Eleganz und Intelligenz: Wie Singh dem Club helfen kann

15.8.2020, 15:34 Uhr
Club-Neuzugang vom FC Bayern: Sarpreet Singh.

© Sven Hoppe, dpa Club-Neuzugang vom FC Bayern: Sarpreet Singh.

Die Rückennummer Acht, um 90 Grad gedreht das Zeichen der Unendlichkeit, steht im Fußball für technische Eleganz, für Spielwitz und Kreativität, für Leichtfüßigkeit. Lothar Matthäus trug sie einst, Andres Iniesta auch. Und in Nürnberg? Da ziert jene Ziffer von nun an das Trikot eines Hochbegabten. Darunter prangt beim rot-schwarz gestreiften Heimtrikot in weißer Schrift der Name "Singh".


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Gute Techniker stammen dem Vernehmen nach zumeist aus Brasilien, dem Land der Straßen- und Strandfußballer - vielleicht auch noch aus Spanien, aber nicht aus Neuseeland - eigentlich. Dort, am anderen Ende des Erdballs, ist das "Beautiful Game" nur eine Sportart unter vielen, steht noch immer im Schatten von Rugby und Cricket, die das sportliche Interesse der breiten Bevölkerung dominieren. Umso erstaunlicher ist es, dass gerade ein Youngster aus jenem fußballerischen Entwicklungsland fortan zu den technisch versiertesten und spielerisch intelligentesten Akteuren im Aufgebot des fränkischen Altmeisters zählen soll.

Seine Fähigkeiten, jene Rolle in der kommenden Spielzeit beim 1. FC Nürnberg einnehmen zu können, ließ Sarpreet Singh nicht nur im Testspiel gegen Regensburg aufblitzen, sondern auch in der vergangenen Saison, als er in der Meistermannschaft des FC Bayern in der 3. Liga zu den, so Sportvorstand Dieter Hecking, "herausragenden Spielern" im ohnehin hochveranlagten Münchner Talentensemble zählte.

Bei der die Drittliga-Saison als Primus beendenden Reserve und der stärksten Offensive der gesamten Runde avancierte der 21-Jährige zum zweitbesten Scorer (sieben Assists) und Torschützen (sieben Treffer) seiner Mannschaft. Noch viel bedeutsamer, allerdings nicht erfasst, sind seine zahlreichen vorletzten Pässe: Singh spielt einen Schnittstellenpass auf einen durchstartenden Mitstreiter, der in der Folge zumeist quer legt, sodass der jeweilige Torschütze letztlich wenige Meter vor dem Gehäuse nur den Fuß hinhalten muss. Nach diesem in der Entstehung anspruchsvollen, in der Vollstreckung simplen Muster erzielte die spielstarke Bayern-Zweitvertretung in der vergangenen Saison den Großteil ihrer Treffer. Singh fungierte als zentraler Initiator nahezu jeder Tormöglichkeit.

Tatsächlich zählt das Antizipieren der Bewegungen des gegnerischen Defensivverbunds, das Gespür für die daraus resultierenden Räume und Erkennen diesen einen, ganz bestimmten Passweges, der nur für den Bruchteil einer Sekunde offen steht, dann aber eine Großchance verspricht, zu den Kernkompetenzen im Leistungsportfolio des FCN-Neuzugangs. Im Sommer vergangenen Jahres erklärte der Linksfuß, der im Übrigen in der abgelaufenen Spielzeit nicht nur drei seiner sieben Treffer mit dem "schwachen" Rechten erzielte, sondern die entsprechenden Schussbewegungen auch noch mit einer herausragenden Natürlichkeit ausübte, seine Art Fußball zu spielen: "Ich liebe das Spiel, die Kombination, den Pass in die Tiefe."

Genau das möchte man in Nürnberg zukünftig sehen. In der Horror-Saison 2019/20 wies der Club zwar die zweitmeisten Abschlüsse, mit 10,5 Prozent aber auch die drittschwächste Chancenverwertung der gesamten Runde auf. Es wäre müßig, das mannigfaltige Spektrum der Ursachen für jene desolate Effizienz an dieser Stelle aufzuarbeiten, blickt man aber eine zentrale Terminologien beziehungsweise einen Erfassungswert der modernen Spielanalyse, so fällt auf, dass Sarpreet Singh mit seinen (zumindest an der Säbener Straße) berühmt-berüchtigten Steckpässen den Offensivvortrags des ruhmreichen Altmeisters fortan maßgeblich zum Positiven beeinflussen kann.


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Das Problem beim Club? Viele Abschlüsse - aber darunter auch viele, zu viele, aus der Not, aus wenig aussichtsreichen Positionen, mit zu vielen Kontrahenten zwischen Ball und Tor. Zum Vergleich: Im erwähnten Angriffsmuster der Bayern-Reserve eröffnete Singhs Pass in die Tiefe oftmals vielversprechende Abschlusssituationen, an deren Ende ein Münchener zentral und nah am Tor, ohne großen Gegnerdruck und zumeist nur mit dem Torhüter vor sich, einnetzen konnte. Kurzum: Qualitätsyoungster Singh ist in der Lage, mit einem mutigen Schnittstellenball die komplette Defensive des Konkurrenten zu überspielen und auszuhebeln – und ermöglicht somit schlichtweg hochkarätigere Chancen. Die Wahrscheinlichkeit – der Wert der sogenannten "Expected Goals" (die zu erwartenden Tore) – wird somit um ein Vielfaches höher gesetzt und faktisch zumeist deutlich übertroffen.

Nachholbedarf besteht beim Leihspieler aus der Landeshauptstadt derweil allen voran im Bereich der physischen Leistungskomponente: "Meistens ist jeder Profi-Spieler entweder schnell oder er ist ein Kraftpaket. Sarpreet ist eigentlich keines von Beiden. Er ist nicht langsam, aber er ist auch nicht super-schnell und er ist auch kein Kraftpaket", erklärt Landsmann und Werder-Legende Wynton Rufer, der Singh bereits in der Jugend trainierte, im Bild-Interview.

Freilich und augenscheinlich besteht beim doch sehr schmächtigen 1,75-Youngster bezüglich der Körperlichkeit noch viel Luft nach oben. Seine Fortschritte, die er seit seiner Ankunft in Deutschland und dem großen Niveausprung vom A-Ligisten Wellington Phoenix zum deutschen Branchenprimus in die traditionell zweikampfgeprägte 3. Liga verzeichnet hat, sind besonders im Duell mit den ebenfalls sehr körperbetont agierenden Regensburger aufgefallen: Zwar geriet Singh bei beherztem Einsteigen der Jahn-Profis noch immer des Öfteren ins Straucheln, blieb aber zumeist standhaft und in Ballbesitz – auch dank seiner feinen Ballbehandlung, die ihm auch unter Druck eine enorm enge Führung des Spielgeräts erlaubt. Die 22 Einsätze in der 3. Liga dienten dem "Kiwi" mit indischen Wurzen indes als gute Schule. Das Hauptfach: robuste Zweikampfführung.


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Ein Musterschüler ist Singh damals wie heute im Bereich der herausragenden Fähigkeiten am Ball: "Technisch ist er Weltklasse", schwärmt der 174-fache Bundesligaspieler von seinem früheren Schützling, der als kleiner Junge mit einem Traum und der in Neuseeland seltenen Leidenschaft für den "Randsport" in Rufers Fußballschule beim Jonglieren und im Fünf-gegen-Fünf auf engem Raum die Kernelemente dessen lernte, was einen guten, einen echten Achter ausmacht: Technik, Eleganz und Spielintelligenz.

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