Erfolgte Maßnahmen

Wenn Unterführungen zur tödlichen Falle werden: Wann wird Nürnberg endlich zur „Schwammstadt“?

Andrea Munkert

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2.9.2024, 14:47 Uhr
Mit zunehmend mehr Überflutungen ist wohl zu rechnen - für Bürger eine plötzliche Todesfalle. Nicht nur in Nürnberg sind solche Fälle bekannt, auch in Bamberg beispielsweise.

© Ferdinand Merzbach/NEWS5 Mit zunehmend mehr Überflutungen ist wohl zu rechnen - für Bürger eine plötzliche Todesfalle. Nicht nur in Nürnberg sind solche Fälle bekannt, auch in Bamberg beispielsweise.

Dieser Artikel wurde am 2. September um 14.10 Uhr aktualisiert.

Oft dauert es wenige Sekunden - und das Auto wird in einer Unterführung bei Starkregen wie in den vergangenen Wochen zur tödlichen Falle. Erst im August musste nicht nur ein Mann in Nürnberg aus seinem im Nu vollgelaufenen Auto bei heftigstem Regen in wortwörtlich letzter Sekunde gerettet werden. Einige Wochen zuvor retteten sich zwei Menschen aufs Autodach und warteten auf Hilfe - weil die Unterführung so immens schnell mit den Regenergüssen volllief. In diesem Sommer hatten wir bereits einige heftige Unwetter mit Starkregen - ein Phänomen, mit dem Städte rechnen müssen und für das sie Sorge zu tragen haben.

2023 kam in Nürnberg das Thema "Schwammstadt" ins Gespräch. Dabei handelt es sich um ein Konzept für die Stadtplanung, möglichst viel anfallendes Regen- bzw. Oberflächenwasser vor Ort aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten. Dadurch sollen beispielsweise Überflutungen bei Starkregen-Ereignissen vermieden oder zumindest verringert, das Stadtklima verbessert und die Gesundheit von Stadtbäumen sowie die Resilienz von gesamten Stadtökosystemen gefördert werden - was im Zuge der Klima- und Biodiversitätskrise besonders wichtig ist.

Groß wurde in der Vergangenheit über Maßnahmen für dieses Konzept der "Schwammstadt" diskutiert und verhandelt. Doch auch nach den Fällen 2024 entsteht bei vielen das Gefühl, dass bislang zu wenig passiert ist, um Nürnberg besser für Starkregen-Ereignisse zu wappnen. "Hier handelt es sich weitgehend um ein Gefühl, tatsächlich ist bereits viel passiert und wird noch viel passieren", entgegnet Siegfried Dengler, der Leiter des Stadtplanungsamts Nürnberg ist. Dass es in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werde, liege laut Siegfried Dengler im Wesentlichen an zwei Umständen: Zum einen sei die Stadt bereits weitgehend gebaut. "Straßen, Plätze, Gebäude, Freianlagen und Entwässerungssysteme lassen sich nicht kurzfristig umbauen", so Dengler.

Zum anderen umfasse das Prinzip der "Schwammstadt" eine Vielzahl möglicher Maßnahmen, deren Umsetzung vom Einzelfall und den konkreten Möglichkeiten abhänge. Viele dieser Maßnahmen seien wenig spektakulär und würden manchmal nur von Fachleuten oder sogar gar nicht wahrgenommen, so Siegfried Dengler. Als Beispiele führt er Fugen in Randsteinen der Straßen an, um Regenwasser in Grünflächen ableiten zu können, unterirdische Rigolen oder Dachbegrünungen zur Regenwasserrückhaltung.

Der Leiter des Stadtplanungsamts betont: "Tatsächlich wird zwischenzeitlich bei allen Planungen - des Stadtplanungsamtes und sicher auch anderer Dienststellen - die Anwendung des Schwammstadtprinzips geprüft und wo immer möglich umgesetzt. Das Konzept sei seit Jahren für die Stadtplanung eines der "Topthemen", so Dengler weiter auf Nachfrage der Redaktion und dem pflichtet auch André Winkel, Pressesprecher bei SÖR bei. "In der Realität müssen wir aber regelmäßig mit einer Vielzahl an Zielkonflikten umgehen, die jeweils sehr vom Einzelfall abhängen", fügt Dengler hinzu.

