"An der Belastungsgrenze"
Ausfälle in Franken und Nürnberg: Droht dem ÖPNV jetzt der Kollaps?
Redakteur
Die Krankenstände sind hoch, Stellen bleiben unbesetzt - die Situation im Nahverkehr ist angespannt wie selten zuvor. Das bekommen nun auch erneut Fahrgäste zu spüren. Beispielsweise die Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG), die Busse und Bahnen in der Stadt betreibt, muss seit Montag ihren Fahrplan ausdünnen. Auf zahlreichen Linien verkehren weniger Busse, die Taktung wird angepasst, Verbindungen fallen aus. Das Limit ist erreicht.
Jetzt schlägt auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Alarm. Die Probleme bei der VAG, sagt die Organisation, seien alles andere als ein Einzelfall. "Wenn es den Eisenbahnunternehmen in den nächsten Monaten nicht gelingt, ausreichend Personal nachzusteuern, ist Stillstand vorprogrammiert", heißt es aus der Chefetage der Gewerkschaft. Geht es so weiter, droht sogar der Kollaps.
Gewerkschaft prangert "schlechte Bezahlung" an
Ausfallende Züge und Busse markieren erst den Anfang der Misere. Natürlich seien die hohen Krankenstände ein Baustein, der das System belaste. Als Ausrede, so die EVG, dürfe das aber nicht herhalten. "Entweder sind Stellen, auch wegen schlechter Bezahlung, unbesetzt oder die Kolleginnen und Kollegen sind krank; insbesondere, weil die Belastungen im Beruf mittlerweile überhand nehmen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Cosima Ingenschay. In den nächsten Wochen und Monaten werden die Engpässe noch schlimmer, ist die Gewerkschaft überzeugt.
Um die Mitarbeiter zu entlasten, helfe nur eines: mehr Geld. Sagt zumindest die EVG. Ab Februar führt die Gewerkschaft Tarifverhandlungen mit insgesamt 50 Nahverkehrsunternehmen. "Unser Ziel wird sein, die Löhne deutlich anzuheben und das branchenweit einheitlich, indem wir für alle Unternehmen die gleiche Forderung aufstellen", sagt Ingenschay. Denn: Nur wenn die Bezahlung stimme, werde man neue Kräfte finden.
Branche in der tödlichen Zange
"Alle Personaloffensiven werden zum Scheitern verurteilt sein, wenn die Unternehmen nicht endlich angemessene Löhne zahlen", sagt Kristian Loroch, der zweite stellvertretende Vorsitzende bei der EVG. Er zieht Parallelen zur Misere bei der Deutschen Bahn. "Es reicht nicht aus, zu erklären, in diesem Jahr 25.000 neue Mitarbeitende einstellen zu wollen. Die müssen erst einmal gefunden werden und dann vor allem aber bleiben."
Die Branche befinde sich in einer tödlichen Zange, sagt die Gewerkschaft. Immer mehr Mitarbeiter werden krank, weil es keine Entlastung gibt. Auch die Anzahl der Überstunden steige in ungeahnte Höhen. "Lag der Krankenstand 2021 noch bei gut 5,5 Prozent, wurde 2022 ein deutlicher Anstieg auf 7,1 Prozent verzeichnet", rechnet Loroch vor. "Diese Zahlen machen deutlich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind. Viele sind schon weit darüber hinaus gegangen."