Experten: Eine App kann den Corona-Lockdown beenden

Tobi Lang

Online-Redakteur

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4.4.2020, 16:37 Uhr
Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in eine App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten, die aktuell in Berlin getestet wird.

© Kay Nietfeld/dpa Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in eine App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten, die aktuell in Berlin getestet wird.

Die Zukunft, die Speerspitze im Kampf gegen Epidemien wird derzeit in einer Bundeswehr-Kaserne in Berlin erprobt. "Mit Hochdruck" arbeite man gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) an einer App, mit der sich Corona-Infizierte tracken lassen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer erst kürzlich. Normalerweise dauert der Prozess von der Idee bis zum Praxis-Einsatz bei staatlichen Software-Anwendungen Jahre. Doch jetzt muss es schnell gehen. Die Pläne zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten per Handy werden auf eben jener Kaserne im Norden der Hauptstadt, unweit des Flughafen Tegels, konkret. 50 Soldaten beteiligen sich dort an einem Test für eine App, die das Fraunhofer-Institut entwickelt hat. Sie soll zeigen, wann man Kontakt zu einem nachweislich Infizierten hatte.

Beendet Technik die Krise? Darauf hofft die Bundesregierung, die im Hintergrund an möglichen Exit-Szenarien für die Zeit nach den Ausgangsbeschränkungen feilt. Ein Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der Kontaktpersonen von Corona-Patienten per Handy-Standortdaten tracken lassen wollte, wurde nach heftiger Kritik aus der Opposition und der SPD auf Eis gelegt. Zu groß seien die Datenschutzbedenken. Jetzt arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit dem RKI und etwa dem Fraunhofer-Institut an freiwilligen Lösungen. Wann die "Stopp-CoronaApp" auf den Markt kommt, ist noch unklar. Doch es soll schnell gehen.

Neue Studie: Das bringt eine Tracking-App im Corona-Kampf

Rückenwind bekommt die Regierung jetzt durch eine neue Studie. Der Epidemiologe Christophe Fraser von der Universität Oxford hat dabei gemeinsam mit Kollegen in ganz Europa untersucht, wie eine hypothetische Tracking-App die Ansteckungsrate beeinflusst, wenn sich der Virus derart schnell ausbreitet wie in der Anfangszeit von Wuhan, wo der Erreger das erste Mal nachgewiesen wurde. Das Ergebnis: Wenn rund 60 Prozent der Bevölkerung eine solche App nutzen würden und gleichzeitig gut 60 Prozent derjenigen, die per SMS oder Push-Nachricht von dem Kontakt zu einem Infizierten erfahren zu Hause blieben, könne die Software eine Epidemie stoppen. Konkret heißt das: In diesem Fall könne man erreichen, dass jeder Infizierte weniger als 0,9 Menschen ansteckt.

Die Bundesregierung wäre damit mit ihrer "Stopp-Corona-App" auf genau dem richtigen Weg. In seinem täglichen NDR-Podcast spricht Christian Drosten, Virologe an der Berliner Chartié, von einem Hoffnungsschimmer. "Das ist schon eine echte Perspektive", sagt der Experte, "in dieser im Moment mit einiger Verzweiflung geführten Diskussion in der Gesellschaft: Wie kommen wir raus aus diesen Maßnahmen?"

Persönliche Daten werden nicht gespeichert

Bei einer einfachen Rückverfolgung von Kontakten, wie sie derzeit von Behörden in ganz Deutschland praktiziert wird, komme die Identifikation in der Regel zu spät, sagt Drosten. Wichtig sei, "dass ein symptomatischer Patient nicht erst eine ganze Zeit symptomatisch ist, bevor er dann mal getestet wird". Genau hier könne eine App helfen, die Menschen, die Kontakt mit Infizierten hatten, direkt zu einem Test aufruft. All das könne einen Lockdown überflüssig machen, Geschäfte und Schulen dürften wieder öffnen, die Ausgangsbeschränkungen könnten schrittweise abgebaut werden. Einige Staaten in Asien setzen auf derartige Maßnahmen, etwa Taiwan, das Handydaten von Privatpersonen nutzt.

Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, das an der freiwilligen App für Europa arbeitet, zerstreut Datenschutzbedenken. Es gehe um eine anonymen Ansatz zur Kontaktverfolgung, "der in voller Übereinstimmung mit der Datenschutzverordnung ist und auch bei Reisen zwischen Ländern über einen anonymen, länderübergreifenden Austauschmechanismus verwendet werden kann", zitiert die Deutsche Presse-Agentur die Forscher. Persönliche Daten werden dabei werder gespeichert noch übertragen.

Die SPD signalisiert Zustimmung. Die Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber etwa hält die freiwillige App-Lösung für einen gangbaren Weg, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sagte der Rheinischen Post: "Da der Schutz der Gesundheit der Bürger im Mittelpunkt steht, werde ich natürlich auch meine Handy-Bewegungsdaten freiwillig abgeben." Probleme sehe er bei der App, die in Berlin derzeit getestet wird, nicht.


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