Beziehung

Was ist eine symbiotische Beziehung und wie erkennt man sie?

Elias Thiel

E-Mail zur Autorenseite

15.4.2024, 08:06 Uhr
Hier erfahren Sie, wie eine symbiotische Beziehung aussieht und wovor Sie sich schützen sollten.

© IMAGO/Westend61/ Paula Berezo Tajadura Hier erfahren Sie, wie eine symbiotische Beziehung aussieht und wovor Sie sich schützen sollten.

In diesem Artikel:

In den meisten Fällen sind Liebesbeziehungen etwas Wundervolles, in denen sich zwei Menschen gemeinsam auf das Abenteuer des Lebens einlassen. Allerdings gibt es auch einige Beziehungen, die nicht mehr wirklich gesund sind. Dies gilt insbesondere für Beziehungen, in denen die Partner so stark miteinander verschmelzen, dass sie kaum noch allein existieren können.

Wenn in einer Beziehung die eigenen Wünsche und Bedürfnisse komplett unterdrückt werden, steckt dahinter oftmals eine symbiotische Beziehung. Aber wie kann man diese erkennen und welche Gefahren bestehen bei einer symbiotischen Beziehung?

Der Begriff "Symbiose" bezeichnet in der Biologie die das Zusammenleben zweier Lebewesen, von dem beide Seiten profitieren. Das können Vorteile sein, auf die beide nicht angewiesen sind - oder auch eine Symbiose, bei der einer ohne den anderen nicht mehr lebensfähig ist.

Während der Begriff Symbiose in der Natur normalerweise positiv verstanden wird, ist er bei der Beschreibung einer Beziehung zwischen zwei Menschen eher negativ gemeint.

Eine symbiotische Beziehung beschreibt nämlich nicht nur die enge Verflechtung zweier Menschen, sondern auch die daraus resultierende Abhängigkeit voneinander. Im Kontext einer gesunden Beziehung ist dies nicht problematisch. Jedoch wird es problematisch, wenn diese Abhängigkeit so stark wird, dass ein Individuum ohne den anderen nicht mehr eigenständig existieren kann. Dies kann zu einer problematischen und ungesunden Dynamik führen.

Wenn die eigenen Gefühle und Bedürfnisse unterdrückt werden, damit die Beziehung harmonisch verläuft, wird von "symbiotischen Verhaltensmustern" gesprochen. Demnach handeln die Partner nicht eigenständig, sondern in Abhängigkeit vom Verhalten des anderen. Authentisches Verhalten wird aus Angst vor Konflikten, Ablehnung oder Verlust unterdrückt.

Um eine symbiotische Beziehung zu erkennen, sollte man auf folgende Anzeichen achten:

  • Starke Abhängigkeit
    In einer symbiotischen Beziehung sind die Partner extrem voneinander abhängig und fühlen sich verloren oder unvollständig, wenn sie getrennt sind.
  • Fehlende individuelle Identität
    Die Partner verschmelzen miteinander und verlieren oftmals ihre individuelle Identität. Sie handeln und denken nur noch im Sinne der Beziehung und sprechen in "Wir-Form".
  • Keine Trennung über Zeit und Raum
    Paare in einer symbiotischen Beziehung sind ständig zusammen und nur sehr selten räumlich voneinander getrennt.
  • Kontaktabbrüche
    Bei einer symbiotischen Beziehung kommt es oftmals zu vermindertem Kontakt oder sogar Kontaktabbrüchen mit engen Bezugspersonen wie Freunden oder der Familie.
  • Gemeinsame Treffen mit Freunden
    Wenn überhaupt noch andere Freunde getroffen werden, dann immer nur zusammen. Das bedeutet, dass sich keiner der Partner mehr mit seinen eigenen Freunden trifft.
  • Keine eigenen Hobbys
    Die Partner üben keinen eigenen Hobbys oder Freizeitaktivitäten mehr aus. Dies gilt auch für Hobbys, denen sie vor der Beziehung gerne nachgegangen sind.
  • Keinen Streit
    Beide Partner scheuen Konflikte und gehen diesen lieber aus dem Weg. Demnach gleichen sie ihre Meinung immer an, sodass es keinen Streit oder Meinungsaustausch gibt.
  • Unterdrückte Bedürfnisse
    Die eigenen Bedürfnisse und Wünsche werden oftmals unterdrückt, um die Beziehung zu schützen oder Konflikte zu vermeiden.
  • Mangelnde Selbstständigkeit
    Die Partner sind nicht in der Lage, eigenständige Entscheidungen zu treffen oder ohne den anderen zu funktionieren.
  • Klammern und Besitzansprüche
    Oftmals gibt es auch ein übermäßiges Klammern an den Partner und Besitzansprüche in der Beziehung.

