Brand steckt der Familie Strobl noch in den Köpfen
1.11.2015, 23:11 UhrRosa Strobl hat den Küchenherd angeschürt. Es ist warm im Raum. Sie backt und kocht mit ihm im Winter und Sommer. Nur wenn es draußen richtig heiß wird, wechselt sie an den Elektroherd. Sie komme mit dem traditionellem Herd besser zurecht, erzählt die 75-Jährige. Holz ist ja reichlich vorhanden. Neben ihr sitzt Ehemann Josef (76) und nickt.
Das Ehepaar ist die älteste Generation der Großfamilie Strobl, die in zwei Häusern verteilt in Heroldsreuth wohnt, einem Weiler südlich von Pegnitz, unweit von Horlach und Nemschenreuth. Im dritten Haus, auf der anderen Seite der Straße, die in Heroldsreuth endet, lebt die Familie Lehner.
Markus Strobl (38) hat den Bauernhof von seinem Vater Josef übernommen. Der gelernte Heizungsbauer betreibt ihn im Nebenerwerb. Ehefrau Tanja (38) ist im Kindergarten Betzenstein beschäftigt. Zusammen mit ihren Kindern Yannik (16), Jonas (11) und der kleinen Anna Helene (2) wohnen sie mit Rosa und Josef Strobl in einem Haus – dem Zentrum des schon lange existierenden „Fischelhofs“ in Heroldsreuth. „Hier leben drei Generationen unter einem Dach“, sagt Josef. „Ein Mehrgenerationenhaus. Wir kommen gut miteinander aus“, sagt Tanja, die aus Frankenberg stammt. Das klappt deshalb so gut, weil sich einer auf den anderen verlassen könne. „Ohne Opa und Oma geht es gar nicht“, betont Tanja. Ihre Schwiegermutter fährt beispielsweise am Morgen um 7.10 Uhr Yannik zu seiner Ausbildungsstelle nach Bronn. Sie kocht auch für alle.
Am Sonntag kommen auch die beiden anderen Söhne und zwei Enkelinnen aus dem ein paar Meter entfernten Nachbarhaus herüber. Dann sitzen elf Menschen in der Küche an zwei zusammengeschobenen Tischen, essen, reden und genießen die familiäre Atmosphäre. „Es ist der einzige Tag in der Woche, an dem wir alle zusammen sind und über alles sprechen“, sagt Tanja. Die Familie genießt einen hohen Stellenwert.
Das Verhältnis untereinander sei früher schon gut gewesen, berichtet Rosa. Sie stammt aus Naslitz bei Schlammersdorf. Als sie nach der Heirat auf den Hof kam, fiel ihr das Eingewöhnen leicht. „Meine Schwiegereltern waren arg gut zu mir. Sonst hätte ich es nicht ausgehalten.“
Rosa und Josef sind froh, dass der Hof beim jüngsten Sohn in guten Händen liegt. Markus arbeitet im Lager einer Bindlacher Firma; den Hof führt er im Nebenerwerb. Die Eltern lebten nur von dem Einkünften, den der Bauernhof abwarf. 40 Hektar bewirtschaftet er – die eine Hälfte Grünland, die andere Ackerland. Dazu kommen noch 17 Hektar Wald.
Im Stall stehen rund 30 Mastkühe. Außerdem gibt es auf dem Gehöft Gänse, Warzenenten, Hühner, Kaninchen, zwei Katzen sowie Dackel Susi und Hoverwart Barni. Die beiden Hunde sollen aufpassen, auch wenn sich nur selten Fremde nach Heroldsreuth verirren. „Susi ist sehr hellhörig und Barni ein starker Hund, der abschreckt“, sagt Rosa, die „bis jetzt noch keine Angst verspürt“ hat.
Yannik hingegen findet es schon ein bisschen komisch, wenn er allein in der Wohnung ist: „Man macht sich Gedanken.“ Doch es sei selten, dass man alleine im Haus sei. „Meistens ist noch jemand da.“ Es sei schon mal vorgekommen, dass Wildschweine durchgelaufen sind oder ein Fuchs über den Hof gestreunt ist.
Markus und Tanja machen sich Gedanken, wie sie den Hof ausrichten werden. „Wir werden auf Bio umstellen, das Spritzen regt mich auf“, sagt Markus. Er will sich weg orientieren von der konventionellen Landwirtschaft. Ihm ist bewusst, dass er die Welt mit seinem kleinen Hof nicht ändern kann. „Wir wollen kleine Schritte machen, das finden, was zu uns passt“, ergänzt seine Ehefrau.
Wie das aussehen soll, haben sie schon festgelegt: Im Rinderstall wird von Mast- auf Mutterkühe umgestellt; außerdem soll ein Zuchtbulle gekauft werden. Ein fahrbarer Hühnerstall steht auch auf der Wunschliste.
Die Arbeit im Kuhstall verrichtet Markus gern. „Das ist meine Leidenschaft.“ Sohn Yannik hilft manchmal mit. Beide kennen die Tiere genau. Sie wissen, welche der Kühe beim Füttern ihren Stammplatz hat, welche in der Hierachie weit oben steht oder bei welcher man vorsichtig sein muss, weil sie ausschlägt. Im Stall können sich die Tiere frei bewegen. Markus hat unterschiedliche Rassen angeschafft. Die Vielfalt findet er interessant.
„Man muss sehen, dass man auch dann zufrieden ist, wenn man nicht so viel hat“, betont Tanja. Sie weiß, wie es ist, wenn fast nichts mehr vorhanden ist.
Etwa im Jahr 2002, als der altehrwürdige Fischelhof von einer Katastrophe heimgesucht wurde, die alle entsetzte. Es war der Abend des 26. Juni 2002, als ein Blitz in das Anwesen einschlug.
Fast alle Gebäude brannten nieder, die Feuerwehren konnten unter Einsatz aller Kräfte und mit höchster Anstrengung nur das Wohnhaus retten, wo sogar die Rollos schmolzen. Der Rest wurde ein Opfer der Flammen. Auch einige der Schweine und Rinder verbrannten. „War das ein Schock“, sagt Markus. „Ein furchtbarer Schicksalsschlag“, fügt Tanja hinzu.
Was der Familie wieder auf die Beine half, war die große Unterstützung. Altbauer Josef Strobl: „Die Nachbarn und die Verwandtschaft haben uns sehr geholfen.“ Menschen aus Horlach, Nemschenreuth und sogar Hainbronn gingen der Familie zur Hand. Das übrig gebliebene Vieh wurde bei Bauern in Kosbrunn und Nitzlbuch untergestellt. „Die Stadt Pegnitz hat uns sehr unterstützt. Der damalige Bürgermeister Manfred Thümmler hat die Baupläne ins Landratsamt mitgenommen und innerhalb von acht Tagen waren sie genehmigt“, erinnert er sich an die unbürokratische Hilfe.
Die Horlacher backten alle zwei Tage zwei Kuchen für die Helfer. „Da saßen dreißig Leute bei uns in der Küche und haben Kuchen gegessen“, sagt Tanja.
„Das gute Verhältnis in der Familie hat alles zusammengehalten“, betont ihr Ehemann. Und Rosa ist sich sicher: „Wenn wir nicht so viele Helfer gehabt hätten, hätten wir das nicht gepackt.“ Der Aufbau ging schneller als gedacht. Am 16. September war der Stall errichtet. Vier Wochen später zogen die ersten Kühe ein. Nachdem auch die Maschinenhalle schnell aus dem Boden gestampft worden war, konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden.
Auch wenn der Aufbau außergewöhnlich flott vonstatten ging — die Feuersbrunst steckt den Mitgliedern der Familie heute noch in den Köpfen. Yannik war nach dem Brand sprachlos. „Er hat das lange nicht verarbeitet“, sagt seine Mutter.
Sobald ein Gewitter nahte, seien alle zum Fenster gelaufen und hätten nachgeschaut, ob ein Blitz eingeschlagen hat, so Tanja. Noch immer habe sie den Geruch von verbranntem Heu in der Nase.
Als sie das erste Mal mit ihrem späteren Mann den Hof kennenlernte, habe sie gedacht, wo sie da wohl hingeraten sei. Doch inzwischen möchte sie nirgends anders leben. Sie genießt die Natur und die Ruhe. „Nur einen Bach vermisse ich, dann wäre es perfekt.“
Auch die Kinder kommen gut mit dem Leben in dem kleinen Weiler zurecht; Yannik ist bei den Horlacher Schützen aktiv. „Das Schießen macht Spaß.“ Seine Kindheit verlief unbeschwert. Seine Freunde kamen von überall her. „Sein Bruder Jonas ist begeisterter Fußballer im Nachwuchs des ASV Michelfeld.
Die Zeiten haben sich geändert. Rosa erinnert sich an die Anfangsjahre: „Das war schon eine harte Zeit. Die Arbeit war lang und schwer.“ Sie musste früher genauso ran wie die Männer. Säcke aufladen, den Bulldog fahren, die Kühe melken. Sie wunderte sich: „Wie wir das alles geschafft haben.“ Eine große Erleichterung war die erste Melkmaschine. „Das war wie im siebten Himmel,“ erinnert sich Rosa.
Heroldsreuth entstand kurz vor der Erbauung des Klosters Michelfeld; erstmals ist der Weiler im Jahre 1119 erwähnt worden. Der Name geht auf einen Edelmann zurück.
Im Jahr 1227 übergab Wolfram von Heroldsriut sein Eigentum an die Abtei des Klosters Michelfeld. 1439 waren zwei Höfe in Heroldsreuth ans Kloster Michelfeld zehntpflichtig.
1469 erhielt Fritz Meyer aus Weygengeseß (Weidensees) vom Kloster auf Erbpacht zwei Höfe „zu Heroltzrewt“. Heroldsreuth wurde 1529 lutherisch; 1629 kehrten die Bewohner wieder zum katholischen Glauben zurück. Eine Mordtat ereignete sich am 28. Mai 1635: Ein gottloser Soldat schnitt dem 46-jährigen Heroldsreuther Michael Vetterlein die Gurgel durch.
Pfarrer auf der Flucht
1648 wurde Katharina, die Tochter von Hans Heckel, der Fischel genannt wurde, von Heroldsreuth und seiner Frau Margareth auf Ansuchen in Pegnitz getauft, weil sich der Pfarrer von Michelfeld auf der Flucht befand. Im Jahr 1937 wohnten in Heroldsreuth 30 Katholiken.
Die Familie Strobl ist seit 1774 in Heroldsreuth ansässig. Der „Heurats-Brief“ von Friedrich Strobel von Näsnitz und Maria Barbara Schleicherin von Ramlesreuth ist noch erhalten. Nachzulesen ist darin, was die Tochter von ihrem Vater zur Heirat bekam: eine Kuh, ein Kalb, ein Schaf und 400 Gulden.
Das Anwesen der Familie Strobl steht an der Stelle, wo sich früher der Fischel-Hof befand. Der Hausname Fischel ist der Familie Strobl bis heute geblieben.
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