„Stolpersteine“: Verbeugung vor jüdischen NS-Opfern
29.11.2014, 08:41 UhrInsgesamt sollen in den kommenden Jahren knapp 50 Stolpersteine verlegt werden.
Die „Stolpersteine“ sind eine Idee des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Für seine 1993 begonnene Initiative ist er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Am 28. November verlegte er persönlich die ersten Steine in Schwabach.
In einer Feier in der Alten Synagoge erläuterte er zunächst diese Form der Erinnungskultur. Stolpersteine sind Quadrate mit zehn Zentimeter Kantenlänge. Auf einer Messingplatte sind Namen und Daten verfolgter und ermordeter Juden und anderer NS-Opfer eingeschlagen.
Demnigs Intention: Durch den Gedenkstein vor seinem früheren Haus werde die Erinnerung an diesen Menschen in unseren Alltag geholt. „Sechs Millionen Opfer sind eine abstrakte Größe, persönliche Schicksale aber nicht.“ Jeder Stein symbolisiere auch die Gesamtheit der Opfer.
Doch die Stolpersteine sind auch umstritten und sorgen in München für eine heftige Debatte. Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralkomitees der Juden in Deutschland, fühlt sich an die Tritte der Nazis gegen am Boden liegende Juden erinnert. Und nun würde deren Andenken mit Füßen getreten. Demnig interpretiert es genau umgekehrt: „Wer die Tafel auf dem Stein liest, verbeugt sich vor den Opfern.“
In Schwabach sieht man die Chance, Schülern am Beispiel persönlicher Schicksale das NS-Unrecht deutlich zu machen. Gruppen aus fünf Schulen recherchieren die Lebenswege der Schwabacher Juden. „Und die Schulfamilien finanzieren die Steine auch“, wie Stadtheimatpflegerin Ursula Kaiser-Biburger betonte.
Die Initiative „Stolpersteine für Schwabach“ wird unter anderem von Melanie Greiner, Daniela Hechtel, Ursula Kaiser-Biburger, Nicola Meining und Tilman Kuhl getragen. Unterstützt wird sie vom Synagogenverein, der Bürgerstiftung „Unser Schwabach“ und der Stadt.
Die ersten fünf Stationen:
1. Synagogengasse (gestaltet vom Wolfram-von-Eschenbach-Gymnasium): Dr. Salomon Mannes war Schwabachs letzter Rabbiner. Im Amt war er von 1903 bis zur Auflösung des Rabbinats 1932. Grund war die rückläufige Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde. Drei Jahre später zog seine Familie nach Frankfurt/Main. Am Tag der Pogromnacht am 9. November 1938 emigrierte er nach London. Dort starb er 1960 im Alter von 90 Jahren.
2. Nördliche Ringstraße (gestaltet vom Sonderpädagogischen Förderzentrum): Walter Tuchmann war Inhaber der Drei-S-Werke und damit ein wichtiger und auch angesehener Unternehmer in Schwabach. Da er wegen angeblicher Devisenvergehen und „Rassenschande“ angezeigt wurde, sah er sich zur Flucht gezwungen. Er verkaufte seinen gesamten Besitz und emigrierte 1937 nach Prag und 1939 in die USA. Gestorben ist Walter Tuchmann in Mexiko. Das genaue Sterbedatum ist nicht bekannt.
3. Südliche Ringstraße 2 (gestaltet von der Staatlichen Realschule): Justin Gerstle und seine Frau Berta Gerstle, geborene Rosenstein, betrieben in Schwabach ein Kaufhaus an der Ecke Südliche Ringstraße/Ludwigstraße. Das Ehepaar zog 1935 in eine jüdische Siedlung nach München. 1942 wurden sie nach Piaski deportiert. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Nach dem Krieg hat das Amtsgericht München sie für tot erklärt. Mutmaßlich gehören sie zu den Opfern der Shoa. Piaski ist eine Stadt in Polen. Dort errichteten die Nazis ein Ghetto, aus dem es regelmäßige Transporte ins Vernichtungslager Belzec gab. Alleine in diesem KZ wurden über 400 000 Juden ermordet.
4. Fleischbrücke 2 (gestaltet von der Städtischen Wirtschaftsschule): Manuel Graf, und seine Frau Sarah Graf, geborene Kohn. Manuel Graf war Inhaber eines Tabakgeschäfts, das er 1938 aufgab. Das Ehepaar zog nach Frankfurt/Main, wo seine Frau 1942 verstarb. Manuel Graf wurde ins Konzentrationslage Theresienstadt deportiert, überlebte und kam am 4. Juli 1945 als einziger ehemaliger Schwabacher Jude zurück in die Stadt. Hier verstarb er 1948. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Judenfriedhof in Georgensgmünd.
5. Königsstraße 12 (gestaltet vom Adam-Kraft-Gymnasium): David Bleicher, Geschäftsinhaber, und seine Frau Ottilie Bleicher, geborene Nagler. Das Ehepaar hatte ein Kurzwarengeschäft, das es 1935 verkaufte und nach Palästina auswanderte.
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