Mutig und aktiv: Klauß' Handschrift lässt sich beim FCN erkennen

18.8.2020, 05:55 Uhr
Möchte aktiven und schnellen Fußball spielen lassen: Robert Klauß.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Möchte aktiven und schnellen Fußball spielen lassen: Robert Klauß.

Mutig und aggressiv, in einem herausragenden Positionsspiel taktisch flexibel und immer aktiv: RB Leipzig steht für seine markentypische Vereinsphilosophie mit dem extremen Fokus auf den Umschaltmoment. Diese Idee des Fußballs wurde über Jahre von Ralf Rangnick etabliert und nun von Julian Nagelsmann, der insbesondere das Spiel in eigenem Ballbesitz maßgeblich förderte, weiterentwickelt. Robert Klauß, der neue Trainer des 1. FC Nürnberg, assistierte beiden Branchengrößen als Co-Trainer und durchlief über ein Jahrzehnt die RB-Schule. Entsprechend wird der 35-Jährige bei seinem neuen Arbeitgeber versuchen, bestimmte Kernelemente des Leipziger Spiels auch am Valznerweiher zu implementieren – und diese Spielkultur freilich auch an die Fähigkeiten, Spielertypen und Stärken des bestehenden Kaders adaptieren.

Erste vielversprechende Ansätze der von Klauß propagierten Idee des schnellen Fußballs waren in beiden Testspielen des fränkischen Altmeisters in diesem Sommer zu erkennen: Wenngleich – dem frühen Zeitpunkt in der Vorbereitungsphase geschuldet – natürlich noch Missverständnisse und Ungenauigkeiten im Offensivvortrag auftraten und defensiv die ein oder andere Lücke entstand, dürften die ersten Duelle insgesamt positiv stimmen. Mit Liga-Konkurrent Jahn Regensburg und Bundesligist Augsburg wurden zwei Kontrahenten ausfindig gemacht, die durchaus als erste Gradmesser dienten, und deren aktives Spiel den Nürnbergern entgegenkam – mit Ausnahmen.


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SPIELAUFBAU: Gerade das besonders im ersten Durchgang sehr aggressive Anlaufen und Zustellen der Augsburger stellte den Club hier und da vor Probleme. Der FCN übte sich, anders als noch in der Vorsaison, im spielerischen Ansatz, versuchte sich mittels Kurzpässen ins nächste Drittel zu spielen. Unterstützend ließ sich zumeist der oftmals von drei Augsburgern umzingelte Johannes Geis zwischen die Innenverteidiger fallen, bot sich seinem Torhüter zentral an, um dann auf einen der breit- und bestenfalls freistehenden Innenverteidiger nach außen klatschen zu lassen. Wenngleich jene Herangehensweise nach einem etwas übermütigen Pass des Torwart-Talents Christian Früchtl bereits in der siebten Spielminute im ersten Gegentor mündete: der Ansatz, fußballerische Lösungen zu finden, stimmt. Die Spieler zeigen sich gewillt, jene Vorgabe umzusetzen – mitunter jedoch noch zu zwanghaft und überhastet. Trainer Klauß analysierte die Entstehung des Gegentreffers wie folgt: "In dieser Situation investierte der Gegner sehr viel, rückte geschlossen auf - da wäre es angebracht gewesen, den Ball über diesen Pressing-Verbund zu schlagen."

Fabian Nürnberger, der beim 1:0 gegen den SSV Jahn die Position des linken Sechsers im 4-2-3-1 bekleidete, interpretierte seine Aufgabe im Spielaufbau anders als Geis. Der Youngster ließ sich vermehrt neben die Innenverteidiger fallen, Handwerker konnte dementsprechend weiter aufrücken. Nürnberger stieß dann – seinem dynamischen Spielertyp getreu – gerne ins Zentrum vor. Ein Paradebeispiel für einen gelungenen Ballvortrag aus der eigenen Hälfte lieferte der Club exemplarisch in der 58. Minute am Regensburger Kaulbachweg: Nürnberger kippt nach links ab, erhält den Ball, zieht mit Tempo ins Mittelfeld und spielt Nikola Dovedan an, der auf Simon Rhein ablegt. Der wiederum findet Robin Hack, der am linken Flügel auf Nürnberger klatschen lässt. Nach einer erneuten Kombination im Dreieck der Sechser und des Zehners verlagert Rhein auf den rechten Flügel zum freistehenden Enrico Valentini.

KOMBINATIONSSPIEL: Über sieben Stationen kombiniert der Club mit wenigen Kontakten aus der eigenen Abwehrreihe durchs Zentrum, das entsprechend vom Gegner verdichtet wird, ehe im Zuge der Seitenverlagerung der entstehende Raum auf der Außenbahn bespielt werden kann. Zwei probate Stilmittel des Kurzpassspiels stachen besonders ins Auge: Dreiecksbildung und das Steil-Klatsch-Prinzip, was unter anderem von Julian Nagelsmann, sehr prominent und erfolgreich aber auch von Lucien Favre und seinen Mannschaften praktiziert wird. Im 4-2-3-1 setzen zwischen den Sechsern und dem Trio im offensiven Mittelfeld insgesamt fünf Dreiecke an - eine gute Ausgangslage für eine erfolgreiche Ballzirkulation im Zentrum. Durch den Pass in die Tiefe und die anschließende Ablage können die nachrückenden Sechser in diesem Fall nicht nur Gegner überspielen, sondern erarbeiten sich besonders gegen pressende Kontrahenten Bewegungsvorteile. Nicht selten entstehen dadurch verheißungsvolle Überzahlsituationen im Angriff.


