Eisenbieger Vittek: Der Club kennt sich aus in Köpenick
4.9.2020, 09:14 Uhr5:2? Nein, 5:3. Robert Vittek korrigiert den Anrufer sanft, aber sofort. Er weiß, wie hoch Nürnbergs Wohlfühl-Team damals in Köpenick gewonnen hat. Er weiß, wie man treffend antwortet. So auch am 16. April 2004 dem 1. FC Union Berlin in der Wuhlheide. Am aus FCN-Sicht erfreulichen Ergebnis hat der ehemalige Club-Stürmer entscheidenden Anteil. Zwei Tore erzielt Vittek selbst. Zwei weitere Treffer markiert Marek Mintal.
Zuverlässiger Schützenkönig
Wenig verwunderlich sei es gewesen, dass auch sein seit Mittwoch 43-jähriger Landsmann doppelt genetzt habe, erklärt der Slowake, als ihn nordbayern.de am Vorabend des letzten Nürnberger Köpenick-Gastspiels am Telefon erwischt. "Der Marek war in dieser Beziehung immer sehr zuverlässig", berichtet Vittek im Januar 2018 also. Wohlwissend, dass man sich auf seine Schützen-Skills beim 1. FC Nürnberg ebenfalls verlassen konnte.
"Es war für beide Seiten eine wichtige Partie. Für uns ging es auch in dieser Phase um den Aufstieg", erinnert sich der inzwischen 38-Jährige an die kurzweilige Spree-Session des damaligen Zweitliga-Spitzenreiters, den Club-Besuch im Berliner Südosten. Der abstiegsbedrohte Hauptstadtklub, der Gastgeber also, strebt im Saisonfinish "das Wunder von Köpenick - Teil eins von sechs" an. Entsprechende Anzeigen sind in den lokalen Zeitungen geschaltet worden. Als zusätzliche Motivation, den Klassenprimus niederzuringen. Als Anreiz, unter dem jüngst engagierten Trainerfuchs Aleksander Ristic endlich wieder zu siegen. Doch der Druck auf die Eisernen ist zu groß - zunächst zumindest.
Der FCN spielt Union im ersten Durchgang an die Wand, reiht eine Chance an die nächste. Zwangsläufig gehen feldüberlegene Nürnberger in Führung: Der US-Amerikaner Anthony Sanneh schraubt sich im Anschluss an eine Krzynowek-Ecke nach oben, wuchtet die Kugel ins Netz. Ebenfalls kopfballstark zeigt sich wenig später Robert Vittek, der seinen Freiraum im Strafraum nutzt, um eine Wiblishauser-Flanke zum 2:0 zu verwerten. Marek Mintal, Vitteks kongenialer Sturmpartner, ist es, der Florian Bruns' Anschlusstreffer gedankenschnell kontert, dem Club einen komfortablen Vorsprung als Polster mit in die Kabine gibt.
"Bei Union ist es immer schwer, zu spielen"
Nach der Pause wird das sanfte Ruhekissen jedoch arg strapaziert. Beim nach Wiederbeginn zunächst pomadigen Altmeister ist der Spannungsabfall unübersehbar. Couragierte Köpenicker nutzen indes ihre Kampfkraft, um einen bräsigen Club von einer Verlegenheit in die nächste zu stürzen. "Bei Union ist es immer schwer, zu spielen. Das weiß jeder". Entgegen der unaufgeregten Erzählweise des sanft sprechenden, aber scharf schießenden Stürmers ist die Partie längst eine aufregende geworden.
Binnen drei Minuten stellt Union von 1:3 auf 3:3. Hatte der FCN die Berliner im ersten Durchgang noch vorgeführt, ist er jetzt drauf und dran, das Spiel komplett aus der Hand zu geben. Doch schließlich wacht der Club wieder auf, meldet sich durch Mintal und Vittek - sein nicht nur in diesem Spiel gewinnbringendes Gute-Laune-Gespann - grandios zurück. Nürnbergs Vereinslegende, Nothelfer und Nun-wieder-U21-Coach wandelt eine Stefulj-Hereingabe in die erneute Franken-Führung um - volley mit gewohnt exquisiter Schusstechnik. Mintals Freund Robert Vittek beseitigt mit einem strammen Linksschuss die letzten Zweifel am Sieg in der Hauptstadt.
In der Hinrunde, beim ungefährdeten 3:0 gegen die Eisernen, hatte sich Vittek - im Sommer von Slovan Bratislava an den Valznerweiher gewechselt - gegen den gleichen Gegner den ersten seiner 35 rot-schwarzen Liga- Treffer bis 2008 aufs Konto gebucht. Nicht nur deswegen denkt der Angreifer gerne an seine "schöne Zeit beim FCN" zurück. Auch wenn diese durch Verletzungen getrübt war, er den Pokal-Triumph 2007 nur von der Bank erleben durfte, war es eine Zeit, in der sich Vittek und der FCN viel Freude machten.
"Der FCN wird immer in meinem Herzen sein"
In der Rückrunde 2005/06 etwa stellt der Robo-Cop seine Goalgetter-Qualitäten eindrucksvoll in den Club-Dienst: Bis zum 19. Spieltag noch ohne Erfolgserlebnis, lässt es Vittek im Anschluss gehörig krachen. 16 Treffer stehen am Saisonende für ihn zu Buche. Dreimal schnürt der Torjäger einen Doppelpack. In den aufeinanderfolgenden Partien gegen Duisburg und Köln markiert der Angreifer jeweils drei Treffer. Der inzwischen 38-Jährige verfolgt immer noch aufmerksam, was bei seinem Ex-Verein passiert. "Der 1. FC Nürnberg wird immer in meinem Herzen sein", erklärte der Hochbegabte, der bei der WM 2010 mit Tempo und Raffinesse glänzte, Italien quasi im Alleingang aus dem Turnier verabschiedete, nordbayern.de einmal in einem früheren Gespräch. Er wäre in der Vergangenheit gerne zum FCN zurückgekehrt, sagte Vittek damals auch.
Die Rückkehr in die Erstklassigkeit, die der Vittek-Club in der Saison 2013/14 damals schafft, wünschte der Slowake den Rot-Schwarzen, als man vor mehr als eineinhalb Jahren telefonierte, auch am Ende der damaligen Spielzeit. Den entsprechenden Satz artikulierte der Angreifer am Ende des Gesprächs sofort: “Ich hoffe auf den Aufstieg. Und davor auf einen Club-Sieg in Berlin". Beides sollte dem von Michael Köllner angeleiteten Altmeister im Anschluss gelingen: Der aufgerückte Ewerton war es, der bei Nürnbergs letztem Pflichtspielauftritt an der Alten Försterei früh schon in der Partie den Ball nach einer von Enrico Valentini famos nach innen gebrachten Ecke mit viel Wucht ins Tor köpfte.
Club-Assistent Schweinsteiger: "Der Beste, der man sein kann"
Nach einer hernach unglaublich konzentrierten Leistung im Defensivverbund und einer hektischen Schlussphase mit drei Platzverweisen war der Club wieder spitze, Ende Januar 2018 ganz oben im Zweitliga-Klassement notiert. Im Sommer war der FCN Vitteks Wunsch entsprechend wieder erstklassig. Zurück in der Bundesliga. Dort, wo er sich am wohlsten fühlt. Bei Vorbereitungsspielen hat sich der Club zuletzt ebenfalls sehr wohl gefühlt. Auch beim finalen Härtetest von Vitteks Lieblingsverein bei klassenhöheren Berlinern? Es muss ja kein 5:2 sein.
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