Statt Rente: Treuchtlinger Ärztepaar hilft an Corona-Teststation
2.4.2020, 08:17 UhrEigentlich könnte sich Manfred Kreß entspannt zurücklehnen. 31 Jahre lang hat der Mediziner gemeinsam mit seiner Frau Annemarie eine Hausarztpraxis in Treuchtlingen geführt. Tausende Patienten hat das Paar behandelt, getröstet, informiert. Bis Ende Dezember, dann war altersbedingt Schluss. Zwei Nachfolger haben die Praxis zum 1. Januar übernommen. Knapp drei Monate hat die Rente für Kreß und seine Frau gedauert – dann kam die Corona-Krise. "Für uns ist es eine moralische Selbstverständlichkeit, zu helfen. Es besteht ja auch die Gefahr, dass Kollegen ausfallen". Das Ehepaar bot beim örtlichen Gesundheitsamt seine Dienste an, dort war man froh über die Hilfe.
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Ab nächster Woche werden Kreß und seine Frau in einer Teststation in Gunzenhausen sitzen und potentiell infizierte Personen auf das Coronavirus testen. "Bislang sind wir in der Region ganz gut weggekommen", sagt er mit Blick auf die Fallzahlen. "Ich teile aber die Meinung, dass es die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. Die nächsten Wochen werden entscheidend." Eine Überlastung des Gesundheitssystem sei möglich, sagt der erfahrene Allgemeinmediziner, an einen Zusammenbruch glaubt er aber nicht.
Damit Arztpraxen und Krankenhäuser handlungsfähig bleiben, bemühen sich Bundes- und Staatsregierung intensiv um Mediziner wie das Ehepaar Kreß. Ärzte, die sich noch nicht lange im Ruhestand befinden, und bereit sind, mögliche Personalengpässe zu überbrücken. Die Bayerische Landesärztekammer hat ein Online-Portal aufgebaut, in dem sich Mediziner registrieren lassen können. Die Resonanz ist bisher gut. Neben Kollegen im Ruhestand melden sich auch solche, die sich gerade in Elternzeit befinden.
Engagierte Ruheständler
"Bis Montag haben sich 314 Ärzte mit deutscher Approbation, 285 mit einer ausländischen Approbation und 232 Medizinstudenten bei uns gemeldet", sagt eine Sprecherin der Kammer. Staatliche Zulassung der Freiwilligen und ihr Facharztstatus würden geprüft. Außerdem können die Mediziner besondere Zusatzqualifikationen und Erfahrungen angeben – das hilft, sie bestmöglich einzusetzen.
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Am Dienstag hat die Kammer die bisher registrierten Helfer dem bayerischen Gesundheitsministerium gemeldet. Von dort aus erfolgt nun die Verteilung der Ärzte, die natürlich möglichst wohnortnah eingesetzt werden sollen. Klaus Auktor, der gemeinsam mit seinem Kollegen Ingo Zapf die Praxis in der Oettinger Straße vom Ehepaar Kreß übernommen hat, ist derzeit nicht auf fremde Unterstützung angewiesen. Doch die Folgen des Coronavirus spürt er in seiner täglichen Arbeit deutlich. "Man merkt, dass Patienten zunehmend belastet sind. Allerdings gar nicht so sehr vom Virus selbst", berichtet Auktor.
Vielmehr mache die Gesamtsituation immer mehr Menschen psychisch zu schaffen. "Da gibt es die Angst, sich zu infizieren oder lange in Isolation leben zu müssen", sagt der Anästhesist und Allgemeinmediziner. Auch Sorgen rund um den Arbeitsplatz nähmen zu. "Wir werden bombardiert mit Anfragen, wir haben momentan eine Arzthelferin, die nur am Telefon sitzt." Zu dem großen Informationsbedarf kommt auch noch das Risiko, Mitarbeiter der eigenen Praxis oder er selbst könnten sich mit dem Coronavirus infizieren. Auktor wünscht sich daher mehr Schutzkleidung. "Das Landratsamt bemüht sich, aber noch haben wir nichts bekommen."
Ein Problem, das Peter Löw kennt. In Sachen Schutzkleidung seien alle vernachlässigt worden, auch die Krankenhäuser. Gemeinsam mit seiner Frau führt Löw eine Hausarztpraxis in Treuchtlingen. Löw selbst ist Internist und Infektiologe, kennt sich also bestens aus mit Viren und Bakterien.
Mehrere Covid-19-Fälle hat er in seiner Praxis schon betreut. "Es gibt da sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. Einmal war es ein verlängerter grippaler Infekt, einmal nur etwas Halskratzen. Immer wieder ist Fieber dabei, bei Kindern kann sich die Infektion aber auch mal durch Bauchschmerzen äußern", berichtet er von seinen Erfahrungen mit dem Virus. Einen wirklich schweren Verlauf habe er glücklicherweise noch nicht erlebt – auch nicht bei seinen Patienten in Altenheimen.
"Es herrscht große Unsicherheit"
Dennoch betont er: "Die derzeit verhängten Maßnahmen sind wichtig, um die Vermehrung des Virus zu verlangsamen. Ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt auch keinen Sinn darin, sie wieder zu lockern. Zu Hause bleiben ist die richtige Strategie!" Das gelte auch für junge Leute. Zwar haben sie ein geringeres Risiko, schwer zu erkranken – eine Garantie für einen milden Verlauf gibt es jedoch auch für sie nicht. "Wir können im Einzelfall nicht vorhersagen, wen es hart trifft", gibt Löw zu bedenken.
In seiner Praxis hat er ein Personenleitsystem etabliert, das Ansteckungen unter Patienten verhindern soll. Menschen mit Atemwegsinfekten werden vorzugsweise telefonisch betreut. Eine Mitarbeiterin musste trotzdem schon für 14 Tage in Quarantäne, sie hatte privat Kontakt mit einer infizierten Person. Angesteckt hat sie sich aber nicht.
"Es gibt momentan eine große Unsicherheit", beobachtet Löw. Er berichtet von Pollenallergikern, die schief angeschaut würden, weil sie husten und von einzelnen Arbeitgebern, die ihre Angestellten nur mit negativem Testergebnis arbeiten lassen wollen.
Von der nervösen Stimmung will sich Allgemeinmediziner Manfred Kreß nicht anstecken lassen. Obwohl er die Gefahren einer Infektion natürlich kennt. Und weiß, dass er mit 67 Jahren durchaus schon zur Risikogruppe gehört. "Ja, die Gefahr ist da", sagt er. "Aber man muss sich eben so gut wie möglich schützen." Nicht zu helfen, ist für ihn und seine Frau jedenfalls keine Option.
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