Ruhestand
Merkel geht bald in Rente: Fürther geben Tipps für einen guten Start
2.11.2021, 10:00 Uhr
Als sich Christoph Maier 2016 aus dem Arbeitsleben verabschiedete, hatte er sich schon Wochen vorher akribisch darauf vorbereitet und eine so genannte "Löffelliste" geschrieben. Inspiriert von der Hollywood-Tragikomödie "Das Beste kommt zum Schluss" hat der ehemalige Fürther Rechtsreferent darin notiert, was er mit der vielen freien Zeit alles anfangen möchte, bevor er irgendwann "den Löffel abgibt". Auf hohe Berge steigen etwa, noch einen Marathon laufen, eine Sprache lernen. Was er davon heute, fünf Jahre später, umgesetzt hat? Nichts.
"Die Liste habe ich irgendwann abgeheftet und vergessen", sagt Maier mit einem Lachen. Das, womit er sich heute beschäftigt, ist ihm nämlich eher zufällig in Form einer Anzeige in den Schoß gefallen. Darin wurden Stadtführer gesucht. Maier, schon immer an Geschichte interessiert, war sofort angefixt und bewarb sich. Was folgte war eine einjährige, anspruchsvolle Ausbildung, theoretische und praktische Tests inklusive.
Keine Schnappatmung
Seit Sommer 2017 vermittelt der 70-Jährige nun Interessierten Fürths wechselvolle Geschichte. "Das war genau die richtige Entscheidung für mich", sagt Maier, die ihm auch den Übergang in den Ruhestand erleichtert habe. "Ich bin dadurch weder in ein Loch gefallen, noch habe ich Schnappatmung wegen zu vieler Aktivitäten bekommen."
Neben den Rundgängen für die Tourist-Info engagiert sich Maier für den Tierschutzverein, dessen Vorsitzender er momentan noch kommissarisch ist, seit sein Vorgänger Marcus König 2020 Oberbürgermeister von Nürnberg wurde. Rund zwölf Stunden pro Woche verbringt Maier deshalb im Nürnberger Tierheim, wo er unter anderem in der Verwaltung tätig ist, Mitarbeitergespräche führt und Vorlagen für Sitzungen ausarbeitet. Strapaziös könnten Ehrenämter durchaus sein, räumt Maier ein, der sich auch noch als Justiziar beim Roten Kreuz sowie bei der Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin engagiert. Entscheidend aber sei der Druck, der fehlt, ebenso wie täglich lange Arbeitszeiten.
An Merkel gerichtet hält er, nach seinen Erfahrungen, einen Rat für essenziell: Man muss sich geistig damit abfinden, draußen zu sein – und zwar schon vor dem eigentlichen Ausstieg. Dass dies der Noch-Kanzlerin gelingen wird, davon ist er überzeugt. "Sie wird sicherlich gut abschalten können."
Viel Zeit zum Abschalten hat sich Thomas Henrich nicht eingeräumt. An einem Freitag im Jahr 2005 wechselte der leitende Angestellte bei Quelle mit 58 Jahren in die Altersteilzeit, am Montag darauf startete er einen Job in einem Kindergarten, den er in Sachen Qualitätsmanagement beriet. Seitdem ist Henrich zu einer Art Nomade geworden, der von einem Projekt zum nächsten zieht.
Rund 20 gemeinnützige Organisationen hat er seitdem unterstützt, war unter anderem in der Fürther Wärmestube und beim Freiwilligenzentrum, in der Nürnberger Bahnhofsmission und im Mehrgenerationenhaus Schweinau tätig. Etwa 100 Stunden pro Monat macht er Büroarbeit, organisiert Fundraising oder peppt die Homepage auf. Läuft ein Projekt aus, hat er sich bereits wieder eine neue Aufgabe gesucht oder hat eine Anfrage aus seinem großen Netzwerk bekommen. Warum er sich das antut? "Weil es Spaß macht", sagt der 73-Jährige, der es als Bereicherung empfindet, gemeinsam mit anderen etwas Neues zu schaffen. Viele Kontakte habe er so schon geknüpft, geistig und körperlich halte ihn das fit. Genug Zeit, für seine Frau, die Stammtische sowie Freunde und Bekannte bleibe auch noch.
Geplant hat er das alles schon, als er noch voll im Erwerbsleben stand und rund 180 Stunden im Monat gearbeitet hat. In den letzten Jahren, als sein Nachfolger bereits feststand, hat er sich langsam zurückgezogen und für sich beschlossen, sich sozial zu engagieren. Das würde er übrigens auch Angela Merkel raten. "Sie könnte mit ihrer Bekanntheit sicherlich etwas bewegen." Zunächst allerdings solle sie sich erst einmal erholen, um sich dann den Dingen zu widmen, die sie während ihrer Amtszeit kennen- und schätzen gelernt hat.
Henrich selbst hinterfragt immer wieder, ob die Ergebnisse bei seinen Tätigkeiten noch stimmen. So lange er diesen Eindruck hat und noch fit ist, möchte er auf jeden Fall noch weitere Projekte betreuen.
Schrittweise herunterfahren
Ob sich jemand umfangreich engagieren oder seinen Ruhestand lieber mit Aktivitäten und Hobbys füllen will, das kann je nach Persönlichkeit ganz unterschiedlich sein. Wichtig aber ist es, sagt die Fürther Seniorenbeauftragte Christiane Schmidt, dass man sich an seinen Wünschen und Fähigkeiten orientiert. Wie man sich möglichst gut auf ein Leben jenseits der Arbeit einstellt, dazu hat das Fürther Seniorenbüro heuer erstmals ein Online-Seminar veranstaltet, das auf große Resonanz stieß. Referentin Katharina Mahne, die in Berlin als Rentencoach tätig ist, hat dafür Tipps für einen guten Übergang ins Rentnerleben zusammengestellt. Etwa, dass die Vorbereitung schon vor dem Ausstieg aus dem Beruf anfängt. Dann sollte man bereits checken, wo die Fähigkeiten liegen und was sich daraus machen lässt. Auch soziale Kontakte sollte man bereits vorab pflegen, denn mit dem Job gehen viele Beziehungen verloren.
Wer kann, sollte seine Arbeitszeit schrittweise herunterfahren, damit vorab schon Zeit bleibt, um Neues auszuprobieren. Auch gilt: Wer im Sommer in Rente geht, ist im Vorteil, weil sich dann etwa leichter draußen Sport treiben lässt. Auch Hobbys sollte man vorab pflegen und checken, was Spaß macht. Wer die erste Zeit der Rente gut plant, so Mahne, tut sich leichter. Eine Erholungsphase etwa sollte man zeitlich begrenzen, dann mit etwas Neuem beginnen.
Angela Merkel mag diesen Tipp auch schon gehört haben. Von Journalisten nach ihrem Rentnerdasein gefragt, sagt sie stets, dass sie erst einmal ausschlafen wolle. Dann werde sie in aller Ruhe überlegen, was sie eigentlich so interessiert.
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