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Habe ich ein Lipödem - oder einfach dicke Beine?

24.4.2024, 11:27 Uhr
Wenn die Fettzellen krankhaft verändert sind, spricht man von einem Lipödem. Aber wie erkennt man das?

© IMAGO / Pond5 Images Wenn die Fettzellen krankhaft verändert sind, spricht man von einem Lipödem. Aber wie erkennt man das?

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Frauen, die von einem Lipödem betroffen sind, können in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt sein und unter Schmerzen leiden. Bislang gibt es nur wenig Wissen über die genauen Ursachen des Lipödems. Auch die Diagnose ist nicht einfach, weshalb es nicht selten zu Fehldiagnosen kommt.

Doch welche Anzeichen sprechen für ein Lipödem? Gibt es neben Lipödem-Beine auch Lipödem-Arme? Welche Stadien gibt es und wie kann man ein Lipödem behandeln?

Ein Lipödem ist eine chronische Erkrankung und bezeichnet eine ungleichmäßige Fettverteilung im Körper. Veränderte Fettzellen und Wassereinlagerungen finden sich häufig an den Oberschenkeln, manchmal auch an den Armen. Von der Krankheit sind fast nur Frauen betroffen. Man spricht auch vom Reiterhosensyndrom, kurz Reiterhosen, oder einem Säulenbein.

Oftmals tut ein Lipödem beim Drücken weh, womit es sich von einfachem Übergewicht oder Adipositas unterscheidet. Es kann auch ohne Druck Schmerzen versuchen.

Am häufigsten ist ein Lipödem an den Oberschenkeln. Der Po kann ebenfalls betroffen sein, ebenso Arme und Unterschenkel. Allerdings entwickelt sich ein Lipödem nie am Bauch, Brustkorb, Händen oder Füßen. Infolgedessen unterscheiden sich die Proportionen zwischen den erkrankten Bereichen und dem Rest des Körpers.

Bei rund 66 Prozent der Erkrankten sind nur die Beine, bei 31 Prozent auch die Arme betroffen. In seltenen Fällen bilden sich Lipödeme nur an den Armen.

In der Regel beginnt das Lipödem in einer Phase hormoneller Veränderungen wie beispielsweise der Pubertät, der Schwangerschaft oder der Wechseljahre. Wenn dies in seltenen Fällen bei Männern auftritt, dann oftmals im mittleren Lebensalter.

Häufig hört man den Spruch "Das sind bestimmt nur dicke Beine". Lipödeme können mit Übergewicht oder einem Lymphödem verwechselt werden. Teilweise treten diese drei auch in Kombination auf. Damit ist die genaue Häufigkeit des Lipödems tatsächlich unbekannt.

Dennoch handelt es sich bei einem Lipödem um eine ernstzunehmende Krankheit, die klar abzugrenzen ist von Adipositas. Daher sollten stigmatisierende Begriffe wie "dicke-Beine-Krankheit" vermieden werden.

Zusätzlich zu den sichtbaren Fettvermehrungen verspüren Betroffene regelmäßig auftretende, spürbare Beschwerden wie Schmerzen oder eine erhöhte Druckempfindlichkeit der Haut. Zudem neigen sie zu blauen Flecken an den betroffenen Gliedmaßen.

Laut einer Studie könnten etwa zehn Prozent der Frauen in Deutschland an einem Lipödem leiden. Demnach dürften rund 4 Millionen Frauen hierzulande betroffen sein. In etwa 50 Prozent der Fälle geht ein Lipödem mit deutlichem Übergewicht einher, etwa ein Viertel hat Normalgewicht, ein weiteres Viertel ist etwas übergewichtig.

Es wird vermutet, dass viele Betroffene gar nichts von ihrer Erkrankung wissen. Die Symptome werden dann als Folge einer ungesunden Ernährung oder Bewegungsmangel abgetan.

Tatsächlich kann eine Ernährungsumstellung wie Clean Eating hilfreich sein, wenn man an einem Lipödem leidet. Jedoch sollte im ersten Schritt immer ein Arzt aufgesucht werden.

Bislang ist die genaue Ursache für das Lipödem noch ungeklärt. Die konkrete Abfolge von körperlichen Prozessen, die zu der Krankheit führen und auch die spezifische Rolle der Hormone sind noch nicht vollständig verstanden.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen haben bereits in ihrer Verwandtschaft Bekannte mit dem gleichen Problem, sodass Vererbung eine Rolle spielen kann. Allerdings wurde noch kein Gen erforscht, welches Lipödeme wirklich konkret verursachen könnte. Zudem treten die Veränderungen im Gewebe häufig nach hormonellen Veränderungen auf, manchmal auch nach einer Verletzung.

