Zweifel trotz Klassenerhalt: Bleibt Palikuca FCN-Sportvorstand?

13.7.2020, 05:57 Uhr
Danke: Robert Palikuca mit Fabian Schleusener, dessen spätes Tor den 1.FC Nürnberg vor dem Abstieg bewahrte.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Danke: Robert Palikuca mit Fabian Schleusener, dessen spätes Tor den 1.FC Nürnberg vor dem Abstieg bewahrte.

Diesmal: keine Zigarre. Und auch kein Bier. Nur ein Handy, an dem sich Thomas Grethlein festzuhalten schien nach dem Schlusspfiff im Ingolstädter Sportpark. Starr vor Schreck und ziemlich blass um die Nase stand der Aufsichtsratsvorsitzende nach dem 32-Minuten-Abstieg seines 1. FC Nürnberg auf der Tribüne herum. Und kommunizierte nach dem 1:3 erst einmal nur mit seinem Mobiltelefon.

"Ich bin natürlich unfassbar erleichtert", brachte Grethlein etwas später heraus, "wir haben schon in den Abgrund geblickt." Wie tief der gewesen wäre? "Sehr tief, das hätte uns schon schwer gebeutelt, es wäre sehr schwer geworden." Das, also der freie Fall in Liga drei, hätte einen höchstens langfristig reparablen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Siehe 1860 München. Siehe 1. FC Kaiserslautern.

Rossow hatte "den Glauben an das Gute schon fast verloren"

Die Frage, wie es überhaupt so schnell so weit kommen konnte nach dem umjubelten Bundesliga-Aufstieg vor gerade einmal 26 Monaten, treibt natürlich auch Grethlein und seine Kollegen im wichtigsten Vereinsgremium schon länger um. Abwärts ging es definitiv nicht erst seit Robert Palikucas Verpflichtung im April des vergangenen Jahres, allerdings auch nicht mehr aufwärts. Vor allem die Personalpolitik des Sportvorstandes, der laut Satzung noch bis 30. Juni 2022 beim Club unter Vertrag steht, "werden wir jetzt in Ruhe analysieren", sagt Grethlein, "wir müssen schauen, wo die Fehler lagen, warum die Mannschaft zwei Gesichter hat, das ist für mich nicht erklärbar."


Ende gut, alles gut? Palikuca erwarten beim FCN schwierige Tage


Nicht minder geschockt wirkte auch der Kaufmännische Vorstand; "den Glauben an das Gute schon fast verloren" hatte Niels Rossow vor der sechsten Minute der Nachspielzeit. Der Abstieg, so Rossow, "hätte ganz arg weh getan und hätte große Konsequenzen gehabt". Mindestens 20 Millionen weniger Einnahmen in einer Zeit ohne Zuschauer im Max-Morlock-Stadion und nach wie vor acht Millionen Euro Verbindlichkeiten zum Bilanzstichtag 30. Juni 2019 hätten dem 1. FC Nürnberg schwer zu schaffen gemacht, ein paar Dutzend Mitarbeiter hätten ihren Job verloren. Aber es ist ja nochmal gutgegangen.

 

Schon nach dem 0:0 gegen den VfL Bochum hatte sogar der Sportvorstand Konsequenzen angekündigt; "im Hintergrund laufen schon die Planungen, aber dazu gibt es im Moment öffentlich nicht viel zu sagen", meinte Palikuca Ende Mai. "Seien Sie sich aber sicher, dass es kein Weiter so geben wird." Ob er damit auch seine Person meinte, ließ er offen; dass sich der Aufsichtsrat angeblich zeitnah von ihm trennen möchte, wollte Palikuca am Samstagabend vor dem Ingolstädter Sportpark nicht kommentieren. "Das wird sich in den nächsten Tagen entscheiden."

Nach einer der schrecklichsten Spielzeiten in über 120 Jahren 1. FC Nürnberg spricht nicht mehr viel für Palikuca, aber eben auch einiges gegen seine Entlassung. Da nur der Sportvorstand auch den neuen Trainer einstellen darf (dem Aufsichtsrat verbietet das die Satzung), wäre der ganze Club, bis ein Nachfolger gefunden wäre, einigermaßen handlungsunfähig, vorausgesetzt, man ringt sich nicht erneut zu einer Interimslösung durch – wie es für die Beurlaubung des Trainers Michael Köllner geschah, für die Sportvorstand Andreas Bornemann geopfert werden musste. Damals übernahm Marketing-Chef Marcus Rößler Bornemanns Amt bis zu Palikucas Berufung übergangsweise.


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Weil aber die planerische Vorbereitung der Saison 2020/21, die am 11. September mit der ersten Pokal-Runde beginnt, bereits läuft und die Corona-Pandemie auch den Transfermarkt noch unberechenbarer macht, dürften Behelfslösungen keine geeignete Strategie sein.

Votum per Briefwahl über Schicksal des Vereins?

Die höchste Instanz im eingetragenen Verein, dessen Mitglieder, kommt erst im Oktober zu Wort – sodenn die Mitgliederversammlung stattfinden kann, die Auswirkungen der Pandemie sind auch hier schwer kalkulierbar. In nicht geringen Teilen des Clubs steht auch der von den Mitgliedern gewählte Aufsichtsrat stark in der Kritik, die dreijährige Amtszeit des Vorsitzenden Grethlein endet – wie die seines Stellvertreters Stefan Müller – im Oktober, zur Frage nach einer neuen Kandidatur hat er sich bisher nicht geäußert.

 

Ein Antrag, das Votum per Briefwahl durchzuführen, liegt derweil schon vor, gestellt vom renommierten Nürnberger Pharmakologen Fritz Sörgel, der sich auf das von der Bundesregierung erlassene Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie beruft, das Vereinen die Möglichkeit gibt, Abstimmungen auch per Briefwahl durchzuführen.

"Die von wenigen gesteuerten Mitgliederversammlungen müssen bei der Lage des Vereins ein Ende haben", findet Sörgel, der selbst kein Amt anstrebt. "Vermutlich zum ersten Mal nach der Gründungsversammlung am 4. Mai 1900", so Sörgel, "stimmen dann alle Mitglieder über das Schicksal des Vereins ab."

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