Beziehung
Was ist ein Zwiegespräch?
4.6.2024, 09:13 UhrIn diesem Artikel:
Keine gute Beziehung kommt ohne Kommunikation aus. Leider ist das gar nicht so einfach. Vor allem in Stresssituationen fällt es vielen Menschen schwer, ihre Gefühle zu kommunizieren, ohne den Gegenüber dabei zu verletzen oder vor den Kopf zu stoßen.
Sinnvoll ist hier das sogenannte Zwiegespräch oder auch Paargespräch. Wenn Sie sich fragen, was das bedeutet, welche Regeln es gibt und wie man ein Paargespräch führen kann, lesen Sie den folgenden Artikel.
Warum Kommunikation in der Beziehung wichtig ist
Viele langjährige Paare reden (wenn überhaupt) nur wenige Minuten pro Tag miteinander über wesentliche persönliche Dinge. Allerdings ist genau dies ein zentraler Aspekt für eine glückliche und erfüllte Beziehung. Denn das Sprechen über die eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Ängste, Befürchtungen, Erwartungen oder Hoffnungen wirkt sich maßgeblich auf das eigene Glück und die Beziehung aus.
Am Anfang einer Beziehung ist die Kommunikation in der Regel noch nicht das Problem: Man will alles voneinander wissen, tauscht sich gerne aus und kann stundenlang reden. Mit der Zeit werden die Gespräche allerdings weniger. Man glaubt, sich schon zu kennen, und bekommt Veränderungen in der Lebenswelt und im Inneren des Partners gar nicht unbedingt mit. Somit kann man sich langsam entfremden, ohne es wirklich zu merken.
Regelmäßige Kommunikation soll das verhindern und kann die Partnerschaft somit nachhaltig stärken. Streitigkeiten in der Beziehung treten seltener auf, wenn beide Partner einander besser verstehen.
Bedeutung: Was ist ein Zwiegespräch?
Laut dem Duden ist ein Zwiegespräch ein "[vertrauliches] Gespräch, Gedankenaustausch zwischen zwei Personen".
Es gibt den Begriff des Zwiegesprächs aber auch in der Psychologie. Hier beschreibt er ein Gesprächskonzept zur Vorbeugung oder Lösung von Problemen und Konflikten innerhalb einer Beziehung.
Zwiegespräch nach Moeller
Um den Austausch zwischen Paaren zu fördern, wurde von dem Psychoanalytiker und Arzt Michael Lukas Moeller das sogenannte "Zwiegespräch" entwickelt. Dieses Selbsthilfekonzept soll dazu führen, dass Partner in einen Dialog treten, ohne einen wirklichen Dialog zu führen.
In Wahrheit handelt es sich um ein Wechselgespräch, sodass beide Parteien nacheinander über ihre Emotionen, Gefühle und Gedanken sprechen – ohne dabei auf das Gesagte des Gegenübers einzugehen. Die andere Person soll lediglich da sein und aufmerksam zuhören.
Für wen eignen sich Zwiegespräche?
Auch wenn Moeller das Zwiegespräch für Paare entwickelt hat, ist es für jede Art von Beziehung geeignet. Daher kann man ein Zwiegespräch auch mit den besten Freunden, der Familie oder Kollegen auf der Arbeit führen. Jede Beziehung kann von einem Zwiegespräch profitieren und das Vertrauen zwischen den Personen stärken. Durch ein Zwiegespräch kann man sein Gegenüber mit all seinen Gedanken und Gefühlen besser verstehen und oftmals auch bestimmte Verhaltensweisen einfacher nachvollziehen.
Das Zwiegespräch ist vor allem dann sinnvoll, wenn sich Menschen in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder vor Herausforderungen gestellt werden. Insbesondere Paare, die häufig streiten und kaum normale Gespräche miteinander führen, profitieren von einem Zwiegespräch. Somit können Missverständnisse aus dem Weg geräumt und man kann weiteren Konflikten vorbeugen. Aber auch Paare, die mehr aneinander vorbeileben als ein gemeinsames Leben zu führen, sollten ein Zwiegespräch ausprobieren.
Das Gleiche gilt für Paare, die ihr Sexleben wiederbeleben wollen. Aber auch Menschen, die nicht gerne über ihre Beziehung oder unangenehme Gefühle sprechen, können dies mit einem Zwiegespräch lernen. Wenn Paare kurz vor einer Scheidung oder Trennung stehen, kann ein Zwiegespräch zu mehr Verständnis führen oder sogar vor einem Beziehungsaus bewahren.
Wer eine Paartherapie in Anspruch nehmen möchte und noch auf einen entsprechenden Platz wartet, kann die Zeit ebenfalls sinnvoll mit einem Zwiegespräch nutzen. Aber auch Paare, die mehr über ihren Partner erfahren möchten oder sich mehr Zuneigung und Empathie in der Beziehung wünschen, können dies durch ein Zwiegespräch erreichen.
Wann ist die beste Zeit für ein Zwiegespräch?
Der beste Zeitpunkt für ein Zwiegespräch ist bald - am besten einigt man sich direkt auf einen Zeitpunkt, statt es weiter und weiter aufzuschieben.
Allerdings ist es auch wichtig, dass man genug Zeit und Ruhe dafür hat. Minimal eine Stunde sollte es sein, damit man das Gespräch nicht mittendrin abwürgen muss und beide gut zu Wort kommen.
Zwiegespräche: Welche Regeln gibt es?
Wer ein Paargespräch in seiner Beziehung integrieren will, sollte einige Rahmenbedingungen und Zwiegespräch-Regeln kennen und einhalten. Folgender Paargespräch-Leitfaden hilft weiter:
1) Feste Vereinbarung treffen
Um die kleinste Selbsthilfegruppe der Welt in den Alltag einzubauen, sollte man zunächst einen regelmäßigen Termin vereinbaren. Moeller schlägt einmal wöchentlich ein Zwiegespräch von 60 bis 90 Minuten vor. Wer möchte, kann dies aber auch alle zwei Wochen oder beispielsweise einmal im Monat machen. Die verbindlichen Termine führen im besten Fall dazu, dass man diese – genau wie andere Verabredungen oder Termine – ernst nimmt und einhält.
Für das Gespräch sollte man sich einen gemütlichen Platz ohne Störungen suchen und auch die Handys zur Seite legen, um sich vollständig auf den Partner zu konzentrieren. Am besten setzt man sich so, dass man einander ansieht.
2) Darum geht es im Zwiegespräch
Das zentrale Thema jedes Zwiegesprächs lautet: "ICH erzähle dir von mir und beschreibe dabei, was MICH bewegt. Ich erläutere, wie ich mich in meiner Beziehung und in meinem Leben fühle. Außerdem erkläre ich, was ich mir wünsche und wovor ich Angst habe". Man teilt also mit, was einem wichtig ist und im derzeitigen Moment bewegt.
3) Ablauf
In den ersten 10 bis 15 Minuten spricht die eine Person, danach wird gewechselt. Nachdem beide Parteien jeweils dreimal gesprochen haben, wird das Zwiegespräch beendet.
Insgesamt dauert das Gespräch zwischen 60 und 90 Minuten, abhängig von den einzelnen Rede-Blöcken. Damit man die Zeit auch einhält, kann man einen Timer stellen oder eine Sanduhr verwenden. Am besten spricht man sehr konkret und schildert anschaulich das Gefühlte und Erlebte.
Wenn eine Person nichts zu sagen hat, bleibt sie einfach still. Das kann helfen, die eigenen Gedanken und Gefühle zu sortieren. Auch gemeinsames Schweigen auszuhalten ist wichtig und kann für die Beziehung förderlich sein.
Das Zwiegespräch ist frei von Druck zur Offenbarung und jeder kann wählen, worüber er sprechen möchte und nur das teilen, was er möchte.
4) Nur zuhören
Während eine Person spricht, hört die andere einfach nur aufmerksam zu und schweigt. Das bedeutet, es werden keine Fragen gestellt, Kommentare abgegeben oder Ratschläge gegeben. Ebenfalls tabu: Augenrollen, Kopfschütteln, genervtes Ausatmen.
Jeder soll sprechen können, ohne unterbrochen oder kritisiert zu werden. Und jeder sollte in seinem eigenen Erleben bleiben und nicht in die Welt des anderen eindringen. Vor allem sollten keine Interpretationen, Vorwürfe oder Unterstellungen gemacht werden.
5) Nach dem Gespräch
Das Zwiegespräch sollte nach den 60 bis 90 Minuten rechtzeitig beendet werden. Zu lange Gespräche sind nicht sinnvoll, weil man sich irgendwann nicht mehr richtig konzentrieren kann und aus Erschöpftheit gereizt werden könnte.
Nach dem Zwiegespräch ist es wichtig, vorerst weder Rückmeldungen zu geben noch über die besprochenen Themen weiter zu sprechen. Man lässt das Gehörte sacken.
6) Regelmäßigkeit ist der Schlüssel
Die Regelmäßigkeit der Zwiegespräche ist der Schlüssel zum Erfolg. Man sollte Zwiegespräche nicht erst führen, wenn man sich gestritten hat. Den dann ist die Bereitschaft gering, sich dem anderen wirklich zu öffnen beziehungsweise kommentarlos zuzuhören.
Was passiert bei Konflikten oder Diskussionen?
Manchmal kann es vorkommen, dass während des Zwiegesprächs Konflikte entstehen oder Diskussionen entfacht werden. In solchen Momenten sollte man das Zwiegespräch unterbrechen und sich an einem späteren Zeitpunkt erneut zusammensetzen.
Mehr zum Thema Zwiegespräche lesen Sie in Michael Moellers Buch "Die Wahrheit beginnt zu zweit / Die Liebe ist das Kind der Freiheit: Das Paar im Gespräch".