Umstrittene App zur Corona-Kontaktnachverfolgung:

Nürnberg hält an Luca-App fest - und äußert sich zur Dauer-Kritik

Max Söllner

Volontär in der Lokalredaktion Nürnberg

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7.5.2021, 15:08 Uhr
Die Luca-App und die Corona-Warn-App der Bundesregierung auf dem Smartphone.

© imago images/MiS, NN Die Luca-App und die Corona-Warn-App der Bundesregierung auf dem Smartphone.

Die Euphorie war spürbar: "So können wir die Kontaktnachverfolgung einen weiteren großen Schritt voranbringen", lies sich Oberbürgermeister Marcus König am 24. März in einer städtischen Pressemitteilung zitieren. Es war die Zeit, als vielerorts von Modellstädten für Corona-Lockerungen die Rede war. Inmitten der damaligen Gedankenspiele machte der Name einer neuen App die Runde: Luca.

Nürnberg als Vorreiter

Nürnberg führte die App als erste Stadt in Bayern ein, "um die Kontaktnachverfolgung noch zu verfeinern", wie es in der Mitteilung hieß. Außerdem sollte Luca es den Menschen erleichtern, nach Lockerungen wieder Geschäfte, Restaurants und Kulturveranstaltungen zu besuchen. Digitale Check-Ins per Smartphone und QR-Code ersetzen die händisch auszufüllenden Papierlisten, wie sie im vergangenen Sommer etwa in der Gastronomie üblich waren: So lautet das Versprechen der Luca-App.


Kommentar: Wieso der Staat auf fragwürdige Luca-App setzt


Hat es sich in Nürnberg bereits erfüllt? "Ein echter Praxistest ist noch nicht erfolgt, da die Anwendungsbereiche fast komplett geschlossen sind", teilt uns Gesundheitsreferentin Britta Walthelm mit. Bislang habe ihr Gesundheitsamt noch keine Quarantänen ausgesprochen, die nur auf den App-Einsatz zurückgehen würden. Und: "Mir sind noch keine Indexfälle bekannt, die die Nutzung der Luca-App bei Erstkontakt mit dem Gesundheitsamt angegeben haben." Indexpersonen sind Menschen, die sich nachweislich mit dem Corona-Virus infiziert haben.

Wie viel bringt Luca wirklich?

Beweisen konnte sich die App also noch nicht seit ihrer Einführung vor gut einem Monat. Schließlich wurden auch in Nürnberg die Öffnungspläne von der dritten Corona-Welle durchkreuzt. Aber selbst für den Fall, dass zum Beispiel Bars und Kneipen wieder aufsperren, wird der Nutzen von Luca inzwischen infrage gestellt. So berichtete die Zeit vor wenigen Tagen über das Gesundheitsamt Bodenseekreis, laut dem Luca zwar das Abholen der Gästelisten aus Restaurants überflüssig mache. Die eigentliche Hauptarbeit aber beginne erst danach, wenn es an das Bewerten der Rohdaten geht, also zum Beispiel der Dauer oder Nähe von Kontakten. Das könne die App nicht übernehmen.

Brisant ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Gesundheitsamt im Bodenseekreis seit Beginn der Pandemie erst drei Mal auf Listen aus den Restaurant zurückgegriffen hat, um Kontakte nachzuverfolgen. "In der Praxis spielt das keine große Rolle", wird Landkreis-Pressesprecher Robert Schwarz in der Zeit zitiert. Und in Nürnberg? Wie oft hier Gästelisten zum Beispiel im vergangenen Sommer angefordert wurden, als die Gastronomie noch geöffnet war, kann Walthelm nicht sagen. "Die Listen wurden jedoch genutzt."

Walthelm hofft, mit Hilfe von Luca "womöglich zusätzliche Kontakte zu infizierten Personen zu ermitteln, die andernfalls nicht bekannt würden". Gemeint sind Menschen, die eine infizierte Person nicht kennen, sondern lediglich zufällig zur selben Zeit am selben Ort waren. Genau das werde den Gesundheitsämtern jedoch zusätzliche Arbeit bereiten, befürchtet man am Bodensee - eben weil mit Luca viel mehr Daten anfallen, die es zu bewerten gilt.

Sofortiger Stopp gefordert

Und wo Daten gesammelt werden, dazu noch personenbezogene, stellt sich die Frage nach dem Datenschutz. Luca speichert alles auf zentralen Servern. "Es wird dort also eine große Zahl von Informationen über die Anwesenheit von Bürgerinnen und Bürgern in Einrichtungen verschiedenster Art und über ihre Teilnahme an Veranstaltungen" vorgehalten, teilte die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden von Bund und Ländern (DSK) Ende März mit. Erhalten Unbefugte Einsicht, könne dies "je nach Umfang zu einer schweren Beeinträchtigung für die Einzelnen und das Gemeinwesen führen".

