Messerstecher von St. Johannis hatte ein Drogenproblem
17.12.2018, 19:11 UhrDer Tatverdächtige, der nach einer Korrektur der Behörden nicht aus Thüringen, sondern aus Sachsen-Anhalt stammt, versuchte wenige Stunden vor den Attacken in St. Johannis in einem Geschäft am Plärrer ein Käsemesser im Wert von 4,88 Euro zu klauen. Die gerufene Streife nahm die Personalien auf, die in seinem Personalausweis stehen, eine Anzeige war in Vorbereitung. Warum aber haben die Polizeibeamten zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt, dass die Meldeadresse in Berlin nicht mehr stimmte? Gegenüber den Nürnberger Nachrichten erklärt Polizeisprecherin Elke Schönwald: "Zu diesem Zeitpunkt stand nur ein versuchter Ladendiebstahl im Raum."
Man gehe bei der Bearbeitung eines solchen "Massendeliktes" davon aus, dass die Adresse in einem gültigen Ausweis stimmt. Dass der Mann, der vor den Beamten stand, bereits 18 Mal vorbestraft war, werde bei solch einem vergleichsweise kleinen Delikt nicht abgefragt. Dazu müsse ein Auszug aus dem Bundeszentralregister eingeholt werden, das gehe nicht auf Knopfdruck, sondern dauere Stunden.
So fasste die Polizei den mutmaßlichen Messerstecher
Bei der Vielzahl an Diebstählen, die täglich aufgenommen werden, sei das nicht zu leisten. Und selbst wenn man von den Vorstrafen gewusste hätte, ein Grund für eine Festnahme wäre das nicht gewesen. Als der Tatverdächtige nach den grausigen Messerangriffen am Freitagvormittag im Rahmen der Großfahndung gestellt wurde, fand die Polizei dann doch heraus, dass die Meldeadresse nicht stimmte. Wie ging das vor sich und warum jetzt? Die Einsatzkräfte waren in Alarmbereitschaft, es gab eine Personenbeschreibung, die auf den 38-Jährigen passte, der an der Schnieglinger Straße kontrolliert wurde.
38-Jähriger schweigt zu den Vorwürfen
Die Beamten fanden ein blutverschmiertes Messer bei ihm. Der Ermittlungsdruck war hoch, jetzt kontrollierte die Polizei die angegebene Berliner Meldeadresse genauer. "Es wurde Kontakt mit der Berliner Polizei aufgenommen. Die schickte eine Streife zur angegebenen Wohnung und stellte fest, dass Daniel G. dort nicht oder nicht mehr wohnt“, erklärt Polizeisprecher Robert Sandmann. G. gilt für die Beamten damit als wohnsitzlos. Welches Motiv der mutmaßliche Täter Daniel G. hatte, ist nach wie vor unklar, da er zu den Vorwürfen schweigt. Alle drei Frauen wurden bei den Angriffen verletzt — zwei von ihnen lebensgefährlich. Sie befinden sich auf dem Weg der Besserung. Die Blutspuren am Messer und der folgende DNA-Abgleich brachten den Nachweis, dass G. der Täter sein musste.
Die Anklagebehörde will "zeitnah" Haftbefehl wegen versuchten Mordes in drei Fällen beantragen. Weil G. schon in U-Haft sitzt, gebe es keinen Grund zur Eile, sagte eine Sprecherin. Der Haftantrag werde höchstwahrscheinlich noch diese Woche gestellt. Daniel G. hat ein Facebook-Profil, auf dem er den betont coolen Tattoo-Träger mit Sonnenbrille gibt. Auf seinem Bauch steht groß "ACAB" für "All Cops are Bastards". Sicher, Facebook-Profile sind mit großer Vorsicht zu genießen. Hier wird viel geschönt, geprahlt, selten schimmert die Wahrheit durch auf Seiten, die allen Nutzern zugänglich sind.
2017 trat er eine Therapie an
Doch in manchen Einträgen ist der spätere Gewalttäter spürbar orientierungslos, er spricht immer wieder von Langeweile und Frust ("nichts los hier"). Wie ein pubertärer Jugendlicher zeigt er triumphierend ein Selfie aus einem Zugabteil, in dem er verbotenerweise raucht. Die Fotos von zwei kleinen Töchtern, geboren 2012 und 2016, tauchen nur kurz auf. Daniel G.’s Beziehungen zu den Müttern scheitern offenbar sehr schnell. Im November vor zwei Jahren schreibt er etwa: "Am Boden zerstört". Auch Drogen haben in seinem Leben offenbar eine Rolle gespielt. 2017 hat er angeblich eine Therapie angetreten. "Falsche Freunde, Drogen, jetzt mach ich gerade eine erfolgreiche Therapie", schreibt der Mann über den "neuen Lebensabschnitt", der jetzt beginne.
Messer-Attacken in Nürnberg: Eine Chronologie der Ereignisse
Der 38-Jährige war zuletzt am 20. Oktober dieses Jahres auf der Plattform aktiv. Da tauscht er sein Profilbild ein letztes Mal. An die Stelle dreier martialischer Totenköpfe setzt er ein Selbstporträt. Ein schmallippiger Mann mit Glatze, schwerer Silberkette und dunkler Sonnenbrille ist zu sehen. Nun sucht die Polizei nach einer bislang unbekannten Zeugin, die am Donnerstag, 13.Dezember, um etwa 22 Uhr mit ihrem Hund in der Rückertstraße gewesen sein soll. Nach derzeitigen Erkenntnissen könnte es sich bei ihr um eine wichtige Zeugin handeln. Sie wird gebeten, sich beim Kriminaldauerdienst unter der Rufnummer (0911)2112-3333 zu melden.
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