Pleite droht: Wöhrl muss bis zu zehn Häuser schließen
6.9.2016, 20:12 UhrIm neuen Wöhrl-Vorstand spart man nicht mit Kritik - auch und vor allem an sich selbst. Als "Managementfehler" bezeichnete der Neue im Gremium, Christian Gerloff, die Übernahme von Sinn-Leffers aus dem Jahr 2013. "Das ist in vielen Branchen der richtige Ansatz, durch Größe zu wachsen, um am Markt zu bestehen", sagte Gerloff am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Nürnberg - schob jedoch nur Sekunden später ein dickes Aber hinterher.
"Alle Großen haben Probleme", so Gerloff. Nur die kleineren Anbieter, die "vor Ort verankert sind, ihre Kundschaft und den Bedarf kennen", überleben derzeit. Stunden zuvor hatte das Modehaus Rudolf Wöhrl bekanntgegeben, mit einer Sanierung in Eigenregie eine drohende Insolvenz verhindern zu wollen.
Auf die knapp 2000 Mitarbeiter des Traditionsunternehmens kommen jetzt unruhige Zeiten zu. "Es wird personelle Einschnitte geben müssen", sagte ein Sprecher am Dienstag. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Wöhrl betreibt 34 Modehäuser, die meisten davon in Bayern. Das Schutzschirmverfahren gilt als Vorstufe der Insolvenz, folgt aber den gleichen Regeln und mündet oft in ein reguläres Insolvenzverfahren. Unter dem Schutzschirm ist ein Unternehmen für drei Monate vor dem Zugriff der Gläubiger sicher.
Filiale in Nürnberg soll verkleinert werden
Bis zu zehn der 34 Häuser in Süd- und Ostdeutschland steht jetzt auf dem Prüfstand. Unrentable Filialen, die auf absehbare Zeit keine Gewinne versprechen, sollen geschlossen werden, die Filiale in Nürnberg bleibt davon aber unangetastet. Sie bleibe weiterhin ein "Flagghaus", ein Aushängeschild von Wöhrl. Insgesamt geht es sechs bis zehn Häusern an den Kragen, schätzt der als Sanierer in den Vorstand gerückte Christian Gerloff.
So ist die Situation in den Filialen der Region:
Auch in der Erlanger Filiale geht der Geschäftsalltag vorerst weiter. Angesprochen auf mögliche Hiobsbotschaften aus der Firmenzentrale in Nürnberg, winkt eine Verkäuferin ab. Äußern kann, darf und will sich in der Niederlassung keiner. Wir haben uns in der Innenstadt umgehört - das Stimmungsbild aus Erlangen.
Der Fürther Standort scheint derzeit nicht gefährdet. Zwar hält sich die Filialleitung bedeckt, ein Investor, der auch den Umbau des Hauses in der Innenstadt mitträgt, habe aber aus Nürnberg positive Signale empfangen. Fürth sei demnach nicht unter den Streichkandidaten. Die Eröffnungsfeier des umgebauten Kaufhauses werde wie geplant im November über die Bühne gehen.
In Bamberg hat sich bereits die Stadtspitze eingeschaltet. "Ich fordere, die Wöhrl-Filiale in Bamberg zu erhalten und zukunftsfähig aufzustellen - vor allem auch im Interesse der über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", sagte nur Stunden nach der Pressekonferenz Oberbürgermeister Andreas Starke. Konkrete Zahlen zeigen jedoch, dass der Konzern dort bereits ohnehin ein Umsatzplus macht.
Die Filiale in Neumarkt zog erst im September vergangenen Jahres in ihr neues Haus in der Dammstraße. Seitdem habe man "bessere Umsätze gemacht und mehr Kunden in den Verkaufsräumen begrüßt", sagt Filialleiter Jörg Schmitz. Er sehe keinen Grund "in Panik zu verfallen", denn grundsätzlich sei man mit den Geschäften in der Oberpfalz sehr zufrieden. Insgesamt sind dort 27 Mitarbeiter beschäftigt, habe sich durch den Umzug auch in Sachen Verkaufsfläche vergrößert.
In Roth ist die Lage noch relativ unübersichtlich. "Ich weiß nicht mehr, als die offiziellen Informationen besagen", sagte der Geschäftsleiter der Filiale in der Valentin-Passage, Bernhard Weber. Ob man auf der der "Abschussliste" stehe, also wegen defizitärer Geschäfte von der Konzernleitung beobachtet werde, könne er nicht sagen. Das Rother Haus hat in der Geschichte der Firma eine besondere Stellung, weil es 1945 die Gründung des Unternehmens markierte: Rudolf Wöhrl war nach dem Krieg und der Zerstörung seines Nürnberger Modehauses Zetka mit seiner Familie nach Roth gezogen.
Wechsel auch an der Unternehmensspitze
"Ob die Familie Wöhrl nach der Sanierung noch an Bord ist,muss sich zeigen", sagte Gerloff auf der eilig einberufenen Pressekonferenz. Derzeit werde mit etwa zehn potenziellen Investoren gesprochen, die Eigentümerfamilie um Gerhard Wöhrl sei dabei auch bereit, die Mehrheit an dem Unternehmen abzugeben.
Auch an der Spitze des Unternehmens tut sich etwas. "Unser Ziel ist es, die Gruppe als Ganzes zu erhalten", sagte Andreas Mach, ein Berater und ehemaliger Banker, der Olivier Wöhrl als Vorstandschef ablöst. Oliver, der Sohn von Gerhard Wöhrl, soll sich in Zukunft lediglich um eine neue Strategie des Unternehmens kümmern. Er steht für die derzeit dritte Generation der Unternehmerfamilie.
Das plant Wöhrl jetzt um aus der Misere zu kommen
Der Schuldige für die Misere ist auch für die Wöhrl-Verantwortlichen schnell gefunden: das Internet. Branchenexperten schätzen, dass sich die Zahl der selbstständigen Textilhändler seit der Jahrtausendwende halbiert hat. "Der Markt brennt", titelte ein Fachblatt erst kürzlich. Online-Händler wie Zalando, Ketten wie H&M und Discounter wie Primark hingegen boomen.
Ein Trend, den Wöhrl jetzt brechen will. Man wolle nah am Kunden sein, den "Einkauf wieder zum Erlebnis machen". Auf einen Online-Shop wolle das Nürnberger Unternehmen also auch in Zukunft verzichten.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 (Ende Juli) war der Umsatz auf 300 (Vorjahr: 316,2) Millionen Euro geschrumpft, der Verlust - 2014/15 bei einer Million Euro - aber gestiegen. Im Zuge der Sanierung müssen aller Voraussicht nach auch die Zeichner einer 30 Millionen Euro schweren Mittelstandsanleihe bluten. Gerhard Wöhrl und der Familie gehört seit 2013 auch die Modekette Sinn-Leffers. Sie ist von der Sanierung zunächst nicht betroffen. Zudem hält die Familie Wöhrl gut fünf Prozent an der Billigkette Adler Modemärkte.
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