Seitdem ist die Kritik nicht abgeebbt. Zuletzt bemängelten über 70 deutsche Sicherheitsexperten, dass die Risiken der App den Nutzen "deutlich überwiegen". Es bestehe ein "massives Missbrauchspotential und das Risiko von gravierenden Datenleaks". Luca betonte daraufhin abermals die Sicherheit des Systems.

Schon Mitte April hatte der Chaos Computer Club den sofortigen Stopp von "Smudos Steuer-Millionengrab" gefordert. Dazu muss man wissen, dass Smudo Hip-Hop-Sänger der "Fantastischen Vier" ist. In den vergangenen Monaten tourte er durch Talkshows und sogar die Tagesthemen, um für die Luca-App zu werben, an der er finanziell beteiligt ist. Offenbar mit Erfolg: Inzwischen hat eine deutliche Mehrheit der Bundesländer mit Luca einen Vertrag abgeschlossen. Laut Netzpolitik.org zahlen sie dafür zusammen mehr als 20 Millionen Euro, wobei Bayern mit fünfeinhalb Millionen Euro das meiste Geld ausgibt - für eine einjährige Lizenz, wohlgemerkt. Die Entscheidung dazu gab Ministerpräsident Markus Söder am 7. April bekannt.

Nürnberg war schneller

Nürnberg ging bereits am 22. März einen vorläufigen Kooperationsvertrag mit den Luca-Betreibern ein. "Der Stadt Nürnberg entstanden hierbei keine Kosten. Daher gab es kein Vergabeverfahren", erklärt Walthelm. Nach ihrer Erinnerung sei die Stadt auf die Luca-Betreiber zugegangen - wobei sie nicht ausschließen könne, zuvor eine Werbe-E-Mail erhalten zu haben, wie von anderen App-Anbietern auch.

Experten schätzen, dass es rund 50 vergleichbare Kontaktnachverfolgungs-Apps gibt. Für Luca habe man sich laut Walthelm entschieden, weil "ein deutschlandweiter Einsatz der App" absehbar gewesen sei. In mehreren Bundesländern hatten Konkurrenz-Apps moniert, benachteiligt worden zu sein, weil Vergaben teils ohne Ausschreibung und ausreichender Prüfung von Alternativen erfolgt wären. Walthelm betont, "offen für andere Anbieter" zu sein, sofern deren Apps mit der Gesundheitsamt-Software Sormas kompatibel sind.

Und die Kritik am Datenschutz? Walthelm verweist auf die Verschlüsselung von Luca sowie die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung. Zudem habe die bayerische Staatsregierung umfassende Prüfungs- und Kontrollrechte erhalten. "Wir gehen davon aus, dass in diesem Zuge auch den jüngst bekannt gewordenen Datenschutzbedenken gründlich nachgegangen wird."

Droht eine Nutzungspflicht?

Andere befürchten, dass die Nutzung der Luca-App zur Pflicht werden könnte. Zumindest aktuell sei das Walthelm zufolge nicht vorgesehen. "Die Stadt Nürnberg richtet sich in puncto genereller Nutzungspflicht nach den Vorgaben des Freistaates Bayern."

Ob eine Nutzungspflicht kommt, dürfte auch davon abhängig sein, wie stark Luca sich in der Bevölkerung verbreitet. Laut einem Spiegel-Bericht von Mitte April wurde die App bislang rund drei Millionen mal heruntergeladen.

Zum Vergleich: Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes, die einen dezentralen Ansatz verfolgt, kommt auf etwa 27 Millionen Downloads. Auch sie hat inzwischen eine Eincheck-Funktion erhalten, aber eine anonyme, die im Gegensatz zu Luca keine Namen erfasst. Im Infektionsfall kommuniziert sie nicht mit dem Gesundheitsamt, sondern warnt die zur selben Zeit am selben Ort eingecheckten Menschen untereinander. Diese Art der Kontaktnachverfolgung mag datensparsamer sein. Mit den Rechtsverordnungen der meisten Bundesländer ist sie jedoch nicht vereinbar, weil diese eine namentliche Erfassung zum Beispiel beim Besuch von Biergärten vorschreiben.


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Sachsen setzt auf Corona-Warn-App

In Sachsen wird sich das bald ändern: Das Bundesland hat am Dienstag bekannt gegeben, Check-Ins per Corona-Warn-App erlauben zu wollen. Auch dort, "wo eine Kontakterfassung und -nachverfolgung nach Verordnung erforderlich ist", wie es in einer Mitteilung des sächsischen Sozialministeriums heißt.

Für Walthelm ist das derzeit kein Thema. Solange die Inzidenzen hoch sind, will sie sich nicht nur auf "freiwillige gegenseitige Meldungen über die Corona-Warn-App" verlassen. Ihrer Ansicht nach kann die Luca-App Infektionen schneller nachverfolgen und Cluster besser erkennen.

Die Luca-App wird in immer mehr Städten und Landkreisen der Region eingeführt. Mit uns behalten Sie den Überblick:

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