Unterricht zuhause: Bilanz nach drei Wochen Ausnahmezustand
2.4.2020, 15:16 Uhr"Jaahaaa. Komme gleich", antwortet es aus dem Muster-Kinderzimmer, wie es sich irgendwo im Freistaat befinden könnte. Einen Gong zum Unterrichtsbeginn gibt es in dieser 0815-Wohnung nicht. Stattdessen rufen Mama oder Papa neuerdings ihr Kind Werktag für Werktag gegen 9 Uhr an den Esstisch. Zweites Frühstück? "Später. Wir müssen jetzt anfangen..." - die Eltern mit ihrer Arbeit im Home-Office, der Schüler mit Hefteinträgen und Arbeitsblättern.
Keine Schule wegen Corona: Mit diesen Tipps hat Langeweile keine Chance
Seit die Schulen in Bayern wegen der Coronakrise geschlossen sind, wird ausschließlich zuhause gelernt. Im Idealfall läuft das so: Die Lehrer liefern elektronisch das nötige Material, die Schüler bearbeiten selbstständig die Aufträge und schicken sie zur Kontrolle zurück. Soweit, so einfach - zumindest in der Theorie.
Lernen zuhause bietet vor allem Beschäftigung
Tatsächlich existiert das virtuelle Klassenzimmer, also synchrones E-Learning für alle, im Freistaat überhaupt nicht, räumt Zoran Gojic, stellvertretender Sprecher im Kultusministerium, nach drei Wochen Ausnahmesituation mit einem Mythos auf. Das Lernen zuhause als Ersatzunterricht? Eltern als Ersatzlehrer? Beides nicht vorgesehen. Und mehr noch: "Es besteht nicht der Anspruch, dass die Lernangebote den Präsenzunterricht 1:1 ersetzen."
Vielmehr soll das Lernen zuhause in erster Linie dazu dienen, bereits bekannten Stoff zu wiederholen, zu üben, zu vertiefen. Und vor allem, so das Kultusministerium, "gibt es dem Tag angesichts der aktuellen Ausgangsbeschränkungen Struktur und sinnvolle Beschäftigung".
Fehlende Struktur bereitet Probleme
Gerade die über Nacht abhanden gekommene Struktur stellte vor allem in den ersten Tagen der mittlerweile dreiwöchigen Zwangspause etliche der Schulfamilie vor Probleme. Kinder, bei denen sich zunächst eine Art Ferienstimmung breit machte, bis sie merkten, dass sie nicht einmal ihre engsten Freunde wegen der Ansteckungsgefahr persönlich treffen dürfen. Berufstätige Eltern, die plötzlich ihren Nachwuchs ganztägig betreuen, bekochen, beschulen mussten. Lehrer, die zwar viel über digitale Lernwerkzeuge und virtuelle Lerninhalte wissen, diese in vielen Fällen bisher aber nur selten im großen Stil einsetzten.
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Wie hat man sich denn den aktuellen Fern-Unterricht klassischerweise vorzustellen? "Das liegt in der pädagogischen Eigenverantwortung" des jeweiligen Lehrers, betont Ministeriums-Sprecher Gojic. Mit anderen Worten: Jeder Pädagoge muss sehen, wie er seine Schüler ganz individuell möglichst gut mit Material versorgt oder auf nahende Prüfungen vorbereitet und auf welchem Weg. Wenn denn die Technik mitspielt, die im jeweiligen Haushalt und die dienstliche.
Hacker erschwerten den Start des Digital-Unterrichts
Mebis, eine Lern-Plattform, über die Lehrer eigentlich mit ihren Schülern kommunizieren können, schwächelte zum Bespiel schon, bevor es mit dem digitalen Ergänzungs-Unterricht richtig losgehen konnte. Inhalte zentral für alle bereitstellen und abrufen? Pustekuchen. Hacker wussten den schönen neuen Digital-Unterricht vorerst zu verhindern. Was also tun?
Einige Lehrer halten inzwischen Video-Konferenzen mit Schülern und Kollegen ab, andere greifen ganz altmodisch zum Telefonhörer oder schreiben E-Mails - wenn denn die erforderlichen Adressen vorliegen. Auf diesem Weg kommen mancherorts Arbeitsanweisung für Grundschüler an, darunter zum Beispiel ein "Home-Office-Lehrplan für dich!". Für die Eltern heißt das zunächst: ausdrucken, an die 50 Seiten Arbeitsblätter zum Ausfüllen, Vorlagen für Hefteinträge, Rätsel.