Besondere Traditionen
Die kuriosesten Weihnachtsbräuche weltweit
22.12.2024, 11:00 UhrWeihnachten ist mehr als nur Glitzer und Geschenke. Es ist eine Zeit, in der sich unsere tiefsten Überzeugungen und kulturellen Wurzeln zeigen. Manchmal auf unerwartete Weise. Während wir unsere liebsten Traditionen pflegen, gibt es andere, deren Bräuche bei uns eher ungewöhnlich sind. Dabei geht es von den USA, über Finnland bis nach Japan. Thematisch bewegen wir uns irgendwo zwischen Weihnachtsgurke und Kentucky Fried Chicken (KFC).
Amerika: Wer die Weihnachtsgurke zuerst entdeckt, bekommt ein zusätzliches Geschenk
In den USA verstecken Familien eine grüne Glasgurke im Weihnachtsbaum. Aufgrund ihrer grünen Farbe ist sie schwer zu entdecken. Das Kind oder die Person, die die Gurke zuerst findet, erhält ein zusätzliches Geschenk oder darf als Erste die Weihnachtsgeschenke auspacken. Der Finder soll zudem besonders viel Glück im neuen Jahr haben.
Entstanden ist die "Christmas Pickle" etwa 1880 in Lauscha, Deutschland, und wurde zu einem beliebten Exportartikel in die USA. Viele Amerikaner glauben, es handle sich um eine alte deutsche Tradition, in Deutschland ist der Brauch jedoch weitgehend unbekannt. Eine YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2016 ergab, dass 91 Prozent der Deutschen den Brauch nicht kennen.
Verschiedene Entstehungsgeschichten
Es existieren verschiedene Entstehungsgeschichten:
- Soldatenlegende: Ein bayerischer Soldat namens John Lower soll im amerikanischen Bürgerkrieg durch eine Gurke vom Gefängniswärter überlebt und später aus Dankbarkeit jedes Jahr eine Gurke in den Weihnachtsbaum gehängt haben.
- Armutslegende: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollen arme Familien nicht genug Geld für Geschenke gehabt haben. Nur das Kind, das die versteckte Gurke fand, erhielt ein Geschenk.
- Marketingtrick: Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass es sich um einen geschickten Marketingtrick der Woolworth-Kaufhauskette handelte, die ab 1880 Glasornamente aus Deutschland importierte. Als sich die Gurkenornamente als schwer verkäuflich erwiesen, entwickelte das Woolworth-Management eine clevere Verkaufsstrategie: Sie erfanden eine Geschichte über eine angeblich "alte deutsche Tradition". Den Gurkenornamenten wurde eine Karte beigefügt, die diese vermeintliche Tradition erklärte.
So funktioniert die Tradition:
Der Brauch entwickelte sich zu einem beliebten Spiel:
- Das Gurkenornament wird im Tannenbaum versteckt.
- Die erste Person, die es findet, erhält ein zusätzliches Geschenk.
- Dem Finder wird außerdem ein Jahr voller Glück versprochen.
Moderne Bedeutung
Die Stadt Berrien Springs in Michigan hat die Tradition besonders zelebriert und sich selbst zur "Weihnachtsgurken-Hauptstadt der Welt" erklärt. Von 1992 bis 2005 veranstaltete die Stadt eine jährliche Gurkenparade, die 2021 nach 16-jähriger Pause wiederbelebt wurde.
Heute ist die Weihnachtsgurke eine fest etablierte amerikanische Weihnachtstradition.
Italien: Die Weihnachtshexe Befana
Die Befana, eine besondere italienische Weihnachtstradition, erscheint in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar. Sie ist eine alte, hässliche, aber gutmütige Hexe, die den Stern von Bethlehem verpasste. Als die Heiligen Drei Könige sie baten, das Jesuskind zu suchen, lehnte sie ab. Aus Reue fliegt sie seitdem jedes Jahr in dieser Nacht auf ihrem Besen von Haus zu Haus, um das Christkind zu finden.
In der Nacht kommt die Befana durch den Schornstein und:
- Füllt aufgehängte Strümpfe und Schuhe mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken für brave Kinder.
- Hinterlässt "Carbone" (schwarz gefärbte Zuckermasse, die wie Kohle aussieht) für ungezogene Kinder.
