Corona-Krise: Droht nun auch das Müll-Chaos?
2.4.2020, 05:55 UhrBeim Müll war Würzburg Patient Null in Bayern. Der Abfall-Notstand begann dort schon am 20. März. Papiertonnen quollen über, Privatkeller verwandelten sich in Altpapierlager. Die Würzburger ertranken allmählich unter der Päckchenflut, die durch den explosiven Anstieg des Online-Handels über sie hereinbrach. Der Grund für den Papierstau: In der Stadt wurden seit diesem Tag keine Papiertonnen mehr geleert.
"Was sich innerhalb von zwei Wochen an Papier ansammelt, kann man daheim ja noch ganz gut bewältigen. Man kann es gut selbst aufbewahren, es stinkt und vergammelt ja nicht gleich", meint Christian Weiß, Sprecher der Stadt Würzburg.
Windeln und Biomüll in einer Tonne
Doch die Papiertonnen waren nicht das einzige Problem in der Residenzstadt. Auch die Restmülltonnen konnten ihren Inhalt kaum mehr halten, weil dort nicht nur Windeln oder Essensreste reingestopft werden mussten, sondern auch der komplette Biomüll. Letzterer wird seit dem 20. März nicht mehr abgeholt und muss ebenfalls in die nun oft viel zu kleine schwarze Tonne gequetscht werden.
Schuld an dem Engpass ist natürlich das Coronavirus. Doch nicht die vielen kranken Mitarbeiter machen der Stadt zu schaffen, sondern vor allem ein neues Blockmodell, mit dem die Stadt auf die Virus-Gefahr reagiert. Nur noch die Hälfte der Stadtreiniger-Teams ist unterwegs, die andere Hälfte bleibt im Wechsel immer eine Woche daheim. So wird das Infektionsrisiko gesenkt – gleichzeitig aber eben auch die Leistungsfähigkeit der Müllabfuhr.
Straßenreinigung nur noch punktuell
Seit Montag werden immerhin wieder die Papiertonnen geleert, wenn auch nicht nach Plan. Über eine App können sich die Würzburger informieren, wo die Stadtreiniger gerade herumkurven und ob sie bald von ihrem Papierberg erlöst werden. Biomüll muss aber weiterhin mit dem Restmüll entsorgt werden. Sperrmüllsammlungen sind ausgesetzt, die Straßenreinigung wird nur noch punktuell durchgeführt.
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Verglichen mit Würzburg leben die Fürther derzeit noch im Müllabfuhr-Schlaraffenland. Hier gibt es noch immer "Vollservice". Das heißt: Zwei Mitarbeiter gehen durch die Straßenzüge, ziehen Rest- und Biomülltonnen von den Grundstücken zur Straße, ein weiterer Mitarbeiter stellt am Schluss alle Tonnen wieder zurück. Den Abfuhrtermin kann man da als Bürger getrost mal vergessen, die Stadt erledigt ja alles für einen.
Doch künftig ist das anders. Schon bald stellt die Stadt Fürth den Vollservice ein. Der Grund: Vier Mitarbeiter (plus der Fahrer) sind normalerweise mit dem Fahrzeug unterwegs. Leidet nur einer von ihnen unter Covid-19, fallen gleich alle aus.
"Ohne Vollservice brauchen wir nur noch zwei Lader. Die anderen zwei bleiben daheim. Nach jeweils einer Woche wechseln sie sich ab", erklärt Antonius Kaiser, Leiter der städtischen Abfallwirtschaft. Weil die eigenen Teams dann die Papierentsorgung nicht mehr schaffen, übernimmt das künftig eine Fremdfirma. Dadurch könnten die Tonnen allerdings auch mal ein, zwei Tage länger stehen bleiben
Mitarbeiter kommen mit eigenem Fahrzeug
Schon jetzt kommen die Teams morgens und nachmittags zeitversetzt bei der Zentrale an, damit nicht alle gemeinsam in der Umkleide stehen. Die Mitarbeiter können mit ihren eigenen Autos zum Startpunkt der jeweiligen Tour fahren. "Sonst würden fünf Leute auf engstem Raum im Fahrzeug sitzen", verdeutlicht Kaiser.
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Die Biomülltonne wird in Fürth zwar noch abgeholt, der Kompostplatz Burgfarrnbach hat aber geschlossen. In normalen Zeiten könnten die Bürger neben die Tonne auch noch einen 60-Liter-Biomüll-Papiersack stellen – doch die 20 Ausgabestellen haben derzeit nicht geöffnet.
Damit die Bürger nicht in Zweigen, Unkraut und gemähtem Rasen ersticken, hat sich der Landkreis Neumarkt entschieden, seinen Wertstoffhof nach einer Woche Schließzeit wieder zu öffnen. Ausschließlich für die Annahme von Grüngut allerdings. "Es dürfen immer maximal zehn Personen aufs Gelände. So kann man gut Abstand halten", sagt Michael Gottschalk, Sprecher des Landkreises. Auch die meisten anderen Wertstoffhöfe im Landkreis haben wieder geöffnet.
Ministerium warnt vor unhygienischen Verhältnissen
So empfiehlt das eigentlich auch das bayerische Umweltministerium. "Vermehrt wurde uns im Lauf der letzten Woche jedoch zugetragen, dass in einzelnen Entsorgungsgebieten die Entsorgung von Abfällen über Wertstoffhöfe nicht mehr gewährleistet wird. In Konsequenz werden Wertstoffe und vereinzelt auch Bioabfälle zunehmend über die Restmüllbehälter entsorgt, was zu überquellenden Mülltonnen und damit zu unhygienischen Zuständen führen kann", warnt Ministerialdirigentin Monika Kratzer in einem Schreiben.
Tatsächlich hält sich fast keiner an diese Empfehlung des Umweltministeriums, zu groß ist die Angst vor dem Virus. An die Bürger wird appelliert, ihren Entrümpelungswahn trotz Homeoffice und Kurzarbeit zu zügeln. So auch im Landkreis Forchheim, wo sämtliche Wertstoffhöfe geschlossen haben.
Nur noch die Deponie Gosberg hat für Gewerbetreibende geöffnet. "Wir hatten den Wertstoffhof länger offen als andere im Umkreis. Dadurch sind viele zu uns gekommen, da war das mit dem Abstandhalten schwierig. Außerdem haben viele ihre Kinder mitgebracht, die unbeaufsichtigt auf dem Gelände herumgelaufen sind. Das ist aber lebensgefährlich mit den Lkw hier", sagt Daniel Strauß, beim Landkreis Forchheim für die Abfallberatung zuständig.
In Fürth gibt es nur einen Notbetrieb
Auch in Fürth haben die Recyclinghöfe geschlossen, sogar für Gewerbetreibende. "Wir haben nicht die Kapazitäten, die Leute zu trennen und Blockabfertigung zu machen. Auch die Stauflächen sind nicht da. Die Autos würden sich sofort auf die Straße stauen und dort zu großen Problemen führen", sagt Antonius Kaiser. Für dringende Notfälle, zum Beispiel eine Wohnungsauflösung, können aber Termine ausgemacht werden.
Im Bereich der Gelben Säcke immerhin läuft bislang alles nach Plan. So auch bei der Städtereinigung Ernst aus Gunzenhausen, die die Plastikverpackungen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, aber auch in Ansbach und Teilen Nürnbergs einsammelt.
Virusgefahr beim Kanalreinigen
Normalerweise holt das Unternehmen auch die Wertstoffe von 60 Recyclinghöfen ab. Weil die Höfe dicht sind und weil wegen der Virusgefahr durch Spritzwasser auch der Geschäftsbereich Kanalreinigung wegfällt, sind etwa 20 Prozent der 360 Mitarbeiter zuhause und bekommen nur noch Kurzarbeitergeld.
Baufirmen, Handwerker und andere Gewerbetreibende (und gegen Gebühr auch Privatleute) werden ihren Abfall immerhin noch bei privatwirtschaftlichen Entsorgern los. Zum Beispiel bei den Grünen Engeln im Nürnberger Hafen, dem nach eigenen Angaben größten Verwertungszentrum in Bayern. Dort läuft der Betrieb noch normal mit den üblichen Öffnungszeiten, natürlich mit getrennten Schichten und zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen.
"Wir merken aber schon, dass jetzt deutlich weniger Material ankommt. Von Messebauern und Gastrobetrieben kommt jetzt praktisch gar kein Abfall mehr, auch von Kfz-Zulieferern ist es deutlich weniger geworden. Selbst von den Baustellen kommt weniger Mischabfall. Dort fehlen osteuropäische Arbeitskräfte, teilweise aber auch Baumaterial und Ersatzteile", erklärt Florian Lankes, Geschäftsführer der Grünen Engel.
Keiner weiß, was noch alles auf die Entsorger zukommt und wo die nächsten Engpässe entstehen. Sicher ist aber auch: "Wir brauchen auch ein Konzept für die Zeit, wenn wir wieder aufsperren und komplett überrannt werden. Auch dann ist die Virus-Gefahr nicht vorbei und Abstand bleibt wichtig", betont Antonius Kaiser von der Stadt Fürth.
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