Bislang Bankdrücker: Cerin und der FCN - noch hakt's

21.7.2020, 13:16 Uhr
Adam Gnezda Cerin wusste in der abgelaufenen Spielzeit nicht zu überzeugen, nur einmal spielte der 21-Jährige von Beginn an.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Adam Gnezda Cerin wusste in der abgelaufenen Spielzeit nicht zu überzeugen, nur einmal spielte der 21-Jährige von Beginn an.

Beim 1. FC Nürnberg erinnert man sich gerne an Ilkay Gündogan. Der gebürtige Gelsenkirchener wechselte im Februar 2009 aus der U19 des VfL Bochum zum Club, am Neuen Zabo debütierte er nur drei Monate später im Alter von 18 Jahren unter Trainer Dieter Hecking gegen 1860 München in der 2. Bundesliga, gegen die Münchener Löwen sorgte der mittlerweile 29-Jährige nach seiner Einwechslung in der 62. Minute durch zwei ruhende Bälle für mächtig Torgefahr. Auf seine Premieren-Partie am 24. Mai 2009 folgten 52 weitere Partien im rot-schwarzen Trikot – und dann: eine deutsche Meisterschaft, zwei Titel in der Premier League und 37 Einsätze für die DFB-Elf.

Startelf-Debüt wird zu Albtraum auf großer Bühne

Jener 2:1-Sieg im Mai 2009 galt als Geburtsstunde eines späteren Vorzeige-Youngsters, einer der rar gesäten Spieler, für die sich der 1. FC Nürnberg als Sprungbrett für höhere Sphären empfehlen konnte. Seitdem gelang es dem ruhmreichen Altmeister nicht, sich als Top-Adresse für junge, ambitionierte und aufstrebende Talente zu profilieren – auch, weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt.

Adam Gnezda Cerin gilt nach seinem ersten Jahr am Valznerweiher als eine solche Fehleinschätzung: Nur fünfmal lief der 21-Jährige in der abgelaufenen Zweitliga-Saison für den FCN auf, in seinen insgesamt 89 Spielminuten wusste der zuvor hochgehandelte Slowene nicht zu überzeugen. Symptomatisch für eine Zusammenarbeit voller Fehleinschätzungen, Irrtümer und Verkennungen war zweifelsohne der erste und bis dahin einzige Startelf-Einsatz des zentralen Mittelfeldspielers.

In der ersten Partie des neuen Jahres 2020 ist es soweit, Adam Gnezda Cerin, der in der Wintervorbereitung offenbar zu überzeugen wusste, läuft in einem Zweitliga-Spiel erstmals von Beginn an im Trikot des 1. FC Nürnberg auf. Auf der traditionsreichen Bühne des Hamburger Volksparkstadions möchte der Slowene einen Neustart wagen – persönlich, aber auch im Hinblick auf die verkorkste erste Halbserie seines Teams.

Unter den Augen von 39.985 Zuschauern agiert der Slowene, der bei seinem Ausbildungsverein in einem zumeist nur zum Drittel besetzten, 3.100 Personen fassenden Športni Park Domžale spielte, nicht wie gewohnt auf der Acht, sondern defensiver im 4-2-3-1 auf der Sechs – und ist damit vollends überfordert. In der 17. Minute verbucht der 21-Jährige einen folgenschweren Ballverlust, über Kittel und Jatta entsteht der Führungstreffer zu Gunsten der Hanseaten. Ansonsten: eine gelbe Karte und keine einzige positive nennenswerte Aktion. Auf den unterirdischen Auftritt (NN-Note 6) folgte die wohl größte Schmach für einen Fußball-Profi – eine leistungsbedingte Auswechslung noch vor der Pause.


1:4 in Hamburg - Der FCN vergeigt den Neustart


In der Folge durfte Gnezda Cerin nur noch einmal ran, beim Auswärtsspiel in Wiesbaden wurde der Mittelfeldakteur in der 71. Minute beim Zwischenstand von 5:0 eingewechselt, anschließend avancierte der einst hochgehandelte und zweifelsohne auch überdurchschnittlich hoch veranlagte Youngster fortan zum Dauergast auf der Nürnberger Ersatzbank. Sein Spielerberater Amir Ruznic zog gegenüber der Bild eine entsprechend enttäuschende Bilanz: "Er hat in meinen Augen das Zeug zu einem Top-Spieler. Aber um ehrlich zu sein, bekam er in Nürnberg bislang nicht genügend Gelegenheit, sein großes Potenzial auch zu zeigen."

