden 190 km/h angegeben, als Verbrauchsschnitt 6,6 l/100 km.
69 Kilometer elektrische Reichweite
Beim PHEV leistet der Dreizylinder 132 kW/180 PS, aus dem Teamwork mit einem 60-kW/82-PS-Elektromotor ergibt sich eine Systemleistung von 192 kW/261 PS. Hier erfolgt der 0-auf-100-Sprint in 8 Sekunden, maximal rennt der Teilzeitstromer 210 km/h schnell. Ein Lithium-Ionen-Akku mit 14,1 kWh Nettokapazität soll nach WLTP-Norm beachtliche 69 Kilometer Reichweite ermöglichen, speziell in der Stadt sind nach Herstellerangaben 81 Kilometer drin. Angaben zur Ladezeit (fünf Stunden) liegen nur für die 230-Volt-Steckdose vor.
In beiden Modellen verwaltet ein 7-Gang-DSG die Gänge, der dazu dienliche Wählhebel ist eines der wenigen Details, die direkt auf den Bruder XC40 hinweisen.
"90 Minuten", sagt der freundliche Herr, der uns den Lynk 01 PHEV für eine Stadtrundfahrt durch Hamburg übergibt und vor der Elbphilharmonie einladend den Wagenschlag öffnet. Im Interieur stoßen wir auf viel Platz sowie auf bequeme, wenngleich nicht überragende Sitze, die mit einem veganen Recycling-Material namens Econyl bezogen sind. Vor uns breitet sich ein digitales Fahrerdisplay aus, daneben ein großformatiger und, anders als bei Volvo, quer statt hochkant verbauter 12,7-Zoll-Bildschirm, über den sich per Touchen und Sliden eine Vielfalt von Funktionen zugänglich macht. Das funktioniert nicht sofort intuitiv, zunächst haben wir uns in der Menüführung verirrt. Dennoch wagen wir die Prognose, dass ein Nutzer, der längere Zeit mit dem Lynk verbringt, die digitalen Wege alsbald verinnerlicht.
Kommentare an den Hersteller
Das Smartphone findet kabellos Anschluss via Android Auto und Apple CarPlay, es gibt – was vor allem ein jüngeres Publikum supercool finden dürfte – eine sogenannte Journey-Cam, die Fahraufnahmen, aber auch Selfies anfertigt. Vom Carsharing-Button ist bereits die Rede gewesen. Wir finden aber noch was auf dem Screen: Die Co:Lab-Funktion, über die sich per Sprachnachricht Kommentare oder Verbesserungswünsche direkt an den Hersteller schicken lassen.
Wir starten unsere Tour. Der Akku ist laut Anzeige zu etwa zwei Dritteln geladen, 47 Kilometer elektrischer Wegstrecke stehen in Aussicht. Nach 36 Kilometern Fahrt werden 7 Kilometer Restreichweite übrig sein, der Bordcomputer meldet einen Verbrauchsschnitt von 1,0 l/km Sprit und 19 kWh Strom. Aufgrund der Kürze unserer Tour kein besonders aussagekräftiger Wert, aber zumindest ein Anhaltspunkt dafür, dass der Lynk bedachtsam mit seinen elektrischen Reserven umgeht.
Drei Fahrmodi lassen sich anwählen: Pure für rein elektrisches Fahren, Power für verbrennergesteuertes Vorankommen und Hybrid - hier betreibt die Software eine unauffällige Symbiose beider Antriebsarten. Wir waren überwiegend im Hybrid-Programm unterwegs und somit elektrisch – denn in der City macht der Dreizylinder weitestgehend Pause. Verstärkt rekuperieren, auch das geht, die Fahrstufe "B" wird durch einen kurzen Zug am Automatik-Wählhebel aktiviert.
Landungsbrücken, Reeperbahn, Elbchaussee, Altona: Im innerstädtischen Bereich bleibt der Erkenntnisgewinn hinsichtlich Spurtstärke und Fahrdynamik begrenzt. Wir gewinnen aber den Eindruck, dass es mit dem Lynk 01 sicher, solide und relaxt vorangeht. Handlich lässt sich der Fronttriebler durch die City dirigieren, vernarbten Asphalt bügelt er verlässlich aus, und wenn der Dreizylinder übernimmt, tut er dies für Dreizylinder-Verhältnisse erfreulich ruhig.
In klassischen Verkaufsräumen wird man den Lynk & Co 01 übrigens nicht kennenlernen können. Stattdessen sollen loungig-schicke Clubs eröffnen, in denen das Auto zur Ansicht steht und wo sich – dereinst, nach Corona – auch die Mitglieder der Community treffen können, bei Drinks oder im Rahmen von Events. Zwei dieser Clubs haben bereits eröffnet, einer in Amsterdam, ein weiterer in Göteborg, hier lässt es sich sogar in einer Sauna plauschen. Deutsche Treffpunkte werden zunächst in Berlin, Hamburg und München entstehen.
"Und wenn mal was kaputt ist?", fragt der an eine Stammwerkstatt gewöhnte Kunde sorgenvoll. Hinsichtlich Service, Wartung und Reparaturen, beruhigt der Hersteller, springen die Volvo-Betriebe ein: Der Lynk 01 wird abgeholt und nach getaner Arbeit wieder vor die Haustür gebracht.
Ulla Ellmer
Lynk 01:
Wann er kommt: Zur Jahresmitte 2021.
Wen er ins Visier nimmt: VW Tiguan, Volvo XC40, Audi Q3, Mercedes GLB, Hyundai Tucson, Kia Sportage etc.
Was ihn antreibt: 1,5-l-Dreizylinder-Turbodiesel mit 105 kW/143 PS (HEV). 1,5-l-Dreizylinder-Turbodiesel mit 132 kW/180 PS plus Elektromotor mit 60 kW/82 PS, Systemleistung 192 kW/261 PS (PHEV).
Was er kostet: Ab 35.000 Euro (HEV) bzw. 42.000 Euro (PHEV). Monatliche Abogebühr jeweils 500 Euro.
Was noch kommt: Möglicherweise ein rein elektrisches Modell.