Verloren im Genre-Dschungel?

Krimi oder Thriller? Was ist eigentlich der Unterschied?

Benedikt Dirrigl

Redakteur

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13.03.2025, 12:17 Uhr
Spannung sorgt für Verwirrung: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Krimis und Thrillern?

© IMAGO / imagebroker Spannung sorgt für Verwirrung: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Krimis und Thrillern?

Vorneweg: Eine genaue Definition lässt sich vermutlich nicht finden. Selbst manche Verlage schreiben "Thriller" auf ihre Buchtitel, obwohl diese dann von vielen Leserinnen und Lesern eher als Krimis oder Spannungsromane empfunden werden. Auch gibt es sicherlich eine große Schnittmenge zwischen den beiden Genres. Aber ein paar Merkmale gibt es dann doch, die entweder für Krimi oder Thriller sprechen.

Unterschied zwischen Krimi und Thriller: Die wichtigsten Merkmale

Der wohl größte Unterschied ist die Intensität der Spannung. Während ein Krimi sich meistens hauptsächlich mit der Aufklärung eines Verbrechens befasst, das Rätsel also im Vordergrund steht, muss bei Thriller in der Regel ein Verbrechen verhindert werden. Die Spannung bleibt so intensiver erhalten, bis das Verbrechen wirklich abgewendet wurde.
Diese Intensität ist allerdings eher subjektiv. Was für den einen Leser schon nervenaufreibend spannend sein kann, ist für den anderen vielleicht eher ein gediegenes Rätselraten. Welche Merkmale gibt es also noch?

Die Hauptfigur

Da im Krimi die Aufklärung eines Verbrechens im Zentrum steht, ist die Hauptfigur in der Regel die Person, die in dem Fall nicht nur ermittelt, sondern den Fall letztendlich auch aufklärt. Es sind meist irgendwie geartete Profis, ob nun Polizeibeamte oder Privatermittler. Beim Thriller kann das ebenfalls zutreffen, es ist jedoch auch möglich, dass die Hauptperson mehr oder weniger zufällig in die Handlung gerutscht zu sein scheint und jedweden Beruf haben kann.

Wann tritt die Hauptfigur auf, und was ist ihre Aufgabe?

Beim Krimi wird die Hauptfigur normalerweise erst als solche erkennbar, wenn das Verbrechen bereits geschehen ist. Anschließend wird sie mit der Aufklärung betraut. Das passt zum Beispiel auf Agatha Christies "Das fehlende Glied in der Kette". Auch wenn Hercule Poirot bereits vor dem Mord an Emily Inglethorpe seinen ersten Auftritt hat, wirkt er noch eher wie eine skurrile Nebenfigur. Erst, als er mit der Aufklärung des Falles beginnt, wird deutlich, dass es sich um den legendären belgischen Detektiv handelt.

In vielen Krimireihen ist jedoch bereits vorher deutlich klar, welche Charaktere die Hauptrollen einnehmen. Ihre Präsenz im Zusammenhang mit dem Verbrechen wird aber erst dann klar, nachdem das Verbrechen verübt wurde. Ihre Aufgabe ist also ganz eindeutig: Ein bereits verübtes Verbrechen muss aufgeklärt werden.

Auch wenn die Grenzen hier verschwimmen, stellt das einen deutlichen Unterschied zum Thriller dar. Denn die Aufgabe der Hauptfigur eines Thrillers mag zwar sein ein in der Vergangenheit liegendes Verbrechen aufzuklären, viel wichtiger ist es aber, auch zukünftige Verbrechen zu verhindern. Am Ende eines Thrillers steht oftmals der Tod des Bösewichts.

Befindet sich die Hauptfigur in Gefahr?

Auch hier ist die Antwort subjektiv. Denn ein Detektiv oder polizeilicher Ermittler, der einen Verbrecher sucht, wird sich meistens irgendwie in Gefahr begeben. Doch liegt das beim Krimi eher in der Natur der Sache. Gerade der klassische ‚Gentleman-Detektiv‘ handelt oft kühl und analysierend von außen. Die handfeste und gefährliche ‚Drecksarbeit‘ überlassen sie oft anderen. Dennoch begeben sich die ermittelnden Figuren in Krimis meist in vertrackte und riskante Situationen.

Beim Thriller fällt das normalerweise extremer aus. Wenigstens einmal befindet sich unsere Hauptfigur in unmittelbarer Lebensgefahr, oft ist sie selbst sogar das Ziel des Verbrechens.

Wie viel Gewalt gibt es in der Geschichte?

Da beim Krimi das Verbrechen häufig in der Vergangenheit stattgefunden hatte oder zumindest die Handlung gleich damit beginnt, ist die Gewalt eher weniger präsent und oft abgeschwächt. Detaillierte Beschreibungen von Gewalttaten dienen oft dem Zweck, Hinweise auf die Lösung des Verbrechens zu geben.

Beim Thriller ist Gewalt ein wichtiger Bestandteil des Genres. Diese kann physisch oder psychisch ausfallen, doch macht sie einen zentralen Punkt des Spannungsbogens und des "Thrills" aus.

Fließende Grenzen zwischen Krimis und Thrillern: Drei Beispiele

Dieser "Thrill", der auch namensgebend für das Genre ist, hebt den Thriller wohl am meisten vom klassischen Krimi ab. Am einfachsten ist die fließende Grenze zwischen den Genres wohl anhand von Beispielen zu verdeutlichen.

Der Inbegriff des Krimis: Agatha Christies Hercule Poirot

Hercule Poirot ist ein pensionierter Kriminalpolizist. In seiner Heimat Belgien war er ein legendärer Ermittler - definitiv ein professioneller Hintergrund also. Seitdem wird er immer wieder in seiner Funktion als Privatermittler herangezogen. Ob im Orient-Express oder auf dem Gut Styles in "Das fehlende Glied in der Kette": Poirots Aufgabe ist es stets, ein Verbrechen im Nachhinein aufzuklären. Die vorangehende Handlung lässt sich eher als Einleitung beschreiben. Er selbst befindet sich dabei selten in unmittelbarer Gefahr. Zwar befindet sich ein oder mehrere Mörder in seiner nächsten Umgebung, Poirot selbst wird jedoch nicht angegriffen.

Thriller und Krimi in einem: "Mörderfinder - Die Muster des Bösen" von Arno Strobel

Dass ein Buch gleichzeitig Thriller und Krimi sein kann, wird bei Arno Strobels Mörderfinder deutlich. Auf der einen Seite sind der Hauptcharakter Max Bischoff und sein Kollege Dr. Marvin Wagner professionelle Ermittler. Auf der anderen Seite allerdings werden sie mit einem Fall betraut, der gerade in vollem Gange ist: die Entführung eines Kindes. Der Spannungsbogen nimmt gleich zu Beginn Fahrt auf. Diese Spannung könnte zwar abflachen, als die Leiche des Jungen auftaucht, doch ein weiterer Mord hält den Schwung aufrecht. Max Bischoff selbst befindet sich auch zu einem Zeitpunkt in unmittelbarer Gefahr, noch mehr aber sein Kollege Dr. Marvin Wagner, der ebenfalls vom Täter entführt wird.

Auf dem Titelblatt von "Mörderfinder - Das Muster des Bösen" steht zwar Thriller, doch ist dieses Buch eindeutig beides - Thriller und Krimi. Hier wirkt es so, als wäre der Thriller einfach eine Art Subgenre des Krimis, der etwas spannender, intensiver und gewalttätiger daher kommt. Doch es gibt auch Thriller, die viel weniger mit Krimis gemeinsam haben.

„Dunkel - Die Todgeweihten von Temeswar“ von Thomas Bagger: Düsterer Skandinavien-Thriller

Die wenigen Gemeinsamkeiten zwischen "Dunkel - Die Todgeweihten von Temeswar" und einem Krimi sind schnell aufgezählt. In der ungeschriebenen Vorgeschichte war Protagonist David verdeckter Ermittler in einem rumänischen Kartell. Zu Beginn der Handlung reist er zurück nach Temeswar, weil dort ein Gewaltverbrechen an einem anderen Polizisten verübt wurde, für dessen Aufklärung er sich verantwortlich fühlt.

Ab dann reden wir hier von einem astreinen Thriller. Von Beginn an befindet sich David in unmittelbarer Gefahr, den seine Tarnung als Undercover-Polizist scheint aufgeflogen zu sein. Er reist zurück in die Höhle des Löwen, um den Mafiaboss, der hinter ihm her ist, unschädlich zu machen. Ohne Back-Up handelt er außerhalb des Gesetzes. Auch wenn er also eigentlich professioneller Ermittler ist, ist er in der Geschichte eher als Privatperson unterwegs. Hinzukommt die detaillierte Schilderung von Gewalttaten und grausigen Situationen, die die Spannung noch intensivieren, bis es zum actiongeladenen Finale kommt.

Man sieht also: eine Trennung zwischen Krimi und Thriller ist schwierig, aber nicht unmöglich. Viele Thriller sind auch gleichzeitig irgendwie Krimis, doch gibt es auch eindeutige Beispiele für die jeweiligen Genres.

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