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Noch gefährlicher, gegen Augsburg und Regensburg aber noch nicht allzu häufig und erfolgreich praktiziert, wird es bei den RB-typischen diagonalen Pässen vom (Außen-) Verteidiger zum einrückenden Außenstürmer. Asger Sörensen und Tim Handwerker versuchten sich unter anderem mit dieser Variante, wären ihre Pässe nicht hängengeblieben und stattdessen beim Angreifer angekommen, hätte dieser auf den zuvor überspielten zentralen Mittelfeldspieler klatschen lassen und in die Tiefe starten können. Auch hier entsteht eine nummerische Überzahl im Zehnerraum – und damit in der Zone, in der ein Großteil der Torchancen kreiert wird.

Eine besondere Rolle kommt dementsprechend in jenem Spielzug nicht nur den offensiven Mittelfeldspieler - gegen Augsburg Dovedan und Singh – zu, sondern auch dem Stürmer, der erst als Ziel- und Wandspieler fungiert und später die gerissenen Räume im Defensivverbund erkennen und nutzen muss. Indem er selbst den Ball fordert oder dank eines geschickten Laufweges den Raum für seinen Sturmkollegen öffnet. Eine Methode: das sogenannte "Gegner-Ziehen", umgesetzt beispielsweise in der 28. Minute gegen Regensburg. Nach einer Verlagerung hat Oliver Sorg erneut viel Platz auf der rechten Seite, dribbelt – ebenfalls typisch für das RB-Spiel – eher ins Zentrum statt die Linie entlang. Sechser Adam Gnezda Cerin hinterläuft, parallel zu dessen Bewegung sprintet Felix Lohkemper in die Schnittstelle zwischen linkem Innen- und Außenverteidiger, die somit beide gebunden werden, und öffnet den Passweg für den ballfernen Fabian Schleusener.

FLÜGELSPIEL: Der Relegations-Retter, gegen Augsburg als Flügel im 4-2-3-1 aufgeboten, war – wie alle, die jene Position bekleideten – eher zentral ausgerichtet und überließ die Außenbahn weitestgehend den Verteidigern. Diese agierten besonders in der ersten Hälfte gegen Augsburg etwas asymmetrisch: Ekin Celebi hielt sich eher in der eigenen Hälfte auf und sammelte die Ballkontakte in der ersten Zone des Spielaufbaus, Torschütze Enrico Valentini stand zumeist höher.


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Hintergrund für das sogenannte Überladen des Zentrums ist die Bestrebung, möglichst viele Spieler in der Zentrale zu halten, um bei eigenem Ballbesitz und einem Durchbrechen der äußeren Abwehrspieler den Strafraum mit teilweise fünf Akteuren zu besetzen. Ein positiver Nebeneffekt: durch den resultierenden kompakten Mittelfeldblock wird der Gegner bei Ballverlust der eigenen Mannschaft zum Kontern den weiteren Weg über die Flügel suchen.

PRESSING: Bei einem kontrollierten Ballvortrag des Kontrahenten agiert der Klauß-Club in einem durchdachten, mannorientierten Pressing mit klarer Zuordnung. Jene Maßnahme zeigte schnell Wirkung, wie Robert Klauß nach dem Duell mit dem FC Augsburg bilanzierte: "Wir haben phasenweise richtig gut überzeugen können, vor allem gegen den Ball, hatten viele Balleroberungen." Aufgrund der üblicherweise breiten Positionierung des Augsburger Defensivverbunds im Spielaufbau entstanden dadurch große Lücken, die – bei Ballgewinn – bespielt wurden. Auffällig: anders als im Mittelfeld suchte der Club in derartigen Situationen im letzten Drittel nahezu ausschließlich den Pass nach vorne und agierte somit deutlich zielstrebiger und schneller als noch in der Vorsaison.


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Das von Klauß geforderte, "aktive" Auftreten offenbarte sich auch in der Abwehrkette. Die Innenverteidiger rückten bei vertikalen Pässen der Gegner zu deren Stürmern proaktiv auf und fingen somit zahlreiche Bälle ab, noch bevor der Kontrahent diesen überhaupt berührt und damit eine Chance hatte, eine gefährliche Situation zu iniitieren. Besonders Youngster Tom Krauß gefiel dank seiner Antizipation und den, wie man im Football sagen würde, Interceptions. Exemplarisch für das Zusammenspiel der anlaufenden Angreifer und der nachrückenden Verteidiger: In der 37. Minute erhält Jahn-Youngster Elias Herzig nach einem Fehlpass von Celebi den Ball, wird von Schleusener unter Druck gesetzt und nach außen gedrängt, wo Sorg den Linksverteidiger Heister zustellt. Notgedrungen spielt Herzig den Ball flach ins Zentrum, Sörensen, der einst für die Salzburger RB-Vertretung aktiv war, hatte dies kommen sehen, fing den Pass ab und startete – als Innenverteidiger wohlgemerkt - direkt gen Regensburger Strafraum durch.

"Wild im Umschaltmoment" sollte sein Team, wie Cheftrainer Klauß bei seiner Vorstellung erklärte, agieren. Und das versuchte die Mannschaft auch, wenngleich genannter Angriff letztlich im Sande verlaufen sollte. Der Ansatz stimmte: aktives Anlaufen und Abwehren, aggressives Aufrücken, mutiges Schaffen vieler Anspielstationen im letzten Drittel - eine Aktion als Inbegriff der geplanten Kulturveränderung im Nürnberger Spiel.

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