Nähen gegen Corona: Schnaittachs Turnhalle wird zur Maskenfabrik

8.4.2020, 10:50 Uhr
Nähen gegen Corona: Schnaittachs Turnhalle wird zur Maskenfabrik

© Andrea Beck

Doch seit der Verbreitung des Coronavirus hat sich der Bedarf der Kunden geändert: Mund-Nasen-Masken und Arztkittel stehen jetzt hoch im Kurs. Deswegen hat sich Dominik Berger, Geschäftsführer von Sutura und ausgebildeter Rettungsassistent, vor einigen Wochen entschieden, die Produktion vorübergehend zu erweitern.


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Seine zehn Mitarbeiter in der Firma nähen nun die begehrten Masken und Kittel. Als Schnaittachs Bürgermeister Frank Pitterlein von der Umstellung erfuhr, bot er Berger die Unterstützung der Gemeinde an.

Unterstützung aus der Gemeinde

Pitterlein ist Berufsoffizier im Sanitätsdienst der Bundeswehr und für seine Amtszeit als Bürgermeister temporär freigestellt. Er schlug Berger die zurzeit ungenutzte Turnhalle als zusätzlichen Standort vor. „Wir haben die Erweiterung mit dem Landratsamt geklärt und die gelagerten Nähmaschinen ausgepackt. Auf unseren Aufruf in der lokalen Facebook-Gruppe haben sich nach kurzer Zeit so viele Interessenten gemeldet, dass wir theoretisch zwei Schichten besetzen könnten“, sagt Berger.

Vergangene Woche ging das Projekt an den Start. Nach einer Einweisung sitzen nun die Freiwilligen in der Turnhalle und nähen Mehrweg-Masken. Ihre Tische haben mehrere Meter Abstand, der Nähbereich ist mit Flatterband abgesperrt. Es riecht nach Textilien und Turnhalle. Im Moment ist Platz für sechs Näherinnen, die von neun bis 15 Uhr an den Maschinen sitzen. Ihr Lohn muss noch mit den Behörden geklärt werden, vermutlich wird pro Stück bezahlt. Die spontanen Helfer, bisher mit einer Ausnahme Frauen, haben jedoch keinen vorbestimmten Arbeitsplan. „Jeder Helfer näht, soviel er schafft und geht, wann er möchte“, sagt Berger.

Näher müssen Erfahrung haben

Unter ihnen ist Reyhane Mustafa aus Schnaittach. Die 57-Jährige zog vor fünf Jahren von Bulgarien nach Mittelfranken und nähte in ihrer Heimat bereits in den großen Fabriken von Sportartikelproduzenten. Dass die Frauen Erfahrung mit industriellen Nähmaschinen haben, ist eine Voraussetzung für ihre Teilnahme am Projekt. „Wegen Corona habe ich meine Stelle verloren und jetzt will ich nicht daheim auf dem Sofa sitzen“, sagt Mustafa. Während ihrer Suche nach einer neuen Arbeit will sich die 57-Jährige mit dem Masken nähen ein paar Euro dazu verdienen.


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Stefanie Thiel aus Schnaittach zählt mit ihren 38 Jahren zu den jungen Näherinnen. Sie arbeitet sonst als Designerin bei Création Gross in Hersbruck und hat für ihren Beruf das Nähen an der professionellen Maschine gelernt. Die Firma hat ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. „Ich hätte es auch ehrenamtlich gemacht“, sagt Thiel.

„Ich will in dieser schweren Zeit helfen und jeder kann etwas tun“, sagt sie. Thiel und ihre aktuellen Kolleginnen nähen Mehrwegmasken aus Baumwolle, die mit Zinkoxid beschichtet sind. „Das zerstört Mikro­organismen auf der Oberfläche“, sagt Berger. Die Masken halten eine Kochwäsche von 95 Grad aus und sind für den Gebrauch im Alltag gedacht. „Sie halten die Tropfen beim husten auf, sind aber kein Schutz für die Träger“, erklärt Berger.

Einwegmasken halten 30 Minuten durch

Seine Mitarbeiter in der Firma produzieren professionelle Einwegmasken, die durch eine eingenähte Nasenklemme besser sitzen und mit einem speziellen Filz beschichtet sind, der kleinste Partikel – wie Staubkörner – abfängt. Außerdem ist der Stoff besonders dicht gewebt. Diese Mund-Nasen-Masken sind für Risikobereiche wie Krankenhäuser geeignet, aber nicht für die Nutzung im Operationssaal, sondern zum Beispiel für Besucher.


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„Denn die Masken werden in dieser kurzen Zeit kein Zertifikat erhalten. Das wird erst nach einer monatelangen Prüfung vergeben“, weiß Berger. Die Einwegmasken sind spätestens nach einer Tragzeit von einer halben Stunde durchfeuchtet, danach dringt auch keine Luft mehr durch den feuchten Filz und die Maske muss entsorgt werden. „Deswegen ist auch die Nutzung von Mehrwegmasken so wichtig, denn sonst versinken wir nach der Krise in einem Berg von Müll“, sagt Pitterlein. Bis dahin wird die Nachfrage wohl weiter hoch bleiben.

Bis zu 700 Masken am Tag

„Wenn wir die Kapazitäten hätten, könnten wir auch drei Millionen Masken am Tag verkaufen, die Anfragen stapeln sich“, sagt Berger. Im Moment nähen seine Mitarbeiter bis zu 700 Masken am Tag. Den Betrieb kurzfristig umzustellen, ist für Sutura leichter als für Automobilbauer, die plötzlich Beatmungsgeräte herstellen sollen. „Dass das Sinn macht, wage ich zu bezweifeln. Im medizinischen Bereich ist die Qualität überlebenswichtig. Wir haben bereits die richtigen Geräte. Jetzt hängt unsere Produktion von der Menge des Materials ab, das wir bekommen“, sagt Berger.

Das mit dem Material ist keine leichte Sache. Durch den international hohen Bedarf an Rohmaterial wie etwa Baumwollstoff und Gummibänder hat sich der Staat eingeschaltet, um die Rohstoffe gerecht unter den Betrieben aufzuteilen.

Es werden Materialkontingente eingeteilt und die Landratsämter entscheiden, wie viel Stoff die einzelnen Betriebe erhalten. „Die Regierung muss vorsichtig sein mit diesem Shutdown. Die eingeschränkte Produktion hat letztendlich negative Auswirkungen auf die medizinische Versorgung, wenn kein Rohmaterial mehr geliefert wird“, sagt Berger.


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In Bezug auf eine Maskenpflicht für die ganze Bevölkerung sind er und Pitterlein skeptisch, ganz abgesehen vom Mangel, der eine Pflicht zurzeit unmöglich macht. „Das Problem ist, dass Laien nicht wissen, wie man Masken richtig trägt, um sich oder andere nicht doch zu infizieren. Ohne Schulung, kann das Maskentragen mehr Schaden anrichten, als es Nutzen hat“, sagt Pitterlein.


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