Noch heute stellen Kinder Befana einen Teller mit einer Mandarine oder Orange sowie ein Glas Wein bereit. Der Name "Befana" stammt von "Epifania" (Epiphanie) und markiert das Ende der italienischen Weihnachtszeit. Ein bekannter Kinderreim besingt sie: "La Befana vien di notte con le scarpe tutte rotte" (Die Befana kommt nachts mit ganz kaputten Schuhen).
Mit diesem Fest am 6. Januar, einem offiziellen Feiertag in Italien, endet die Weihnachtszeit, wie das Sprichwort sagt: "L‘Epifania, tutte le feste si porta via!" (Der Dreikönigstag nimmt alle Feiertage weg).
Ukraine: Die Weihnachtsspinne
Die ukrainische Weihnachtsspinne ist eine Tradition, die Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Eine arme Witwe lebte mit ihren Kindern in einer bescheidenen Hütte. Vor ihrer Tür schlug ein Tannenzapfen Wurzeln, und die Kinder pflegten den Baum in der Hoffnung auf einen Weihnachtsbaum. Doch zu Weihnachten fehlte der Familie das Geld für Schmuck.
In der Nacht hörten die Hausspinnen das Weinen der Kinder und spannen prächtige Netze um den Baum. Am Weihnachtsmorgen verwandelten die ersten Sonnenstrahlen die Spinnweben in glänzendes Gold und Silber. Von diesem Tag an lebte die Familie nie wieder in Armut.
Moderne Tradition
Heute schmücken Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Weihnachtsbäume mit:
- Künstlichen Spinnennetzen aus verschiedenen Materialien
- "Pavuchky" (kleine Spinnen) als Ornamente
- Glitzernden Spinnweben aus Garn oder Glas
Bedeutung und Symbolcharakter
In der Ukraine gelten Spinnen und ihre Netze als Glücksbringer. Anders als in vielen Kulturen bleiben Spinnennetze während der Weihnachtszeit hängen. Die Tradition steht für Hoffnung, Segen und unerwartetes Glück.
Manch einer sieht in dem Brauch den Ursprung für Lametta am Weihnachtsbaum. Belege für diese Theorie gibt es aber keine. Der Brauch der weihnachtlichen Spinnennetze ist nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Teilen Polens und Deutschlands verbreitet.
Kanada: Die Anschrift des Weihnachtsmannes
Die kanadische Weihnachtspost wurde 1982 mit der Einführung der speziellen Postleitzahl H0H 0H0 offiziell etabliert. Diese Postleitzahl ist eine kreative Anspielung auf das charakteristische "Ho Ho Ho" des Weihnachtsmanns und stellt eine besondere Ausnahme im kanadischen Postleitzahlensystem dar.
Überblick über den Service heute
- Die kanadische Post erhält mittlerweile jährlich etwa eine Million Briefe an den Weihnachtsmann.
- Etwa 15.000 freiwillige Mitarbeiter der kanadischen Post sorgen dafür, dass jeder Brief eine persönliche Antwort erhält.
- Seit Beginn der Aktion wurden über zehn Millionen Briefe bearbeitet.
- Die Antwortbriefe werden in über 30 verschiedenen Sprachen verfasst, einschließlich Blindenschrift.
- Dies ermöglicht es Kindern aus aller Welt, in ihrer Muttersprache mit dem Weihnachtsmann zu kommunizieren.
Wer dem Weihnachtsmann selbst einen Brief schreiben möchte, kann ihn an die folgende Adresse schicken: Santa Claus, North Pole, H0H 0H0, Canada.
Wichtige Hinweise
- Briefe müssen bis zum 16. Dezember eingehen.
- Der Service ist kostenlos.
- Die Absenderadresse muss angegeben werden.
- Französischsprachige Kinder können auch an "Père Noël, Pôle Nord H0H 0H0, CANADA" schreiben.
Japan: Die KFC-Tradition
In Japan ist Weihnachten kein religiöses Fest, sondern ein romantischer Feiertag für Paare und Freunde. Heiligabend gilt als der romantischste Tag des Jahres – vergleichbar mit dem Valentinstag in der westlichen Welt. Junge Paare verbringen den Abend typischerweise mit einem Candle-Light-Dinner und einem Spaziergang durch die weihnachtlich beleuchteten Straßen.
Die berühmte KFC-Weihnachtstradition begann in den 1970er Jahren. Takeshi Okawara, der erste KFC-Manager in Japan, erkannte eine Marktlücke, als er bemerkte, dass Menschen aus der westlichen Welt traditionelles Weihnachtsessen vermissten. 1974 startete KFC die landesweite Marketingkampagne "Kentucky zu Weihnachten", die sich als durchschlagender Erfolg erwies.
- Etwa 3,6 Millionen japanische Familien kaufen jährlich ihr Weihnachtsessen bei KFC.
- Die speziellen Weihnachtsmenüs müssen bis zu sechs Wochen im Voraus bestellt werden.
- Ein typisches Festtagsmenü kostet etwa 30 Euro und enthält frittiertes Hähnchen, Beilagen und Dessert.
Moderne Bedeutung
Die Tradition ist so fest verankert, dass viele Japanerinnen und Japaner die ursprünglichen Marketingwurzeln nicht mehr kennen. KFC macht etwa 5 Prozent seines Jahresumsatzes allein an den drei Weihnachtstagen vom 23. bis 25. Dezember.
Im Gegensatz zu westlichen Ländern, wo Weihnachten ein Familienfest ist, wird in Japan das Neujahrsfest als wichtigstes Familienfest gefeiert.
Frankreich: Die Galette des Rois
Die Galette des Rois ist ein französischer Kuchen, der traditionell zum Dreikönigstag am 6. Januar gegessen wird. Die Tradition geht auf zwei historische Wurzeln zurück. Zum einen auf die römische Saturnwoche, ein siebentägiges Fest, bei dem Kinder mit Kuchen beschenkt wurden. Zum anderen auf das Konkordat von 1801, das den 6. Januar als Epiphaniasfest (Heilige Drei Könige) festlegte.
Regionale Unterschiede
- Nordfrankreich:
Die Galette feuilletée wird aus Blätterteig hergestellt und mit Mandelcreme (Frangipane) gefüllt. - Südfrankreich:
Die Brioche oder Gâteau des Rois besteht aus einem fettreichen Hefeteig und wird mit kandierten Früchten verziert.
Ablauf des Brauchs
Der Brauch folgt immer einem festgelegten Ablauf:
- Das jüngste Kind versteckt sich unter dem Tisch.
- Es bestimmt blind, wer welches Stück erhält.
- Wer die eingebackene Figur (fève) findet, wird zum König oder zur Königin gekrönt.
- Der gekrönte König darf sich eine Königin (oder umgekehrt) wählen.
Wenn der König sein Glas zum Mund führt, rufen alle Anwesenden "Le roi boit!" (Der König trinkt).
Eine Ausnahme gibt es im Élysée-Palast: Dort wird zwar eine große Galette serviert, jedoch ohne eingebackene Figur, da "man innerhalb der Präsidentschaft der Republik keinen König ernennen kann".
Während der Französischen Revolution wurde der Name vorübergehend in Galette de la liberté (Freiheitskuchen) oder Galette de l‘égalité (Gleichheitskuchen) geändert.
Finnland: Der Joulupuuro (Weihnachtsbrei)
Der Joulupuuro ist eine der wichtigsten finnischen Weihnachtstraditionen, die besonders am Heiligabend zelebriert wird.
Beim Joulupuuro handelt es sich um den "Weihnachtsbrei". Der wurde anfänglich nicht aus Reis, sondern aus Hafer oder Gerste hergestellt. Mit der Zeit entwickelte sich der Milchreis zur bevorzugten Variante, obwohl Reis in Finnland nicht angebaut wird.
Zubereitung und Ritual
Der traditionelle Milchreis:
- Wird mit Vollmilch gekocht.
- Mit Zimt und Zucker serviert.
- Kann mit Butter verfeinert werden.
- Wird oft mit Fruchtsuppe (besonders Pflaumenkompott) gereicht.
Das Mandelritual:
Am Heiligabend wird eine einzelne geschälte Mandel im Brei versteckt. Die Person, die die Mandel in ihrer Portion findet:
- Darf sich etwas wünschen.
- Erhält besonderes Glück für das kommende Jahr.
- Muss den Wunsch für sich behalten, damit er in Erfüllung geht.
Moderne Bedeutung
Der Joulupuuro wird heute nicht nur zu Hause serviert, sondern ist während der Weihnachtszeit auch in Schulen und Cafeterien zu finden. In vielen Familien wird der Brei traditionell am Heiligabend serviert, wenn in Turku, der alten Hauptstadt Finnlands, der "Weihnachtsfriede" ausgerufen wird.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen