Psychische Gesundheit

Mobbing in der Schule oder Arbeit: Was man dagegen tun kann

Elias Thiel

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22.8.2024, 07:24 Uhr
Ein trauriges Mädchen (Symbolbild).

© IMAGO/Panthermedia Ein trauriges Mädchen (Symbolbild).

In diesem Artikel:

Die Folgen von Mobbing für Betroffene können dramatisch sein – sowohl für Kinder als auch für Jugendliche und Erwachsene. Auch wenn jeder ungefähr weiß, was Mobbing ist, stellt sich die Frage: Wo genau fängt Mobbing an? Und welche Ursachen gibt es für Mobbing? Was kann man tun, wenn man selbst oder das eigene Kind gemobbt wird?

Der Begriff "Mobbing" stammt aus dem Englischen ("to mob") und bedeutet "pöbeln" oder "jemanden schikanieren". Dieses Phänomen kann in verschiedenen Formen auftreten, wie beispielsweise mit Worten, Gewalt und Missachtung – beim Aufeinandertreffen oder auch über das Internet. Daher gibt es neben dem Wort "Mobbing" auch noch den Begriff "Cybermobbing" für Attacken über Chats und Social Media.

Mobbing zeichnet sich durch eine regelmäßige, konsequente, zielgerichtete und vor allem schädliche Behandlung einer bestimmten Person über einen längeren Zeitraum aus. Demnach gilt Mobbing als eine besondere Form von zwischenmenschlicher Aggression und bezeichnet ein Verhalten, bei dem jemand von einer anderen Person, einer Gruppe oder sogar einer ganzen Organisation regelmäßig herabgesetzt oder ausgegrenzt wird. Dabei kann Mobbing alle treffen – Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Im Vergleich zu einem Streit wächst beim Mobbing der Abstand zwischen den Gemobbten und Mobbern: Während das Opfer nach jedem Vorfall ängstlicher wird, steigern sich die Täter in ihre Überlegenheit und werden unter Umständen noch boshafter.

Mobbing bedeutet, dass eine oder mehrere Personen einem Einzelnen das Leben schwer machen. Das passiert beispielsweise, wenn jemand ständig geärgert, beleidigt oder ausgeschlossen wird. Oftmals erzählen die Mobber auch Lügen über ihr Opfer, kritisieren es ständig oder ignorieren es absichtlich. Mobbing kann überall stattfinden: in der Schule, auf dem Spielplatz, im Sportverein oder auch online. Wenn es im Internet passiert, nennt man es Cybermobbing. Die Opfer von Mobbing sind natürlich nicht selbst schuld an dem Fehlverhalten der Mobber.

Wenn man sich mehrere Tage oder eine Woche lang schlecht fühlt und ständig geärgert wird, sollte man mit einem vertrauenswürdigen Erwachsenen sprechen. Dies können Eltern sein oder auch ein Lehrer, den man gerne mag. Lehrer sind sich heute zunehmend bewusst, dass es Mobbing gibt. Zudem wissen sie, wie sie die Mobber ansprechen können, ohne das Leben des Betroffenen noch schwieriger zu machen. Das Opfer soll schließlich nicht als "Petze" betrachtet werden. In der Regel haben die Mobber schon Angst, wenn ein Erwachsener sie direkt darauf anspricht, was sie tun.

Ist es Mobbing oder nicht? Folgende Kennzeichen sollte man kennen:

  • Regelmäßige, wiederkehrende Schikane einer bestimmten Person
  • Es muss nicht den einen Mobber geben, es kann auch eine Gruppe sein
  • Das Opfer wird gedemütigt und ausgegrenzt, oft werden auch Lügen über das Opfer erzählt oder es wird ihm Gewalt angedroht
  • Am Arbeitsplatz werden dem Opfer oft sinnlose oder demütigende Aufgaben zugewiesen
  • Das passiert über eine längere Zeitspanne hinweg

Somit geht es beim Mobbing nicht um einzelne Konflikte oder gelegentliche Streitereien, die fair ausgetragen werden. Stattdessen beschreibt dieser Begriff psychische Gewalt, die das Opfer auf lange Sicht zermürben soll.

Allerdings beginnt Mobbing oftmals mit einem konkreten Konflikt, der sich mit der Zeit zu gezieltem Psychoterror auswächst.

Mobbing tritt in der Regel dort auf, wo dieselben Menschen immer wieder zusammen kommt - in der Schule, in der Arbeit, in Vereinen oder auch in der Familie. Täter und Opfer kennen sich. Eine Ausnahme bildet das Cybermobbing von bekannten Persönlichkeiten. Diese werden über das Internet angegriffen und gedemütigt, ohne dass sich Täter und Opfer persönlich kennen.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) schätzt, dass etwa 1,8 Millionen Menschen in Deutschland am Arbeitsplatz gemobbt werden. Zudem berichteten 23 Prozent der 15-jährigen Schüler in Deutschland in der PISA-Studie 2018, dass sie regelmäßig von Mitschülern schikaniert werden.

Wie bereits deutlich wurde, kann jeder zum Opfer von Mobbing werden. Häufig fängt es mit einem unbewältigten Konflikt oder einem Machtkampf an. Nach einiger Zeit geht es jedoch nicht mehr um den Konflikt, sondern es dominieren wiederholte Kränkungen und die Ausgrenzung eines Menschen. Betroffene sollten wissen, dass sie keine Schuld tragen und sie das Verhalten nicht durch ihr eigenes Fehlverhalten auslösen. Oftmals sind es lediglich die Umstände, die einen Mobbingprozess beeinflussen.

Folgende Faktoren begünstigen Mobbing:

  • Geringes Selbstwertgefühl des Täters oder der Täter
  • Viel Stress oder eine schwierige Situation (zum Beispiel neue Hierarchien, neu hinzukommende Menschen in eine bereits bestehende Gruppe)
  • Krisensituationen (beispielsweise Angst um den Arbeitsplatz)
  • Strukturelle Mängel (zum Beispiel unzureichendes Konfliktmanagement)
  • Langeweile und der Wunsch nach Abwechslung
  • Kompensation eigener Schwächen, Angst und Ohnmachtsgefühle durch Abwertung anderer
  • Abreagieren von Wut und Ärger durch die Machtausübung und Kontrolle über andere
  • Eigene Unzufriedenheit
  • Weitergabe erlebten Unrechts an andere (beispielsweise Gewalt in der Familie)
  • Fehlende Konfliktfähigkeit
  • Wunsch nach Anerkennung in der Klasse oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe
  • Persönliche Motive (zum Beispiel Neid, Konkurrenz, Fremdenfeindlichkeit oder eigene Erfahrung als Mobbingopfer)

Mobber suchen sich dann jemanden aus, der ihnen eine Angriffsfläche bietet. Beispielsweise jemand in der Gruppe, der unsicher wirkt oder körperlich schwächer ist. Oder jemand, der sich leicht reizen lässt - das macht den Mobbern Spaß. Häufiger betroffen sind auch Menschen, die wenige Freunde oder Verbündete in der Gruppe haben oder irgendwie "anders" sind. Manchmal geschieht Mobbing auch aus Neid: auf den Lebensstil oder die Besitztümer von jemand anderem. Im Arbeitskontext kann es auch sein, dass der Gemobbte als Beeinträchtigung eigener Ziele und Werte wahrgenommen wird.

Der tatsächliche Grund für das Mobbing wird jedoch selten kommuniziert. Mobbing verhindert einen offenen und fairen Konflikt, der zu einer Lösung führen könnte. Somit können Betroffene oft nicht nachvollziehen, warum gerade sie zur Zielscheibe geworden sind. Sie versuchen dann durch Nachgeben, Stillhalten oder Ansprache des Themas eine Lösung zu finden, wobei die Mobber nur selten an so etwas interessiert sind.

Die Folgen von Mobbing können verheerend sein und krank machen. Mobbing kann folgende Symptome hervorrufen.