Es ist die klassische Henne-oder-Ei-Frage: Spielte Gnezda Cerin nicht, weil er im Training und in seinen wenigen Auftritten nicht zu überzeugen wusste? Weil das Vertrauen der Trainer fehlte? Weil er nicht ins System passte? Weil ihm als jungen Spieler nicht genug Chancen gegeben wurden, in dieser neuen Liga anzukommen? Oder einfach, weil sein Transfer am Deadline-Day einem großen Missverständnis gleichkam? Am 2. September, jenem Montag, an dem die Bekanntgabe der Verpflichtung in den letzten Zügen der Sommertransferperiode erfolgte, dominierte beim mittlerweile geschiedenen Sportvorstand Robert Palikuca noch die Auffassung, mit dem über eine Million Euro teuren Slowenen ein Schnäppchen auf dem hochdatierten Talente-Markt ergattert zu haben.

Ein "Box-to-Box-Spieler", der "den Unterschied machen kann"

Der 42-Jährige freute sich, für den in die Hauptstadt abgewanderten Eduard Löwen einen spielstarken Achter ausfindig gemacht zu haben, der bereits in jungen Jahren als Stammspieler bei seinem Ausbildungsverein nahezu unverzichtbar war und über internationale Erfahrung aus zehn Einsätzen in der Europa League verfügt. Als lauf- und abschlussstarker "Box-to-Box"-Spieler kündigte sich der selbstbewusste Mittelfeldakteur an, als ein "Spieler, der den Unterschied machen kann" und "den jede Mannschaft braucht". Einen solchen Spielertypen "hatten wir bislang nicht in unserem Kader", bemerkte Palikuca damals.

Tatsächlich verfügt der 1. FC Nürnberg mit Kapitän Hanno Behrens, dem fünffachen Torschützen Johannes Geis, dem zwischenzeitlich an Dresden verliehenen Ondrej Petrak und dem derzeit vertragslosen Patrick Erras über technisch limitierte Sechser, die ihre Rolle insgesamt eher defensiv interpretierten - wobei Behrens häufig in einer offensiveren Position eingesetzt wurde.

Für Gnezda Cerin, dessen Spielweise jener von Relegations-Doppelpacker Fabian Nürnberger noch am nächsten kommt, gab es trotzdem – oder gerade deshalb – keinen Platz im Zentrum. Auch die Systemumstellung vom unter Ex-Trainer Damir Canadi oftmals praktizierten 4-3-3 mit einem Sechser und zwei Achtern hin zum 4-4-2 beziehungsweise 4-2-3-1 und einer Doppelsechs wirkte sich negativ auf die Einsatzaussichten des slowenischen U21-Nationalspielers aus.

Als spiel-, lauf- und abschlussstarker Achter sollte er den Club-Kader bereichern.

Als spiel-, lauf- und abschlussstarker Achter sollte er den Club-Kader bereichern. © Sportfoto Zink / Thomas Hahn

Hoffnung macht dementsprechend die neu zu besetzende Trainerposition: Im richtigen System, unter der richtigen Anleitung und einem Übungsleiter, der dem Youngster sein Vertrauen schenkt, könnte Gnezda Cerin seinen mächtigen Worten zu Beginn seines Engagements am Valznerweiher auch Taten folgen lassen. Bei der großen Diskrepanz zwischen den Erwartungen, den Ansprüchen und der Leistung des 21-Jährigen stellt sich freilich die Frage, wo denn die Wahrheit liegt. Und wie immer lautet die Antwort vermutlich: irgendwo dazwischen.

Adam Gnezda Cerin kann Fußball spielen, das bewies er in der – freilich nicht mit der 2. Bundesliga vergleichbaren – slowenischen Liga, seine Anlagen ließ er in seinen Auftritten im rot-schwarzen Trikot zwar nicht aufblitzen, aber erahnen. Das Potenzial und auch das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist zweifelsohne vorhanden, bis zum Status "Unterschiedsspieler" ist es allerdings noch ein weiter Weg. An dessen Ende steht das altbekannte und beim Club nur selten beanspruchte Sprungbrett, das einst Ilkay Gündogan, ebenfalls ein Achter, der einst seine ersten Schritte im deutschen Profifußball am Neuen Zabo wagte, zur Meisterschaft in der Premier League beförderte.


Namenspatron auf Abruf? Max Morlock und das Stadion


Es mag angesichts der mangelhaften Saison-Leistung des Slowenen nicht nur vermessen, sondern auch töricht wirken, seinen Namen in einem Satz mit dem Deutsch-Türken zu nennen, doch zwischen dem Mittelfeld-Strategen von Manchester City und dem Club-Talent gibt es Parallelen, die Hoffnung machen: Auch der ebenfalls während der bereits laufenden Saison verpflichtete Gündogan schlug beim FCN nicht auf Anhieb ein, auch Gündogan profitierte von Dieter Hecking, der in diesem Sommer nach Nürnberg zurückkehren könnte, und auch Gündogan brauchte eine erste komplette Vorbereitung mit seinem neuen Team, ehe ihm der vielzitierte Karriere-Sprung gelang.

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