Architekten plädieren für Neubau
"Auch nicht teurer als ein Opern-Interim": Bekommt der Nürnberger Konzertsaal eine zweite Chance?
16.9.2021, 17:45 UhrGibt es für den im letzten Herbst zu Grabe getragenen Nürnberger Konzertsaal die Chance einer Wiederauferstehung? Ein Vorschlag des mit der Planung betrauten Architektenteams Steven Dave und Martin Rein-Cano möchte die Karten um die Diskussion über eine Opern-Interimslösung neu mischen.
Offener Brief an König und Söder
Sie seien bereit, die Planungen für den Konzertsaal kurzfristig so zu ändern, dass dieser die Voraussetzungen als Interimsspielstätte für das sanierungsbedürftige Opernhaus erfüllen könnte, schreiben die beiden in einem Brief an Ministerpräsident Markus Söder und an Nürnbergs OB Marcus König.
„Lasst uns statt eines teuren Provisoriums für die Oper jetzt das Konzerthaus bauen – als nachhaltige und zukunftweisende Lösung für Nürnberg“, lautet einer der Kernsätze dieses Schreibens.
Wie teuer kommt die Opernhaus-Sanierung?
Ein vorübergehendes Ausweichquartier für die Oper in der Kongresshalle (oder auch anderswo in Nürnberg) zu schaffen, ist aus Sicht der Architekten wenig sinnvoll, wenn man den Kostenvergleich zieht: Einerseits wurde das Projekt Konzerthaus mit dem Argument der finanziellen Belastung der Stadt Nürnberg durch die Coronakrise verschoben, zum anderen ist man nun aber offensichtlich gewillt, massiv Geld für eine Interimslösung auszugeben.
Insgesamt: Eine Milliarde Euro
Zum Vergleich: Als die Nürnberger Stadtspitze im November 2020 das kurzfristige Aus für den Konzertsaal verkündete, lagen dessen zu diesem Zeitpunkt präzise abzuschätzenden Kosten bei rund 200 Millionen Euro. Nach Einschätzung von Finanzexperten und angesichts der Erfahrungen mit vergleichbaren Sanierungsprojekten in anderen Städten könnten sich die Kosten für eine Opernhaus-Interimsspielstätte in Nürnberg auf ebenfalls 200 Millionen Euro belaufen – bei voraussichtlich 800 Millionen Euro für die eigentliche Generalsanierung des Opernhauses. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie, die am Ende konkretere Summen nennen wird, ist allerdings erst noch auf dem Weg.
Nürnbergs Kulturbürgermeisterin Julia Lehner reagiert auf solche Vergleiche eher zurückhaltend. Es gebe noch keinerlei konkrete Kostenangaben, da die Standortentscheidung für ein Operninterim noch nicht gefallen sei, heißt es. Zudem sei die Stadt sowieso verpflichtet, in die unter Denkmalschutz stehende Kongresshalle zu investieren. Hier sollten alle Förderszenarien überprüft werden, so Lehner. Grundsätzlich mache es Sinn, die dort vorhandene Kulturinfrastruktur (Symphoniker und Dokuzentrum) auszubauen.
Dem Planungsteam um Steven Dave von der Nürnberger Firma super future collective und seinen Berliner Kollegen Martin Rein-Cano von topotek1 reicht diese grobe Kostenschätzung allerdings, um ihren Hut erneut in den Ring zu werfen. Ihr Argument: Der finanzielle Aufwand für ein „Provisorium Kongresshalle“ wäre kaum oder gar nicht niedriger als der Kostenanteil, den die Stadt Nürnberg – verteilt auf mehrere Jahre - für den Neubau des Konzerthauses zu tragen hätte“.
Als eine Art Trumpf verweist das Architektenteam auf das Argument, dass Umplanungen des Konzerthauses jetzt noch problemlos möglich wären. Zwei wesentliche Änderungen schlagen Dave und Rein-Cano vor: die Planung so anzupassen, dass es erstens die Funktion einer Interimsspielstätte für die Oper vollständig erfüllen und anschließend als vollwertiges Konzerthaus zur Verfügung stehen kann, und zum zweiten, dass wesentlich mehr der wertvollen alten Bäume erhalten werden können.
Bau könnte Frühjahr 2022 beginnen
„Wir haben in der Zwischenzeit intensiv an dem Projekt weitergearbeitet und könnten noch im Herbst die neuen Pläne präsentieren“, schreiben die Architekten. Auch mit der vorgeschlagenen Umplanung wäre das Projekt in Kürze genehmigungsfähig.
Die Baumaßnahmen könnten im Frühjahr 2022 beginnen und Nürnberg hätte rechtzeitig vor Beginn der Opernhaus-Sanierung ein Konzerthaus, das (auch) der Nürnberger Oper eine vorübergehende Heimat bieten kann, eine teure Interimslösung überflüssig macht und der kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt Nürnberg würdig ist.
Auch hier reagiert die Kulturbürgermeisterin skeptisch: „Die ursprüngliche Idee, einen Konzerthaus-Neubau zwischenzeitlich als Opern-Interim zu nutzen, wurde früh verworfen“, so Lehner. Das Moratorium wurde nicht leichtfertig verhängt. Erwartete finanzielle Synergieeffekte würden nicht greifen.
"Wir suchen den Dialog"
Um ihre Sache weiter voranzutreiben, wollen die Architekten jetzt eine öffentliche Diskussion anregen und suchen aktuell Mitstreiter aus Politik, Kultur und Wirtschaft, die sich mit ihnen zusammen für die gute Sache einsetzen. Vorab wurden bereits ausführliche Schreiben an Ministerpräsident Markus Söder und natürlich auch an Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König geschickt.
Der Brief an den Nürnberger OB enthält auch ein Gesprächsangebot, denn eines ist dem Architektenteam besonders wichtig: „Wir suchen nicht die Konfrontation, sondern den Dialog. Insofern wollen wir sehr gerne so schnell wie möglich mit der Nürnberger Stadtspitze reden und sie von unseren Argumenten überzeugen. Wenn alle an einem Strang ziehen, schaffen wir eine nachhaltige Lösung und bauen jetzt das Konzerthaus. Für Nürnbergs Kultur wäre das eine historische Chance“.
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