Im Unterschied zum Fettgewebe bei gesunden Frauen enthält dieses bei einem Lipödem mehr Fettzellen, die durch das Bindegewebe zusammengehalten werden. Die winzigen Blutgefäße unter der Haut, die normalerweise für den Transport von Flüssigkeit zuständig sind, werden bei dieser Krankheit geschädigt. Dies führt zu einer erhöhten Durchlässigkeit. Dadurch gelangt mehr Wasser ins Fettgewebe und sammelt sich dort an. Die Wasseransammlungen zwischen den fest miteinander verbundenen Fettzellen verursachen ein Gefühl von Druck, Spannung und Schmerzen.

Die erkrankten Bereiche fühlen können sich schwer und geschwollen anfühlen und die Beweglichkeit einschränken. Da die Gliedmaßen durch Flüssigkeitsansammlungen schwerer werden, können Lipödeme auch die Gelenke belasten.

Um ein Lipödem zu erkennen, sollte man auf einige Beschwerden und Symptome achten. Aber welche Lipödem-Symptome gibt es bei Armen und Beinen?

Ohne Fachwissen ist es schwierig, zwischen dem Lipödem und Übergewicht oder Adipositas zu unterscheiden. Deswegen sollte man zuerst zur Hausärztin oder zum Hausarzt gehen, wenn man ein Lipödem vermutet. Anschließend geht es zu einem Facharzt weiter, einem Lymphologen oder einem Phlebologen. Da ein Lipödem in der Regel mit hormonellen Veränderungen einhergeht, sollte man auch die Schilddrüse untersuchen lassen.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie e.V. (DGP) ist ein zentrales Merkmal für ein Lipödem eine symmetrische Vermehrung des Fettgewebes, die häufig die untere Körperhälfte betrifft. Akute Symptome umfassen Schmerzen, eine Neigung zu blauen Flecken, erhöhte Druckempfindlichkeit der Haut sowie schwere und geschwollene Beine. Auf Dauer kann sich ein Lipödem auf das Gangbild auswirken, vorzeitigen Gelenkverschleiß hervorrufen und zu einer Fehlstellung der Gelenke führen.

Gemäß dem Universitätsspital Zürich (USZ) kann ein Lipödem auch Spannungs- und Hitzegefühle auslösen. Dies kann dann selbst ohne Druck schmerzhaft sein. Vor allem bei hohen Temperaturen, langem Sitzen oder Stehen verschlimmern sich die Symptome.

Leidet man unter einem Lipödem, fällt das Abnehmen schwer, insbesondere an den betroffenen Körperstellen. Die krankhaft veränderten Fettzellen reagieren nur wenig auf ein Kaloriendefizit und lassen sich auch nicht wegtrainieren. Gewicht verliert man somit an anderen Körperteilen. Dennoch ist das Abnehmen bei Übergewicht sinnvoll, um Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Beim Lipödem wird zwischen drei verschiedenen Stadien (basierend auf den Hautveränderungen) differenziert.

Stadium 1:

Stadium 1 beschreibt ein mildes Lipödem, das kaum sichtbar und somit schwer zu erkennen ist. In diesem Stadium ist die Haut meist glatt, wobei leichte Dellen und Unebenheiten möglich sind. Beim Ertasten des Fettgewebes unter der Haut spürt man teilweise schon leichte "Kügelchen". Der Umfang an Hüfte und Beinen steigt etwas. Viele Betroffene meinen dann, sie hätten lediglich zugenommen.

Die Bereiche fühlen sich weich an und können nach langem Sitzen oder Stehen leicht anschwellen. Manche Betroffene haben schon starke Schmerzen, andere keine.

Stadium 2:

In Stadium 2 handelt es sich um ein moderates Lipödem. Die Symptome werden deutlicher sichtbar. Die Haut sieht wellig aus, während sich gleichzeitig Knoten und Beulen bilden. Das zusätzliche Volumen an Beinen, Hüften und gegebenenfalls auch Armen ist nun deutlich zu erkennen.

Berührungen der betroffenen Stellen sind oftmals schmerzhaft, weshalb die Mobilität zunehmend eingeschränkt ist. Das veränderte Fettgewebe mitsamt Wassereinlagerungen drückt auf das umliegende Gewebe und die Blutgefäße. Man bekommt leichter blaue Flecken. Zudem können auch Hände und Füße anschwellen, wenn der Lymphfluss nicht mehr richtig funktioniert.

Stadium 3:

Das dritte und letzte Stadium beschreibt ein schweres Lipödem. Dann ist auch eine deutliche Zunahme des Fettgewebes erkennbar. An der Stelle, wo das veränderte Gewebe endet, bemerkt man einen deutlichen Übergang.

Das Bindegewebe unter der Haut verdichtet sich, sodass die Haut verhärtet. Auf der Haut treten starke Unebenheiten auf, dazu kommen große und schmerzhafte Knoten. Hat man Lipödeme an den Beinen, stören sie beim Laufen. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für Hautentzündungen und Lymphödeme (Erkrankung des Lymphsystems mit Ansammlungen von Lymphe im Gewebe).

