Ist Geld die Lösung?
„Wut und Liebe“ Martin Suters neuer Roman über Kunst, Intrigen und Liebeskummer
28.04.2025, 11:52 Uhr
Der Name „Martin Suter“ ist mittlerweile schon beinahe ein Erfolgsgarant. Seine Bücher landen schließlich mit erstaunlicher Zuverlässigkeit auf den Bestsellerlisten. Sein neuer Roman „Wut und Liebe“ bekam bis jetzt allerdings eher durchwachsene Kritiken.
So wirft der NDR dem Roman mangelnde Tiefe vor. Der SPIEGEL attestiert dem Roman, ein purer Suter zu sein. Das klingt für Fans des Schweizer Autors erst einmal nicht schlecht, allerdings ist die Bemerkung direkt daran gekoppelt, dass sich Martin Suters Romane eben immer um die gleichen Leitmotive drehen: „Intrigen, Geld, Schein und Sein.“ Außerdem wird ein eindimensionales Frauenbild bemängelt. Die Süddeutsche Zeitung nennt Suter unterdessen ein Marketing-Genie, auch in Bezug auf den Roman „Wut und Liebe“. Das klingt an sich auch nicht schlecht, bedenkt man aber, dass Suters Figuren in diesem Roman einen deutlichen Unterschied zwischen Kunst und Marketing ziehen, stellt dieses quasi Kompliment wohl auch eher eine versteckte Kritik dar.
Aber was ist dran an den mäßigen Kritiken und „Wut und Liebe“?
„Wut und Liebe“ - Worum geht es?
Zunächst muss man dem SPIEGEL recht geben, es geht auch in „Wut und Liebe“ um Intrigen, Geld, Schein und Sein. Doch das zentrale Motiv des Romans ist eben, dem Titel entsprechend, die Liebe und die Wut, oder vielmehr Liebeskummer und die daraus entstehende Wut.
Noah ist ein erfolgloser Künstler. Seine Freundin Camilla hält die beiden über Wasser, allerdings ist sie in ihrem Job nicht glücklich, die Situation macht ihr zu schaffen. Hier stellt sich eine der ersten zentralen Fragen des Romans, die wiederholt auftauchen wird: Was macht man, wenn man zwar eine Person liebt, aber das gemeinsame Leben hasst?
Camilla zieht die Reißleine und verlässt Noah. Stattdessen beginnt sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Die Hoffnung: Zwar sind die Gefühle nicht so tief wie gegenüber Noah, aber nun kann sich Camilla auf sich selbst konzentrieren.
Natürlich kann man Camilla hier als oberflächlich und geldgierig lesen. Doch befindet sie sich eben in einer Art Sinnsuche. Vielleicht auch in einer frühen Midlife-Crisis. Wo soll das Leben noch hingehen, wenn man sich mit Anfang dreißig in eine Situation manövriert hat, in der man keine Zukunft sieht? Camilla versucht das absolute Gegenteil von dem, was sie zuvor gelebt hat. Und scheitert. Das Leben ohne Geldsorgen, aber als Nebenfrau ist eben auch nicht erfüllend, das gemeinsame Geschäft mit der besten Freundin scheitert.
Noah ist unterdessen verzweifelt, er will Camilla unbedingt zurückgewinnen. In gewisser Weise wirkt auch er an dieser Stelle oberflächlich, denn er glaubt, dass er dazu nur Geld braucht. Leider lässt der künstlerische Erfolg aber auf sich warten.
In einer Bar lernt Noah Betty kennen. Die schwerkranke Frau in den 60ern leidet an einer ganz anderen Form von Liebeskummer, vor drei Jahren ist ihr Mann verstorben. An Stress und zu viel Arbeit, wie sie sagt. Die Schuld sieht sie bei dessen ehemaligem Partner, der seitdem das Ziel ihrer ganzen Wut und ihres ganzen Hasses ist. Betty lässt durchblicken, dass es ihr 1 Million Schweizer Franken wert wäre, diesen Mann sterben zu sehen, bevor sie selbst an ihrer schlechten Gesundheit stirbt. Noah findet sich in einem moralischen Dilemma. Einerseits ist er bereit, alles zu tun, um Camilla zurückzugewinnen, das Geld wäre dabei eine große Hilfe. Aber kann er wirklich seinen ethischen Kompass verdrängen und zum Mörder werden?
Was ist dran an der Kritik an „Wut und Liebe“?
Was ist nun dran an den mäßigen Kritiken an „Wut und Liebe“? Fehlt den Figuren und der Geschichte wirklich die Tiefe? Der Roman ist in drei Teile unterteilt. Diese haben eine unterschiedliche Dynamik, was das Lesen zumindest teilweise sehr kurzweilig macht. Tatsächlich ist die Handlung in den ersten beiden Teilen überschaubar. Das liegt aber eher daran, dass die Entwicklung größtenteils im Inneren der Figuren stattfindet. Camilla ist auf Sinnsuche und muss ihre Lebensziele finden, Noah ist mit seinem moralischen Dilemma beschäftigt und muss den Sinn und die Richtung in seiner Kunst finden.
Durch diese etwas handlungsarmen Abschnitte erhalten die Figuren aber durchaus Tiefe. Man beginnt, ihre Motive zu verstehen. Vor allem im dritten Teil des Romans nimmt die Handlung dann vor allem Fahrt auf. Die Wendungen und bis dahin verborgenen Intrigen machen die vorige Langatmigkeit allemal wieder wett.
Vordergründig geht es in „Wut und Liebe“ tatsächlich um Geld und Intrigen. Doch lässt sich auch eine versteckte Gesellschaftskritik im Roman finden. Denn immer wieder ergeben sich die Probleme von Camilla und Noah und die Intrigen, in die sie hineingeraten, daraus, dass sie wichtige Entscheidungen treffen, ohne alle Fakten und Perspektiven zu kennen. Beim Lesen können wir uns dabei ertappen, wie uns das ebenso passiert, wodurch die Wendung am Ende der Erzählung noch viel überraschender ist. Auch in unserer Gesellschaft passiert es immer wieder, dass wir urteilen, bevor wir alle Informationen haben. Würden wir uns eine Meinung erst dann bilden, wenn wir alle Fakten und Perspektiven berücksichtigt haben, könnte auch unsere Gesellschaft davon profitieren.
Weitere Buchtipps auf nordbayern.de:
„Shigidi“ von Wole Talabi: Urban Fantasy trifft auf afrikanische Mythologie - Buchtipp
Kein Thriller, aber irgendwie Horror: Bald kommt das neue Buch von Sebastian Fitzek
„Achtzehnter Stock“: Ein Roman zwischen Glamour und Plattenbau