Mögliche körperliche Symptome:

  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Herzrasen
  • Magen-Darm-Probleme

Mögliche psychische Symptome:

  • Ängste
  • Trauer
  • Selbstzweifel
  • Niedriges Selbstwertgefühl
  • Soziale Isolation
  • Konzentrationsschwierigkeiten

Gleichzeitig kann die andauernde Stressbelastung über einen längeren Zeitraum zu ernsthaften Erkrankungen führen (zum Beispiel Depressionen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Deshalb ist es wichtig, sich Zeit für den Stressabbau zu nehmen. Auch die Suchtgefahr steigt (zum Beispiel nach Alkohol oder Drogen). Im schlimmsten Fall finden Betroffene keinen Ausweg und begehen Suizid. Insgesamt braucht ein Drittel der gemobbten Personen therapeutische Hilfe, um das Mobbing zu verarbeiten.

Von Mobbing betroffene Kinder in der Schule können sich in der Regel nicht selbst helfen. Daher benötigen sie Hilfe von Lehrkräften und sollten sich diesen anvertrauen. Neben Lehrkräften können dies auch Schulsozialarbeiter und -psychologen sowie die Eltern sein.

Lehrer sollten die Probleme und Situation ihrer Schüler weder verharmlosen noch sich mit einem "Macht das unter euch aus" herausziehen. Um die Situation nicht zu verschlimmern, sollten sie jedoch auch öffentliche Schuldzuweisungen vermeiden und sich nicht auf eine Seite schlagen. Daher sollten Lehrkräfte möglichst unparteiisch bleiben.

Lehrkräfte sollten dennoch in der Lage sein, Mobber auf ihr Fehlverhalten anzusprechen. Gleichzeitig sollten sie verdeutlichen, dass sie die Taten sofort beenden müssen. Zudem ist es wichtig, dass andere Schulkameraden das unangebrachte Verhalten nicht unterstützen. Klassenkameraden können auch eine Unterstützergruppe für das Opfer bilden. Somit kommt es auch zu einer Anpassung der durch das Mobbing veränderten sozialen Normen in der Klasse.

Zusätzlich sollten Lehrer einen konkreten Plan erstellen und die einzelnen Schritte mit den Betroffenen absprechen. Auch eine Beratung mit anderen Kollegen oder dem Schulleiter ist empfehlenswert. Lehrkräfte sollten allerdings die Angelegenheit nicht in Abwesenheit des Gemobbten mit der Klasse besprechen und auch keine pauschalen Sanktionen verhängen, mit denen die Täter bestraft werden. Bestenfalls sollte eine besondere Hilfsbedürftigkeit des Gemobbten nicht hervorgehoben werden.

Lehrkräfte können Mobbing effektiv bekämpfen, indem sie klare Stopp-Signale setzen und abwertendes Verhalten sofort unterbinden. Gespräche mit allen Beteiligten sollten in einer ruhigen und vertraulichen Atmosphäre stattfinden. Ein offenes Ohr für das Mobbingopfer und die Zustimmung zu Maßnahmen sind wichtig, um das Vertrauen zu stärken. Ein Helfersystem in der Klasse, bei dem Freunde oder Unterstützer einbezogen werden, kann das Machtgefälle ebenfalls mindern. Ältere Schüler können als Mentoren jüngere Schüler unterstützen. Kontinuierlicher Kontakt zum Gemobbten und Einbindung des gesamten Kollegiums fördert eine "Kultur des Hinschauens". Kollegen sollten sensibilisiert und involviert werden, um ein geschlossenes Vorgehen zu gewährleisten. Zudem sollte jede Intervention respektvoll und sensibel erfolgen.

Eltern sollten die Warnsignale von Mobbing kennen und ihr Kind ernst nehmen. Aber was sind überhaupt Warnsignale?

Einige Kinder wollen von einem Tag auf den anderen nicht mehr zur Schule gehen, andere geben Krankheiten vor oder es kommt zu Konzentrations- und Lernstörungen. Wiederum andere Kinder sprechen offen mit ihren Eltern und erzählen von dem Mobbingverhalten. Dennoch sollten Eltern immer zunächst Ruhe bewahren und nicht vorschnell Kontakt zum Täter oder den Eltern aufnehmen.

Wenn Eltern erfahren, dass ihr Kind gemobbt wird, sollten sie die Schule informieren und mit der Klassenlehrkraft sprechen. Alternativ können sich Eltern beim Elternrat oder einer Beratungsstelle Hilfe suchen.

Damit sich Kinder öffnen, sollte man seinem Kind aufmerksam zuhören und sich Zeit nehmen, wenn es von der Schule oder dem Verein erzählt. Außerdem sollte man Fragen stellen, um herauszufinden, ob in der Schule und bei den Hobbys alles in Ordnung ist. Generell sollte man dafür innerhalb der Familie einen lebendigen und vertrauensvollen Gesprächsaustausch pflegen.

Dem Kind tut es gut, wenn man Interesse an seinem Leben und seinem Bekannten- und Freundeskreis zeigt. Daher sollte man offen über Freundschaften, die Freizeit und den Schulalltag sprechen. Auch ein direktes Gespräch über Mobbing kann Kindern helfen und sie ermutigen, das Mobbing anzusprechen.

Zudem sollte man die Sorgen und Probleme des Kindes immer ernst nehmen und das Kind loben (nicht nur bei guten Schulnoten oder besonderen Leistungen) sowie Unterstützung anbieten, wenn etwas nicht gelungen ist oder Hilfebedarf besteht.

Im Umgangston und der Konfliktbewältigung sollte man ein Vorbild sein und Probleme sofort ansprechen. Dabei sollte man Ich-Aussagen statt Du-Anklagen verwenden.

Am Anfang lässt sich Mobbing oft schlecht erkennen. Es startet schleichend, manches passiert hinter dem eigenen Rücken, anderes hält man vielleicht für Zufall, einen blöden Witz oder einfach nur schlechte Laune beim Kollegen oder der Kollegin. Je länger das Mobbing läuft, desto klarer wird es meist. Manchmal schließen sich auch andere Kollegen dem Mobber oder der Mobberin an.

Ist man sich unsicher, sollte man genau hinsehen und sich zudem mit (unbeteiligten) Kollegen, Freunden oder der Familie über das Erlebte austauschen. So bekommt man eine klarere Sicht auf die Situation.

Man kann versuchen, mit dem Mobber über sein Verhalten zu reden. In den meisten Fällen gibt er deshalb nicht auf, sondern leugnet sein Verhalten oder redet es klein - man kann hier auch von Gaslighting sprechen. Manchmal hilft ein klärendes Gespräch aber. Zudem fühlt es sich für die meisten Betroffenen gut an, aktiv zu werden, statt stumm unter den Feindseligkeiten zu leiden.

Wichtig sind aber auch drei andere Dinge: das Mobbing dokumentieren und öffentlich sichtbar machen und sich, falls möglich, Unterstützung bei den Teammitgliedern zu suchen.

Wenn man genau notiert, was wann passiert ist, und Zeugen für das Mobbing hat, ist das sehr hilfreich, falls man damit zu einem Vorgesetzten oder der Personalabteilung geht - oder der Fall schließlich vor dem Gericht landet. Oft ist es auch sinnvoll, mit Kolleginnen und Kollegen zu reden, die sich nicht am Mobbing beteiligen. Ihnen sollte man die Situation erklären. Das hilft, falls die mobbende Person einen später bei ihnen verleumden will. Und man findet gegebenenfalls Helfer und Verbündete, die einem beistehen.

Wenn die Lage weiter eskaliert, sollte man mit dem oder der Vorgesetzten sprechen. Geht das Mobbing von den Vorgesetzten aus, sollte man sich stattdessen an die Personalabteilung oder den Betriebsrat wenden. Über diese kann man an die Geschäftsleitung herantreten. Sollte das alles nicht helfen, gibt es außerbetriebliche Hilfemöglichkeiten: Psychologen, die Gewerkschaft, Anwälte, Mobbingberatungsstellen und Selbsthilfegruppen.

In jedem Fall ist es wichtig, während dieser schwierigen Zeit auch Phasen der Ruhe und Entspannung einzuplanen. Eine Mobbingsituation ist eine erhebliche Belastung für Seele und Körper. Um sein Selbstwertgefühl zu steigern, sollte man dieses bewusst stärken. Dazu gehören die Ausübung von Hobbys oder Zeit mit Freunden und Menschen, die einem guttun. Zudem kann man auch meditieren, Achtsamkeitsübungen machen oder andere Entspannungstechniken erlernen.

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