Neben den genannten Stadien gibt es unterschiedliche Schweregrade eines Lipödems - je nachdem, wo sich Fett- und Wasseransammlungen im Körper bilden.

  • Typ 1: Fettablagerungen in Hüften und Gesäß
  • Typ 2: Fettablagerungen von den Hüften bis zu den Knien
  • Typ 3: Fettablagerungen von den Hüften bis zu den Knöcheln
  • Typ 4: Typ 3 + zusätzlich in den Armen bis zu den Handgelenken
  • Typ 5: Typ 4 + Lymphödem bis zu den Fingern und Zehen

Um das Lipödem zu erkennen, sind Phlebologen (Venenärzte), Lymphologen und Gefäßspezialisten die richtigen Ansprechpartner.

Da ein Lipödem nicht in seiner Ursache geheilt werden kann, sollen in der Therapie die Symptome verbessert und eine weitere Zunahme der Fettansammlungen verhindert werden.

Vor allem Kompressionstherapie, manuelle Lymphdrainage und Bewegung sind wichtige Bestandteile bei einem fortgeschrittenen Stadium des Lipödems.

Kompressionstherapie

Die Kompressionstherapie verzögert beziehungsweise stoppt die Zunahme des Lipödems und kann auch effektiv die Schmerzen lindern. Damit der Effekt auch wirksam ist, müssen Betroffene ihre Kompressionsstrümpfe, -leggings oder -strumpfhosen regelmäßig tragen. Wer möchte, kann dazu noch eine apparative intermittierende Kompression (Kompressionsbehandlung mit Geräten) ausprobieren.

Manuelle Lymphdrainage

Die manuelle Lymphdrainage gehört vor allem in fortgeschrittenen Stadien zum festen Bestandteil der Therapie. Bei der Behandlung wird eine spezielle Massagetechnik eingesetzt, um den Abtransport von Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe zu fördern. Einige Experten kritisieren diese Empfehlung als zu allgemein. Diese empfehlen, die manuelle Lymphdrainage erst zu verschreiben, wenn ein Lymphödem zweifelsfrei diagnostiziert wurde und unter der Bedingung, dass die Kompressionstherapie konsequent angewendet wird.

Gewichtsreduktion

Gleichzeitig sollten übergewichtige Betroffene abnehmen und Frauen mit Normalgewicht versuchen, ihr Gewicht zu halten. Menschen mit Lipödem sollten besonders darauf achten, dass ihr Gewicht nicht weiter zunimmt, da dies die Symptome verschlimmern kann. Durch regelmäßige körperliche Aktivität und gegebenenfalls einer Anpassung der Ernährungsgewohnheiten können die Betroffenen eine weitere Gewichtszunahme verhindern und proaktiv dabei helfen, bereits vorhandenes Übergewicht zu reduzieren.

Einige Patienten haben positive Erfahrungen mit der ketogenen oder zumindest kohlenhydratreduzierten Ernährung gemacht, um Symptome zu lindern. Erstere ist allerdings eine eher drastische Ernährungsumstellung, die man am besten unter ärztlicher Aufsicht angeht. Ärzte können auch bei der Entscheidung helfen, ob eine Ernährungsumstellung sinnvoll ist und wie genau die neue Ernährung aussehen sollte.

Sport und Bewegung

Auch Bewegung hilft bei einem Lipödem. Vor allem Sportarten im Wasser sind hilfreich (z.B. Schwimmen oder Aqua-Jogging). Denn diese sind gelenkschonend, zudem fühlt sich der Wasserdruck oft gut an.

Aber auch Radfahren, Joggen, Walking oder Gymnastik können sich eignen.

Fettabsaugung

In einigen Fällen kann eine Fettabsaugung effektiv sein, bei der die krankhaften Fetteinlagerungen mit einer Operation reduziert werden. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Lipödem nicht wieder neu auftritt.

Lipödeme sind nicht heilbar, da ihre Ursachen ungeklärt sind. Deshalb konzentrieren sich die Behandlungsmöglichkeiten hauptsächlich darauf, die Symptome zu lindern. Obwohl die Fett- und Wasseransammlungen verringert werden können, ist dies nicht bei allen Patienten der Fall. In der Regel beginnt die Behandlung eines Lipödems ab dem 2. Stadium, wenn die Fettansammlungen im Bindegewebe Schmerzen verursachen und sichtbar werden.

Das primäre Ziel der Therapie besteht darin, die Beschwerden zu lindern und mögliche Komplikationen zu verhindern. Eine wichtige Maßnahme ist die Entstauung des betroffenen Gewebes, um die Wasseransammlungen zu reduzieren.

Die bereitgestellten Informationen sind allgemeiner Natur und nicht zur Selbst-Diagnose gedacht. Sie können den Besuch beim Arzt nicht ersetzen.