Intimität

Wie wird Liebe und Sexualität im Alter gelebt?

Elias Thiel

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22.4.2024, 15:43 Uhr
Hier erfahren Sie, wie sich das Thema Sexualität im Laufe des Lebens verändert.

© IMAGO/ People5 images Hier erfahren Sie, wie sich das Thema Sexualität im Laufe des Lebens verändert.

In diesem Artikel:

Alterssexualität ist in der Gesellschaft oftmals ein Tabuthema. Das Thema Sexualität im Alter wird nur selten diskutiert. Manche älteren Menschen sind dabei sicherlich gehemmt. Dabei kann es gut tun, über die eigenen Empfindungen, Wünsche und Erwartungen zu reden.

Viele jüngere Menschen gehen zudem davon aus, dass Sex mit zunehmendem Alter weniger wird und irgendwann einfach gar nicht mehr stattfindet. Ob das wirklich stimmt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Der Begriff der Alterssexualität bezieht sich auf die sexuellen Bedürfnisse, Wünsche und Aktivitäten von Menschen im fortgeschrittenen Alter. Einen genauen Zeitpunkt, ab wann man in diese Gruppe zählt, gibt es nicht. Die UNO sieht als "ältere Menschen" beispielsweise jene an, die über sechzig sind.

Bei der Sexualität im Alter geht nicht nur um körperliche, sondern auch emotionale Aspekte. Wichtig zu wissen ist: Sexuelle Bedürfnisse und Interessen bestehen über die gesamte Lebensspanne hinweg, unabhängig von der Anzahl der Lebensjahre. Es ist aber auch normal, dass sie sich im Laufe des Lebens verändern.

Tatsächlich geben laut der Krankenkasse AOK rund 30 Prozent der Männer im Alter von 70 bis 79 Jahren an, sexuell aktiv zu sein, während es bei den Frauen noch mehr sind. In der Altersgruppe der über 80-Jährigen sind es bei den Männern noch 10 Prozent, bei den Frauen jedoch noch nahezu 20 Prozent. Die sinkenden Zahlen bedeuten jedoch nicht zwangsläufig ein nachlassendes sexuelles Verlangen.

Im höheren Alter mangelt es häufig an einem geeigneten sexuellen Partner oder es bestehen gesundheitliche Probleme. Dennoch sind zärtliche Berührungen und sexuelle Erregbarkeit für viele Senioren weiterhin wichtig. Der Wunsch nach sexueller Befriedigung bleibt oftmals bestehen, auch wenn er möglicherweise an Intensität verliert.

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen Untersuchungen, dass die sexuelle Aktivität unter anderem mit der Dauer der Beziehung abnimmt. Somit sind nicht nur das Alter oder gesundheitlicher Probleme der Grund für weniger Sex. Demnach haben ältere Menschen, die eine neue Beziehung beginnen, häufig wieder mehr Sex.

Das Liebesleben verändert sich natürlich durch das steigende Alter. Oftmals nehmen körperliche, teils chronische Erkrankungen mit steigendem Alter zu. Auch bestimmte Medikamente oder Hormonumstellungen können sich auf den Geschlechtsverkehr im Alter auswirken.

Hormone

Bei Frauen sinkt bereits mit den Wechseljahren der Östrogenspiegel, was sich auf die Sexualität auswirkt. Dadurch wird die Scheidenschleimhaut oftmals trockener, es erhöht sich das Risiko für Infektionen, die Lust auf Sex lässt oftmals nach. Beim Sex dauert es meist länger, bis sich genug Scheidensekret gebildet hat.

Aber auch bei Männern gibt es hormonelle Veränderungen: Mit zunehmendem Alter sinkt der Testosteronspiegel und die Libido lässt nach. Das ist ein allmählicher Prozess, der etwa ab dem 40. Lebensjahr beginnt und erst später wahrnehmbar auswirkt. Es kann zu Erektionsstörungen kommen, das sexuelle Verlangen lässt nach.

Wenn es sich um ein hormonelles Problem handelt, egal ob bei der Frau oder beim Mann, gibt es Behandlungsmöglichkeiten. Ärzte können Auskunft darüber geben, ob sich eine Hormontherapie oder andere Maßnahmen sinnvoll sind.

Operative Eingriffe

Operative Eingriffe oder Operationen an den Geschlechtsorganen können die Sexualität ebenfalls beeinträchtigen, ob in jungen Jahren oder im hohen Alter. Dies kann sich in Form von Schmerzen beim Sex oder durch eine veränderte Wahrnehmung des Körpers äußern. Bei Männern kann es auch durch Operationen zu Erektionsstörungen und vorzeitigen Samenerguss kommen.

Chronische Erkrankungen

Chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Harninkontinenz, Herz-Kreislauf-Probleme und Diabetes haben ebenfalls Einfluss auf das Sexleben. Diese können neben dem Allgemeinbefinden auch die Gesundheit der Geschlechtsorgane und die Ausprägung der persönlichen Lust auf Sex beeinflussen. Zudem können Gelenkprobleme wie Arthritis und Arthrose Schmerzen verursachen und somit den Sex unangenehm machen.

Gleichzeitig können auch hohe Cholesterinwerte zu einer verminderten Libido führen. Durch die entstehenden Fettablagerungen in den Blutgefäßen kommt es zu Gefäßverengungen und Durchblutungsstörungen, welche die Gefühlsintensität der reduzieren.

Zudem können auch Schilddrüsenkrankheiten die Libido und Potenz im Alter negativ beeinflussen.

In der Regel verschiebt sich das Verständnis von Sex mit zunehmendem Alter. Oder anders gesagt: Die Definition wird weiter. Es geht nicht nur um den reinen Geschlechtsverkehr, sondern auch um Themen wie Zärtlichkeit, Intimität und Geborgenheit. Und damit um Fragen wie "Was fühlt sich gut an?", Wie können wir uns nahe sein?" und "Was können wir gemeinsam genießen?".

Das ist gerade dann wichtig, wenn es beim klassischen Sex aus dem einen oder anderen Grund hapert. So blickt man gemeinsam auf die Möglichkeiten statt auf Einschränkung, kommt neu ins Gespräch und wird im besten Fall gemeinsam kreativ.

Die meisten Menschen können sich an die Veränderungen im Alter anpassen, berichten Wissenschaftler der Universität Rostock. Hierfür wurden Menschen im Alter von 63 bis 74 Jahren wiederholt über ihr Leben befragt.

Obwohl in vielen Fällen die sexuelle Aktivität abnahm, blieben die Teilnehmer oftmals sexuell zufrieden. Viele von ihnen sahen Zärtlichkeit, also Streicheln, Schmusen, Händchenhalten und Küssen, als wichtiger an. Im Alter von 74 Jahren gaben 81 Prozent der Frauen und 91 Prozent der Männer an, dass Zärtlichkeit für ihre Partnerschaft wichtig sei. Bei der Sexualität waren es nur 21 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer.

Zärtlichkeit erwies sich in der Studie auch als wesentlicher Punkt für die Zufriedenheit mit der Partnerschaft im Alter. Der Gesundheitszustand, die Dauer der Partnerschaft, der Bildungsgrad sowie der Sex erwiesen sich als weniger relevant.

Guter Sex gilt im Allgemeinen als gesund: Er hilft beim Stressabbau, sorgt für Glücksgefühle und trainiert den Kreislauf. Allerdings kann Sex für den Kreislauf auch zu viel werden.

Eine Studie der Universität Michigan mit Teilnehmern zwischen 57 und 85 Jahren ergab, dass Sex sogar gefährlich werden kann. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass häufiger und befriedigender Sex bei älteren Frauen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann, ihnen also gut tut. Bei Männern sei es jedoch genau umgekehrt. Hier stieg das Risiko an. Bei Männern, die mindestens einmal pro Woche Sex hatten, war es fast doppelt so hoch wie bei enthaltsamen Männern.

Laut Forschern könnte das unter anderem daran liegen, dass ältere Männer sich schwerer tun, zum Orgasmus zu kommen. Deswegen würden sie sich mehr anstrengen und sich dabei gegebenenfalls auch überlasten. Zudem nehmen einige von ihnen Medikamente gegen Erektionsstörungen ein, die negative Effekte auf das Herz-Kreislauf-System haben könnten. Zu den gelegentlichen Nebenwirkungen von Viagra zählen laut Packungsbeilagen beispielsweise Herzrasen und Bluthochdruck.

Es geht also nicht nur darum, ob man Sex hat, sondern auch wie - und wie sehr man seinen Körper dabei belastet.

Nun stellt sich die Frage "Wie kann man im Alter noch Sex haben und worauf sollte man dabei achten?"

Wichtig ist es, offen miteinander zu reden. Worauf hat man Lust, wo hindern einen Probleme - und wie kommt man um diese Probleme möglicherweise herum? Welche körperlichen Veränderungen gab es und schafft man es, diese zu akzeptieren?

Psychologen empfehlen Menschen, sich von einem Leistungsgedanken beim Sex zu lösen. Mithilfe von Streicheln, zärtlichen und erotischen Berührungen und Kuscheln lassen sich sexuelle Aktivitäten fördern und Hemmungen oder Ängste nehmen. Auch Hilfsmittel wie Gleitgel können eine gute Ergänzung sein, um den Sex zu genießen.

Man kann sich auch Hilfe von außen suchen, beispielsweise bei einem Sexcoach oder Sexualpädagogen. Wie die Arbeit eines "Sexual Bodyworkers" bei Männern mit Erektionsproblemen aussieht, zeigt unser Podcast "heiß & innig" in der folgenden Folge:

Mehr über die weibliche Lust hören Sie hier:

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