Die Bahn in Corona-Zeiten: Einschränkungen sind alternativlos
1.4.2020, 05:40 UhrKein anderes Bundesland hat im Schienen-Nahverkehr ein derart dichtes Fahrplanangebot zu bieten wie der Freistaat. Die bayerischen S-Bahnen und Regionalzüge legen jeden Tag 340.000 Kilometer zurück und umrunden somit theoretisch achtmal die Erde. Rund 1,3 Millionen Fahrgäste werden täglich befördert, alleine der Nürnberger Hauptbahnhof wird jeden Tag von 300 S-Bahnen und 290 Nahverkehrszügen angesteuert. Zumindest in normalen Zeiten.
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Doch davon sind die Deutsche Bahn und andere Eisenbahnunternehmen durch die Corona-Krise inzwischen weit entfernt. Offizielle Zahlen zum aktuellen Fahrgastaufkommen gibt es nicht. In Bahnkreisen wird aber geschätzt, dass im Freistaat mittlerweile 70 bis 80 Prozent der Reisenden im Nahverkehr ausbleiben.
Seit Montag nur noch Grundangebot
Seit Montag gilt auch nur noch ein Grundangebot. Die Nürnberger S-Bahnen verkehren beispielsweise nur noch im Stundentakt, die Mainfrankenbahn Richtung Würzburg fährt nur noch zur Hauptverkehrszeit stündlich und ansonsten nur alle zwei Stunden und auch alle anderen Strecken in der Region sind von den Einschränkungen betroffen.
Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) appellierte an die Bevölkerung im Freistaat, nur noch dann mit dem Zug zu fahren, wenn es unbedingt notwendig ist: "Bitte prüfen Sie vor jedem Fahrtantritt, ob Ihre Reise angesichts der Ausgangsbeschränkungen möglich und notwendig ist. Wählen Sie wenn möglich einen Reisetermin außerhalb der Hauptverkehrszeiten und halten Sie Abstand – dies dient dem Schutz und der Gesundheit von uns allen."
Mindestabstände können nicht eingehalten werden
Gerade die Einschränkungen können in Einzelfällen aber dazu führen, dass die verbliebenen Züge etwa zur Pendlerzeit am Morgen, Nachmittag und Abend so voll sind, dass die Einhaltung von Mindestabständen nicht immer möglich ist. So beklagen beispielsweise Berufspendler, die Richtung Treuchtlingen unterwegs sind, dass nur noch Züge mit vier Wagen unterwegs sind und fragen sich, warum vor dem Hintergrund des ausgedünnten Fahrplans nicht wenigstens längere Garnituren zum Einsatz kommen. Auch zwischen Augsburg und München wurden diese Klagen laut.
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Der Fahrgastverband Pro Bahn hat die Aufgabenträger des Schienenpersonen-Nahverkehrs (SPNV) bereits aufgefordert, Angebotseinschränkungen zurückzunehmen, wenn sie zu vollen Zügen führen. Der SPNV dürfe nicht "zum Ansteckungsort Nummer eins werden", so der Verband. Das gelte vor allem für die S-Bahnen in den Ballungsräumen, bei denen es in den Hauptverkehrszeiten weiterhin zu "hohen Belegungsgraden" komme.
In Stuttgart reagierte aus diesem Grund die Rathausspitze und ordnete in der letzten Woche zur Entlastung wieder mehr Bus- und Stadtbahnfahrten an. Wo es möglich sei, sollten laut Pro Bahn auch die weiterhin verkehrenden Züge mit frei gewordenem Wagenmaterial verlängert werden. Auch hinsichtlich der Taktfrequenz müsse "ein aktzeptables Niveau" aufrechterhalten werden, insbesondere um "den Alltag für die systemtragenden Berufsgruppen nicht unnötig zu verkomplizieren."
Die bayrische Eisenbahngesellschaft hat sich als Aufgabenträger für die SPNV zu der Platz-Problematik nun folgendermaßen geäußert: "Im Rahmen der Umstellung des SPNV auf ein stabiles Grundangebot ist es in einzelnen Zügen zu Problemen mit der Auslastung gekommen, denen aber umgehend abgeholfen wurde. Sobald uns die Nachrichten erreichen, dass die Abstandsregeln nicht eingehalten werden, bitten wir die Eisenbahnverkehrsunternehmen, so schnell wie möglich nachzusteuern. In vielen Fällen konnten wir hier schon eine Nachbesserung am Folgetag erreichen."
Verständnis und Flexibilität bei der Zugwahl
Ein Sprecher der Deutschen Bahn erklärt, dass die Kritik bekannt sei, es sich dabei aber um Momentaufnahmen von einzelnen Linien und Verbindungen handeln würde. "Wir versuchen nach bestem Bemühen, die Balance zwischen Hygieneregeln und der Aufrechterhaltung der Versorgung zu wahren." Pendler bat er um Verständnis und Flexibilität bei der Zugwahl, auch wenn das nicht immer möglich sei.
Es gehe darum, trotz der Corona-Krise einen stabilen und verlässlichen Fahrplan anzubieten, auf den sich die Reisenden verlassen könnten. Das volle oder nur ein leicht eingeschränktes Angebot sei mit Blick auf die aktuelle Situation auch bei der DB selber keine Alternative. "Wir haben zwar keine Krankenstände, die durch die Decke gehen", so der Sprecher. Aber das Unternehmen will auch für diesen Fall gerüstet sein, um noch stabil fahren und kurzfristige, nicht planbare Ausfälle vermeiden zu können.
So hätten sich beispielsweise bei der Gräfenbergbahn kürzlich zwei Lokführer krank gemeldet, weshalb 16 Fahrten ausfallen mussten. "So etwas soll mit einem reduzierten Angebot verhindert werden", so der Sprecher.
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