Geschichte für Alle hat Bedenken

"Lernort von internationalem Rang": Historiker gegen Oper in der Kongresshalle

Isabel Lauer

Lokalredaktion Nürnberg

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1.10.2021, 13:21 Uhr
Der Innenhof der Kongresshalle am Dutzendteich: trist, gigantisch und im Moment frei einsehbar für Besucher des Reichsparteitagsgeländes.

© Isabel Lauer Der Innenhof der Kongresshalle am Dutzendteich: trist, gigantisch und im Moment frei einsehbar für Besucher des Reichsparteitagsgeländes.

Ein Beschluss ist noch nicht gefallen, trotzdem wird der Innenhof der Kongresshalle heiß gehandelt als mögliche Entlastung für das Staatstheater. Stadtspitze und Theaterleitung möchten dort eine Zwischenspielstätte während der kommenden Sanierung des Opernhauses unterbringen. Zuletzt hatte die Politbande, eine kommunalpolitische Initiative mit einem Sitz im Stadtrat, sogar einen dauerhaften Neubau vorgeschlagen. Eine neue Oper, in die Kongresshalle integriert, wäre aus ihrer Sicht kostensparender und zukunftsorientierter als ein Ringtausch.

"Sinnliche Erfahrung"

Dagegen erheben jetzt Kenner des Areals Einspruch. Der Verein Geschichte für Alle spricht sich in einem Positionspapier gegen die Überbauung des Hofs aus, egal ob vorübergehend oder permanent. Der bewusst leergeräumte Innenhof sei "ein Lernort von nationalem und internationalem Rang, der wie kein anderer Ort auf dem Reichsparteitagsgelände für den Größenwahn und das Scheitern der NS-Diktatur steht", heißt es darin. Hunderttausende Besucher jährlich könnten dies auf der Fläche sinnlich erfahren.

Die Initiative von Historikern, die auch zur NS-Zeit in der Region forschen, ist als Kooperationspartner des Dokumentationszentrums Hauptanbieter von Besucherführungen. Den anfänglichen Plan von Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU), den Torso gebliebenen Rundbau für künstlerische Nutzungen zu öffnen, befürwortet der Verein dagegen. Die Fassade dürfe dabei aber nicht verändert werden.

Neu- und Einbauten, so argumentieren die beiden Reichsparteitagsgelände-Experten Bernd Windsheimer und Pascal Metzger, würden "den erinnerungskulturellen Denkmalwert ein für allemal zerstören". Die unvollendete Kongresshalle sei "kein x-beliebiges Gebäude, in das man einfach ein anderes Bauwerk setzen kann", stellt Metzger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Vereins, fest.

Sorgen vor Störungen bei der Geschichtsvermittlung an dem Schauplatz hatte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) bereits im August in seinem Antwortschreiben auf entsprechende Einwände der SPD-Stadtratsfraktion zurückgewiesen. Gerade eine Kulturnutzung biete die einmalige Chance, "einen wichtigen Schritt zur demokratischen Aneignung des Areals zu gehen", schrieb er. Er könne Bedenken, dass behutsam eingefügte Gebäude die pädagogische Erinnerungsarbeit behindern könnten, nicht nachvollziehen.


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In einem weiteren Kritikpunkt aus seinem Positionspapier ist sich Geschichte für Alle mit der SPD-Fraktion einig: Geschichte für Alle fordert breitere und öffentlich zu führende Gespräche zur Frage der Opernhaus-Sanierung und Standortentscheidungen. Am 22. Oktober will die städtische Opernhauskommission mehr Klarheit über mögliche Interims-Spielstätten gewinnen. Bis Jahresende will der Stadtrat entscheiden.

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