Als der Kaiser „nur“ der Franz Beckenbauer war ...
21.4.2014, 09:41 UhrEs gibt aber auch so manche Episoden im Leben des wohl bekanntesten deutschen Fußballspielers, die zeigen, dass Beckenbauer ein Mensch wie jeder andere ist — eben auch mit Schwächen.
Torsten Körner erzählt in seinem Buch „Franz Beckenbauer — Der freie Mann“ viele Geschichten, die zum Schmunzeln anregen. Auch dem in den 1960er-Jahren sehr beliebten A-Jugend-Osterturnier des TV 1848 Schwabach widmete Körner eine unterhaltsame Passage ...
Eine Strafe für was auch immer
Über Ostern nach Schwabach? Das wollte der junge Franz Beckenbauer überhaupt nicht, wo doch die A1-Jugend des FC Bayern München zum gleichen Zeitpunkt — an Ostern im Jahr 1963 — an einem international hochkarätig besetzten Turnier teilnahm. Ohne Beckenbauer, denn der war zu diesem Zeitpunkt in die A2-Jugend strafversetzt worden.
Seine Mitspieler vermuteten, der Trainer hatte ihn wegen heimlichen Rauchens oder sonst einer Flegelei degradiert.
Sie wussten nicht, dass der eigentliche Grund ein ganz anderer war, denn seine Freundin Ingrid wurde schwanger. Die Strafversetzung war beim FC Bayern ein Riesenskandal. Bis heute ist die offizielle Version für die Bestrafung umstritten. Beckenbauer kickte da noch in der A-Jugend, weil er nach dem damaligen Stichtag 1. August geboren worden war.
1966 WM in England
In der Bayern-Jugend war er schon ein Star. Beckenbauer wurde in die bayerische Jugendauswahl berufen, selbst der damalige Bundestrainer Helmut Schön war bereits auf den außergewöhnlichen Fußballspieler aufmerksam geworden. Drei Jahre später, bei der WM 1966 in England, sollte Deutschland (mit Schön als Trainer und Beckenbauer) die Vizeweltmeisterschaft gewinnen.
Sogar in Schwabach war Beckenbauer längst ein Begriff, denn schon 1962 hatte der FC Bayern dieses Turnier für sich entschieden — obwohl noch dem jüngeren Jahrgang angehörend, war er einer der auffälligsten Akteure. Kein Wunder, dass der Bus der Münchner bei der Ankunft von rund 30 Leuten umringt wurde, die alle wegen Beckenbauer gekommen waren.
Schweizer am Ball
Internationalen Anstrich hatte auch das 1963er-Osterturnier des TV 1848 durch die Teilnahme des SC Luzern, der sich in seiner Gruppe B mit dem Team der ausrichtenden 48er sowie dem TSV 04 Schwabach und dem TSV Augsburg (wohl besser bekannt unter dem Namen TSV Schwaben Augsburg) um den Gruppensieg streiten musste.
In Gruppe A bildete demnach der FC Bayern München den Gruppenkopf. Die Bayern bekamen es mit Minerva Berlin, der DJK Schwabach sowie dem Team des SV Unterreichenbach zu tun. In diesem stand damals ein junger Mann, der rund zwölf Jahre später gemeinsam mit Franz Beckenbauer drei Spiele in der deutschen Nationalmannschaft absolvieren sollte: Manfred Ritschel.
Ritschels Elfmetertor
Drei Mal standen Ritschel und Beckenbauer zwischen 12. März 1975 und 17. Mai 1975 Seite an Seite in der DFB-Auswahl. Die Bilanz war mit einer Niederlage (0:2 gegen England vor 100000 Zuschauern im legendären Wembley-Stadion) und den beiden 1:1-Unentschieden im EM-Qualifikationsspiel gegen Bulgarien in Sofia und gegen die Niederlande in Frankfurt eher negativ. Ritschels persönliches Erfolgserlebnis war jedoch das Elfmetertor zum 1:1-Endstand in Bulgarien in der 75. Spielminute.
Das erste Aufeinandertreffen der späteren Nationalspieler im letzten Gruppenspiel des Osterturniers zwischen dem FC Bayern und dem damals ebenfalls als Mitfavorit gehandelten SV Unterreichenbach entschied übrigens der Titelverteidiger mit 3:1 für sich und sicherte sich dadurch den Gruppensieg. Zuvor hatten sich die Münchner gegen die DJK Schwabach mit 2:0 und gegen Minerva Berlin mit 3:0 souverän durchgesetzt.
Für die „Urus“, die jeweils mit 1:0 gegen Berlin und die DJK gewonnen hatten, blieb nur das Spiel um Platz drei, das sie gegen den SC Luzern dann überraschend mit 0:1 verloren.
Furiose Bayern
Das Endspiel bestritten der FC Bayern München und der TSV 04 Schwabach, der sich in der Gruppe B behauptet hatte. Und an dieses Finale erinnerte sich Gerd Jäger, der damalige Kapitän der „Nullvier-Jugend“, noch ganz genau. Nicht, weil das 3. Internationale Jugendturnier des TV 1848 der große Publikumsrenner war, sondern weil ihnen der überragende Beckenbauer zum 6:1-Sieg des FC Bayern nicht weniger als fünf Treffer einschenkte. Offensichtlich hatte der sich da den Frust der Degradierung so richtig von der Seele geschossen.
Den Organisatoren des traditionellen Turniers konnte Beckenbauers Gastspiel in Schwabach nur recht gewesen sein. Der einstige Fußball-Abteilungsleiter Karl-Heinz Loy sowie Jugendleiter Hermann Vogel, dessen ehrenamtliches Engagement ihn später als BFV-Vizepräsident bis in die Verbandsspitze führte, freuten sich über ein fast sensationelles Zuschauerinteresse.
Am ersten Tag kamen trotz Dauerregens rund 300 Zuschauer zu den Gruppenspielen. Als das Wetter am Ostersonntag wesentlich besser wurde, pilgerten gut 700 Fans auf das Sportgelände des Turnvereins — wohl gemerkt zu einem Jugendfußballturnier. Franz Beckenbauer mobilisierte halt schon die Massen, als er noch nicht so bekannt war.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen