Uferpromenade: Neues Denkmal erinnert an Fürther Nazi-Opfer
20.9.2020, 15:00 Uhr"Wir müssen heute leider ein neues Denkmal einweihen", sagte Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung am Sonntagvormittag vor den rund 150 Menschen, darunter viele Stadträte und die beiden Landtagsabgeordneten Horst Arnold (SPD) und Barbara Fuchs (Grüne), die zur Feier gekommen waren. "Und der Grund dafür ist niederträchtiger Natur."
Schon die Gedenktafel, die an der Uferpromenade an Rudolf Benario und Ernst Goldmann erinnerte, war immer wieder beschmiert oder gestohlen worden. 2017 aber waren dann die drei Birken, die die beiden jungen Fürther hier einst selbst mit ihrem Freund Seppl Schneider gepflanzt hatten, mutmaßlich von Rechtsextremen wiederholt beschädigt worden. Zuletzt so schwer, dass sie abstarben und gefällt werden mussten.
Die Erinnerung an Benario und Goldmann - zwei Fürther Juden und Kommunisten, die am 12. April 1933 im KZ Dachau erschossen wurden - aber wollte weder die Stadtspitze noch das Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus sterben lassen. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach einem angemessenem Ersatz für das Naturdenkmal.
Das Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus hatte schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass Goldmann, Benario und der Nürnberger Arthur Kahn die ersten Mordopfer in einem Konzentrationslager waren, Millionen weitere sollten folgen. OB Jung nannte die Gedenkstätte bereits 2017 einen "Ort von überragender Bedeutung". Es sei wichtig, ihn zu verteidigen.
Es sei "für die ganze Stadt eine Genugtuung", dass man jetzt "ein sichtbares und passendes Denkmal" installieren konnte, sagte Jung nun bei der Feier, bei der mit Blick auf Corona Maskenpflicht galt. Bewusst war sie auf den 20. September gelegt worden: den 112. Geburtstag von Rudolf Benario.
Den beiden Künstlern sei etwas sehr Schwieriges gelungen: "ein würdiges Gedenken zu schaffen, für etwas, das man so nicht in Worte fassen kann". Das Denkmal gelte nicht nur Benario und Goldmann, betonten Jung und Hans Brenner vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus übereinstimmend. Es stehe auch für die Millionen anderen Menschen, die Opfer der Nationalsozialisten wurden.
Die Birken sind jetzt aus Stahl
Aus sieben Tonnen Stahl und beinahe einer halben Tonne Aluminium, zugleich aber mit viel Feingefühl haben die Langenzenner Metallgestalter Uwe Weber und Roland Hermann die neue Erinnerungsstätte gefertigt - bewusst so, dass sie Vandalismus standhalten würde. Drei Stelen symbolisieren die drei Birken, jede ist eine Tonne schwer. Silbrigschimmernd wird die Rinde angedeutet.
Daneben stehen Gedenktafeln in Form eines stilisierten Boots- und Vereinshauses. Goldmann und Benario hatten dem Fürther Kanu-Club angehört, der hier, am Ufer der Rednitz, sein Quartier hatte. "Wir wollten die Birken wieder hinstellen", sagen die beiden Künstler, die 2019 schon den Goldenen Schwan (in Form einer Replik) zurück zum Grünen Markt gebracht haben. Die neue, "herausfordernde" Aufgabe hätten sie sehr gerne angenommen.
Das Kopfsteinpflaster, auf dem die Gedenktafeln stehen, ist dem Gänsbergviertel entlehnt, das sich früher bis hier herunter zog. Die Buchstaben auf den Tafeln wurden mit bis zu 100 Tonnen Druck in die Platten gedrückt. "Die Erinnerung auszulöschen, war das Ziel", sagte Uwe Weber bei der Feier. "Das darf und wird nicht gelingen."
Blick in die Gegenwart
Das bekräftigt auch Hans Brenner. Nach den "feigen Anschlägen auf wehrlose Bäume" sei hier, 75 Jahre nach Kriegsende, etwas ganz Besonderes entstanden. "Das Ergebnis ist ein Gewinn für die Stadt Fürth." Das lange Bemühen um ein würdiges Denkmal habe sich gelohnt. Es ehre alle Fürther, die gegen das faschistische Regime eintraten.
Brenner lenkte den Blick aber auch auf die Gegenwart: "Heute sitzen Nazis nicht nur wieder in Parlamenten, sie knüpfen auch ihre Netzwerke bei der Bundeswehr und der Polizei, wie uns diese Woche vor Augen geführt wurde." Wie mit den Geflüchteten in Moria umgegangen werde, sei eine Schande für Europa. "Das ist blanker Rassismus, der den Nazis in die Hände spielt."
Videoüberwachung rund um die Uhr
Die Gedenkstätte ist nun einer der wenigen Orte mit Videoüberwachung in Fürth: "Wir werden sie schützen", versprach Rathauschef Jung. Ebenso wie Brenner würdigte er das Engagement des bereits verstorbenen Fürthers Seppl Schneider, der seit seiner Kindheit mit Benario und Goldmann befreundet war und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Erinnerung an sie wachzuhalten, sowie die Arbeit von Lehrer Manfred Lehner.
Als Lehrer der Soldnerschule hatte er bereits 2003/2004 mit seiner damaligen Schulklasse, der 9b, das Leben und Sterben von Benario und Goldmann recherchiert und dokumentiert und sich für eine Gedenktafel am Rednitzufer stark gemacht. Lehner und vier der ehemaligen Schüler nahmen ebenfalls an der Einweihungsfeier teil. Özlem Salma, Alexandra Lippert, Regina Berschneider, René Gaidzica und ihre Klassenkameraden waren 15 Jahre alt, als sie sich mit Benarios Biographie beschäftigten und damit auch einen bundesweiten Wettbewerb gewannen. Ihr Lehrer habe damals das Feuer dafür entfacht, erzählen sie.
Bewegendes Schauspiel und ein Brief der Nachkommen
Jung erinnerte daran, dass sich - wegen ihres kommunistischen Hintergrunds - die Stadt Fürth lange schwer tat mit der Würdigung der beiden Mordopfer: "Es sind Menschen, die man sofort, schon 1945, hätte würdigen müssen." Frühzeitig und mutig hätten sich beide gegen die menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten gestellt.
In einer bewegenden Aufführung, eindringlich wie schon im Jahr 2018, gaben Sunna Hettinger, Hannah Candolini und Boris Keil vom Ensemble des Fürther Stadttheaters Einblick in das Schicksal von Ernst Goldmann und Rudolf Benario. Es war ein Beitrag, der berührte - vom ersten bis zum letzten Satz: "Bäume kann man zerstören. Ideen, Träume und Überzeugungen nicht."
Berührend war auch der Brief der Nachkommen von Goldmann, den Hans Brenner mitgebracht hatte. Dass die Erinnerung wach gehalten wird, erfülle sie mit großer Freude und Dankbarkeit, versichern sie darin - nachdem sie mehr als bestürzt gewesen seien, dass die Gedenkstätte zuvor wieder geschändet worden war. Das Erstarken menschenverachtender, antisemitischer Haltungen im ganzen Land beobachten sie mit Sorge: "Wir müssen tief verinnerlichen, dass jeder Mensch den gleichen Wert und die gleiche Würde hat."
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