Neu im Kino: "Die Unbeugsamen"
Wie Renate Schmidt und andere Frauen gegen männliche Ignoranz kämpften
23.8.2021, 10:23 UhrFrau Schmidt, Sie sind jetzt erstmals im Kino zu sehen. Wie war die Filmpremiere in Berlin?
Renate Schmidt: Schön, ein bisschen hektisch, aber ein freudiges Wiedersehen mit den früheren Kolleginnen. Wir verstehen uns ja über Parteigrenzen hinweg gut und haben auch in unserer aktiven Zeit versucht, uns gegenseitig zu helfen.
Es gab also Netzwerke unter den wenigen Politikerinnen der Bonner Republik?
Schmidt: Ja – und als ich später Ministerin war, haben wir das sogenannte Hexenfrühstück gegründet. Die Frauen im Kabinett haben sich zusammengesetzt und versucht, sich gegenseitig zu unterstützen gegen die männliche Ignoranz.
Und wie hat die männliche Ignoranz auf das Hexenfrühstück reagiert?
Schmidt: Den Namen haben natürlich nicht wir gewählt. Der kam von Hans Eichel. Es gab schon eine große Irritation über unsere Treffen. Aber wenn wir jedes Mal so irritiert wären, wenn sich die Männer treffen, dann wären die Irritationen ohne Ende.
Was ist seither besser geworden für Frauen in der Politik, was nicht?
Schmidt: Ich bin 1980 das erste Mal in den Bundestag gewählt worden. Damals hatten wir dort einen Anteil von etwas mehr als 5 Prozent Frauen. 5 Prozent! Jetzt sind es immerhin 31 Prozent. Zu meiner Zeit wurden Frauen außerhalb der Themenbereiche, in denen man ihnen Kompetenz zugetraut hat – also in der Familien-, vielleicht noch in der Bildungs- und in manchen Bereichen der Sozialpolitik – nicht ernst genommen. Wenn eine Frau zu Wirtschaft- oder Außenpolitik geredet hat, dann ist die Anzahl der Zwischenrufe gestiegen. Ich bin 1983 mal in einer viertelstündigen Rede zur Nachrüstungsdebatte 54 Mal unterbrochen worden.
Das ging aber wohl nicht nur Ihnen so?
Schmidt: Nein. Anke Martini hat mal zu Wirtschaftspolitik geredet, da hat Michael Glos dazwischengerufen: "Sie sehen auch besser aus, als sie reden." Das gesamte Parlament hat sich gebogen vor Lachen. Nach der Rede ging ich zu Michael Glos und fragte, was in ihn gefahren sei. Er hat mir ernsthaft gesagt: Das war doch ein Kompliment! Inzwischen werden Frauen im Bundestag bei allen Themen ernst genommen. Trotzdem betrachten Männer die wirklich wichtigen Themen noch viel zu häufig als reine Männersache.
Der Frauenanteil liegt jetzt zwar bei 31 Prozent, ist aber rückläufig. Warum?
Schmidt: Weil manche Parteien im Bundestag glauben, dass Frauen da nicht hingehören. Die AfD zum Beispiel. Leider hat es die FDP bisher auch nicht geschafft, einen nennenswerten Frauenanteil zu bringen und über die CSU brauchen wir nicht reden.