3D-Modell hilft beim Wiederaufbau von Notre-Dame in Paris
19.4.2019, 05:36 UhrFür sechs oder sieben große Messkampagnen war er in den vergangenen Jahren in der Kathedrale, erst vor zwei Wochen war er vor Ort für ein großes Fernsehinterview - und um letzte Maße zu nehmen. Die Fassaden sind durch Albrechts Forschungsprojekt mit Hilfe von Laserscannern sehr genau vermessen, durch die Daten kann ein exaktes 3D-Modell des Bauwerks angefertigt werden.
"Wenn man die Fassaden jetzt neu vermisst und mit unseren Daten vergleicht, erkennt man sehr deutlich, wo es Verformungen gab und wo man statisch rangehen muss", erklärt Albrecht, der erwartet, dass die Fachleute vor Ort bald Kontakt mit ihm aufnehmen werden.
Beim Brand herrschten extreme Temperaturen
Der Bamberger Kunsthistoriker glaubt, dass mit dem Löschen des Brandes das Schlimmste noch nicht überstanden ist. Weil das Dach und der von den Experten "Flash" genannte spitze Vierungsturm aus Blei waren, herrschten beim Brand extreme Temperaturen. "Da kann der Stein richtig glühen, er gipst und salzt aus, er zerbröselt. Das ist ein großes Problem", meint Albrecht. Durch die Hitze platze außerdem der Mörtel heraus. Wenn dann auch die Eisen- und Bleiklammern, mit denen die einzelnen Steine verbunden sind, geschmolzen sein sollten, ist die Situation sehr ernst.
"In den nächsten Jahren wird kein Tourist mehr Notre-Dame betreten können", ist Albrecht überzeugt. Bei der Rekonstruktion werde man in ähnlichen zeitlichen Dimensionen denken müssen wie bei der berühmten Grabtuchkapelle im Turiner Dom, die nach einem Brand mehr als 20 Jahre lang geschlossen war.
In Notre-Dame steckt die Geschichte Frankreichs
Zuletzt hat Albrecht vor allem die Portale der Kirche untersucht. "Für die ist die gewaltige Wucht des Löschwassers ganz schlecht. Die Portale sind sehr zerbrechlich und jetzt wohl ziemlich angegriffen", meint der Kunsthistoriker, der noch vor Weihnachten seine aktuellen Forschungsergebnisse veröffentlichen will.
Nürnberger spielte vor wenigen Tagen in Notre-Dame Orgel
"Schon im Mittelalter wurde Notre-Dame quasi als Denkmal Frankreichs erbaut. Victor Hugo hat die Kathedrale dann als den großen französischen Bau schlechthin inszeniert. Darin steckt die gesamte französische Geschichte. Für die Franzosen ist Notre-Dame viel bedeutender als der Eiffelturm. Das ist wie 9/11 für Frankreich, alle sind völlig schockiert", sagt Albrecht, der sich gerade in Südwestfrankreich aufhält.
"Kollektives Entsetzen"
"Es gibt wohl wenige Ereignisse, die weltweit so ein kollektives Entsetzen ausgelöst haben", meint auch Gerhard Vinken, Professor für Denkmalpflege an der Universität Bamberg. Er erinnert daran, dass Kirchen im Zweiten Weltkrieg oft noch Wochen oder Monate nach großen Bränden einstürzten. Die Gefahr in Paris ist also keineswegs gebannt.
Er glaubt, dass eine Rekonstruktion zumindest optisch sehr nahe am Original sein wird. "Gerade der Flash hat das Bild der Menschen von Notre-Dame sehr geprägt. Es wird ihnen ein großes Bedürfnis sein, das alles so ähnlich wie möglich wieder aufzubauen", ist Vinken überzeugt.
Zunächst gilt es, den Bau winterfest zu machen
Die Restaurierung der Kathedrale durch Eugène Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert, bei der auch der markante Spitzturm entstand, war zentral für die Entwicklung der Denkmalpflege. Auch der Dachstuhl von Querhaus und Chor wurden damals neu konstruiert. Nötig geworden war das, weil Schwefeldioxid aus Fabriken das Bauwerk stark beschädigt hatte, viele Steine mussten ersetzt werden.
Für den Dachstuhl bekommt man heute kaum mehr so eine Vielzahl von Eichenstämmen von der Güte und Länge, wie sie nötig wären. "Das wird wohl eine einfachere, moderne Rekonstruktion", glaubt Vinken. Zunächst gehe es aber darum, das Bauwerk winterfest zu machen, quasi ein Notdach zu schaffen.
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