Die Kontaktfrau: Evi Grau-Karg für das Asyl-Café
17.1.2015, 09:22 UhrInzwischen ist sie auch für die Stadtverwaltung eine wichtige Partnerin. Ein Gespräch über ein außergewöhnliches Engagement in einer hoch sensiblen Zeit.
Frau Grau-Karg, Sie unterstützen Asylbewerber, die Pegida-Bewegung fordert eine härtere Asylpolitik. Was empfinden Sie, wenn Sie die Bilder der Demonstrationen sehen?
Grau-Karg: Ich bin erst einmal entsetzt, wie viele Menschen einigen wenigen folgen. Das sind ja nicht alles Rechtsradikale. Aber ich glaube, dass der Großteil der Demonstranten zu wenig informiert ist. Deshalb gibt es viele Ängste.
Wie kann man die abbauen?
Grau-Karg: Am besten durch persönliche Begegnungen. Damit wären wir bei der Arbeit vor Ort. Bei den monatlichen Treffen des Asyl-Café im Kapitelshaus der evangelischen Kirche besteht Gelegenheit zum zwanglosen Kennenlernen. Wenn man die Einzelschicksale hört, dann weiß man, dass die Leute nicht kommen, um bei uns zu schmarotzen, wie manche — auch Politiker — undifferenziert behaupten.
Fürchten Sie, dass nach dem Terror von Paris Pegida weiter Zulauf erhält?
Grau-Karg: Das ist zu befürchten, andererseits waren die großen Gegendemonstrationen ein ganz wichtiges Zeichen für Toleranz. Das gibt Hoffnung.
In Schwabach leben zur Zeit rund 200 Asylbewerber. Für mögliche weitere wird in der ungenutzten Turnhalle des Alten DG eine neue Notunterkunft geschaffen. Dafür sind die Schulturnhallen wieder frei. Wie schätzen Sie die Stimmung in Schwabach ein?
Grau-Karg: Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor ungebrochen. Ich bin sehr erleichtert, dass die Stimmung so offen ist.
Wie viel Zeit investieren Sie in Ihr Engagement?
Grau-Karg: Das dürften so um die 20 bis 25 Stunden in der Woche sein. Das geht nur im Team. Ich bin ja nicht allein.
Warum machen Sie das?
Grau-Karg: Ich bin schon lange bei Amnesty International aktiv. Da bekommt man ein Gespür dafür, in wie vielen Staaten Menschen politisch verfolgt werden. Die Idee kam mir in Passau: Meine Kinder studieren dort und sind im dortigen Asyl-Café aktiv. Das war der Auslöser. Da dachte ich: So etwas bräuchten wir auch bei uns, um Menschen zu unterstützen, die ihre Heimat verlassen mussten und bei uns Schutz suchen. Deshalb habe ich Saskia Stadelmeyer und Pfarrer Paul-Hermann Zellfelder angesprochen. So ist das entstanden.
Wie groß ist das Asyl-Café-Team inzwischen?
Grau-Karg: Wir sind ein Kreis von rund 20 Aktiven.
Und wie viele Leute kommen zu den monatlichen Treffen?
Grau-Karg: So 50 bis 60. Es gibt Kaffee und Tee und ein Büfett auch mit Spezialitäten, die die Asylbewerber zubereiten. Zu den Treffen kommen auch ältere Schwabacher, die Flucht und Vertreibung nach dem Krieg erlebt haben. Die sagen: Wir wissen, was es heißt, seine Heimat zu verlieren. Das rührt mich sehr.
Das Angebot des Asyl-Cafés geht aber über dieses monatliche Treffen längst hinaus. Um was kümmern Sie sich noch?
Grau-Karg: Wir organisieren Deutschkurse, und zwar von Anfang an. Bei den staatlichen Kursen muss eine Wartezeit von drei Monaten eingehalten werden. Das halten wir für falsch. Die große Resonanz unserer Kurse zeigt: Die Asylbewerber wollen Deutsch lernen. Uli Ziermann und Manfred Thürauf vermitteln Asylbewerber in Sportvereine. Auf Einladung gehen wir mit Flüchtlingen auch zu Vorträgen in Schulen, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Der momentane Schwerpunkt liegt aber in der Wohnungssuche und der Hilfe beim Umzug aus Gemeinschaftsunterkünften.
Es gibt ja eine große Gemeinschaftsunterkunft in Schwarzach. Ist die so schlecht?
Grau-Karg: Nein, die Unterkunft ist in Ordnung. Auch die befürchteten Probleme mit der Nachbarschaft sind ausgeblieben. Das war ja auch so ein Beispiel dafür, dass man die Bürger früher informieren hätte sollen. Dennoch sind wir grundsätzlich gegen Gemeinschaftsunterkünfte.
Warum?
Grau-Karg: Gemeinschaftsunterkünfte mögen für den Staat weniger Arbeit und damit weniger Kosten verursachen. Aber es besteht die Gefahr einer Ghettoisierung, gerade wenn sie so abseits liegen. Das vermindert die Chancen auf Integration.
Wie sieht der Alltag dort aus?
Grau-Karg: Da es fast unmöglich ist, innerhalb der ersten 15 Monate eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, verbringen die Asylbewerber viel Zeit in ihrer Unterkunft. Da leben zum Teil vier Leute über Monate in einem Raum. Ich würde das auf Dauer nicht aushalten. Deshalb sind die Flüchtlinge auch erleichtert, wenn sie in normale Wohnungen umziehen können. Daher kümmern wir uns zusammen mit der Stadt auch darum.
Mit welchem Erfolg?
Grau-Karg: Von den 200 Asylbewerbern wohnen rund 100 in momentan 17 Wohnungen. Das ist ein Erfolg.
Aber birgt dieser Erfolg nicht auch neues Konfliktpotenzial? Günstiger Wohnraum in Schwabach ist knapp. Die Miete der Asylbewerber zahlt der Staat. Nehmen die Asylbewerber sozial schwachen Deutschen Wohnungen weg?
Grau-Karg: Richtig ist, dass die Mieteinkünfte sicher sind. Gezahlt werden ortsübliche Mieten. Aber das sind keine Luxuswohnungen. Zum Teil müssten sie renoviert werden. Manche Vermieter sagen: Investieren wollen wir nicht, lieber lasse ich die Wohnung leer stehen. Es schlafen schon mal zwei Männer, die sich vorher nicht kannten, in einem Zimmer, oder zwei Familien teilen sich Küche und Bad. In einem Fall wohnt eine Familie im zweiten Stock, hat das Bad aber im Erdgeschoss. Ich glaube nicht, dass das deutschen Wohnstandards entspricht. Deshalb sehe ich da keine Verdrängung auf dem Wohnungsmarkt.
Gibt es Konflikte mit Nachbarn?
Grau-Karg: Die Mülltrennung macht anfangs Probleme. Die muss man erst genau erklären. Ansonsten gibt es eher positive Erfahrungen. Wir gehen auch auf die Nachbarn zu und sagen, dass sie sich bei Problemen melden sollen, damit wir uns kümmern.
Wie viel Anrufe haben Sie schon erhalten?
Grau-Karg: Bisher einen, und da ging es eben um ein Problem mit der Müllentsorgung.
Und Sie packen beim Umzug richtig mit an?
Grau-Karg: Also, ich kann leider keine Möbel schleppen, sondern fahre den Transporter. Wir haben aber ein Team aus drei Asylbewerbern, darunter ein Ingenieur und ein Elektriker, und zwei Ehrenamtliche. Die bauen Küchen mit auf oder helfen beim Streichen.
Brauchen Sie Möbelspenden?
Grau-Karg: Aktuell suchen wir ein Gitterbett für Kinder, Teppiche und Staubsauger.
Sie übernehmen Aufgaben, die ja an sich Sache des Staats wären. Tut die Stadt genug oder schiebt sie die Verantwortung auf die Ehrenamtlichen ab?
Grau-Karg: Die Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen der Diakonie und dem Sozialamt ist sehr gut. Stadtrechtsrat Knut Engelbrecht und auch OB Matthias Thürauf unterstützen uns, da kann man nichts sagen. Ganz klar: Ohne uns Ehrenamtliche würde vieles nicht so gut laufen. Oder es müsste mehr Personal eingestellt werden. Nicht die Stadt, aber der Freistaat sollte hier mehr Geld in die Hand nehmen.
Was wünschen Sie sich für 2015?
Grau-Karg: Natürlich vor allem, dass alles bei uns so friedlich bleibt. Und dass Asylbewerber als das gesehen werden, was sie sind: ganz normale Menschen. Sie sollen würdevoll und angstfrei leben können.
Kontakt: Evi Grau-Karg, Telefon 01 75 - 6 45 19 15
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