Der Großteil der Bautätigkeiten im Stadtgebiet sei von privater Seite geplant und durchgeführt. Auch dort sei das Thema bereits angekommen, im Rahmen der Bauberatung werde es von Seiten der Verwaltung – und bei den Projekten, die dem Baukunstbeirat der Stadt vorgelegt werden – regelmäßig angesprochen und eingefordert, erklärt Dengler weiter.

Erkennbare Maßnahmen?

Gibt es denn bereits signifikante Maßnahmen und damit auch Veränderungen im Stadtgebiet, die konkret auf dieses Ziel einzahlen? Alle aktuellen Planungen berücksichtigen, soweit das im Einzelfall möglich ist, die Ziele des Schwammstadtprinzips, sagt der Leiter des Stadtplanungsamts. Beispiele seien: die Gestaltung der öffentlichen Räume und Verkehrsflächen im neuen Stadtquartier Lichtenreuth, im Regensburger Viertel (sichtbare Entwässerung der Dachflächen in die angrenzenden Grünflächen), die bereits im Stadtplanungsausschuss beschlossene Planung des Obstmarkts, das Entwurfskonzept für die Umgestaltung der Breiten Gasse, die Planung für den Mögeldorfer Plärrer (bereits in Umsetzung) oder die Neugestaltung des Plärrers (in Planung). "In den Bebauungsplänen sind bereits seit langem Dachbegrünungen verbindlich festgesetzt, erläutert Dengler. Die vom Stadtrat beschlossene Begrünungssatzung regele Dach- und Fassadenbegrünungen auch außerhalb von Bebauungsplangebieten.

Auch der SÖR-Pressesprecher betont: "Es tut sich einiges beim Thema Nürnberg als Schwammstadt." Aktuelle werde im Zürichpark eine großflächige Grünanlage gestaltet, bei der das Entwässerungskonzept eine wichtige Rolle einnehme. Auch bei der Umgestaltung des Mögeldorfer Plärrer sei der Schwammstadtgedanke in die Planung eingeflossen, sagt auch Winkel. Weitere Beispiele seien der Helmut-Herold-Platz, die Grünanlagen in der Professor-Ernst-Nathan-Straße und in der Neubleiche.

Noch deutlicher würden die Vorgaben der Schwammstadt beim Neubau der SÖR-Zentrale am Pferdemarkt erfüllt, führt André Winkel an. Hier gebe es ein ausgeklügeltes Wasserkonzept, bei dem das sogenannte Regenwassermanagement - darunter fallen Maßnahmen wie Versickerung, Rigolen oder Baumbewässerung - ebenso eine große Rolle spiele, wie der Umgang mit Schmutzwasser. "Darüber hinaus sorgt eine Dachbegrünung auf den Verwaltungsgebäuden dafür, dass Niederschlagswasser zurückgehalten wird und das Mikroklima vor Ort verbessert wird, indem die Begrünung die Luftfeuchtigkeit erhöht und damit die Umgebungstemperatur gesenkt wird", so Winkel.

Kritik an den Plänen für Wetzendorf

In Nürnberg gibt es derzeit viele konkrete und größere Projekte, auch der Zürichpark zähle dazu, so André Winkel. Nicht immer allerdings nehmen die Anwohner die Maßnahmen oder Ideen auf dem Weg der Umsetzung an - wie das Beispiel des Baugebietes "Wetzendorf/Parlerstraße" zeigt. Der Bund Naturschutz und die Anlieger kritisieren dort, in der Nordstadt nahe Thon, fehlenden Hochwasserschutz und geplante Bebauung am Wetzendorfer Landgraben. Unter anderem wird angeführt, dass "Wassermassen nicht zum Anschwellen des Landgrabens und zu Überschwemmungen bachabwärts führen können". Auch wisse man nicht, ob sich die "Flutpolder" am Wetzendorfer Landgraben nicht negativ auf die Unteranlieger in Wetzendorf, Schniegling und Fürth auswirkten, so der Bund Naturschutz Nürnberg.

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