Das gemeinsame Leben als Paar steht vor allem anderen - vor der Arbeit, Familie und Freunden. Die Partner sind der absolute Fokus ihres Denkens und Handelns, und sie fühlen sich ohne einander unvollständig. Dies klingt zunächst sehr romantisch und erstrebenswert, ist es auch bis zu einem gewissen Grad.

Dies ist allerdings bei einer symbiotischen Beziehung nicht gemeint. Denn dort wird die intensive Nähe toxisch, sodass einer oder beide Partner in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten und ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken.

In solchen Beziehungen kann die Fähigkeit zur eigenständigen Existenz verloren gehen, und ein Leben außerhalb der Partnerschaft scheint nicht mehr möglich. Konflikte oder Probleme in der Beziehung werden zur existenziellen Bedrohung. Oftmals unterdrückt man seine eigenen Bedürfnisse und wählt Kompromisse, um die Beziehung zu bewahren.

Die Beziehung wird somit entwicklungshemmend und auch schädigend.

Symbiotische Beziehungen können auf verschiedene Weisen entstehen. Oftmals beginnen sie mit einer tiefen emotionalen Bindung und einer starken Anziehungskraft zwischen den Partnern. In der Anfangsphase einer Beziehung kann diese starke Verbundenheit dazu führen, dass die Partner ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen und sich vorrangig auf die Beziehung konzentrieren.

Man möchte jede mögliche Minute miteinander verbringen, als ob Raum und Zeit keine Bedeutung mehr hätten. Nach einigen Wochen oder Monaten kehren Paare jedoch in der Regel auf gesunde Weise zur Normalität zurück und widmen sich ihren üblichen Aktivitäten und Verpflichtungen im Alltag.

Ein weiterer Faktor können die Ängste vor Verlust oder Einsamkeit sein. Menschen, die sich einsam oder verlassen fühlen, stürzen sich oftmals in symbiotische Beziehungen, um ihre emotionale Leere zu füllen.

Manchmal entwickeln sich symbiotische Beziehungen auch aus Unsicherheit oder mangelndem Selbstwertgefühl heraus. Ein Partner kann den anderen als eine Quelle der Bestätigung sehen und sich deshalb stark von der Beziehung abhängig fühlen.

Achtung: Nicht alle engen Beziehungen werden zwangsläufig auch symbiotisch. Glücklicherweise gibt es auch enge Beziehungen, bei denen die eigenen Bedürfnisse nicht unterdrückt werden und sich die Partner gegenseitig dennoch priorisieren.

Wer sich auf eine symbiotische Beziehung einlässt, wird langfristig alles für die Person aufgegeben: Eigene Lebensziele, Wünsche, Ideen und Interessen rücken immer weiter in den Hintergrund.

Selbst die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, die man im Laufe des Lebens aufgebaut hat, verlieren an Bedeutung. Auch Freunde und Familienmitglieder werden verstoßen, sodass soziale Unterstützung fehlt. Wenn der Partner dann aus dem Leben verschwindet, bleibt die andere Person ohne sozialen Rückhalt, Selbstwert und Bewusstsein der eigenen Persönlichkeit zurück.

Eine symbiotische Beziehung kann man ändern, wenn beide Partner daran arbeiten. Aber wie kann man eine symbiotische Beziehung auflösen und diese in eine gesunde Beziehung verwandeln?

Um die Symbiose zu lösen, sollte in einigen Fällen professionelle Hilfe durch einen Therapeuten gewählt werden. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn partnerschaftliche Probleme und Verhaltensmuster durch Traumatisierungen oder schlechte Beziehungserfahrungen ausgelöst wurden.

Um die Beziehung zu heilen und die toxische Dynamik zu überwinden, müssen beide Partner ihre individuelle Autonomie zurückgewinnen. Natürlich sollten weiterhin gemeinsame Interessen vorhanden sein, aber dennoch sollten die persönlichen Identitäten nicht verschmelzen.

Hier sind einige Schritte, um die Autonomie wiederzuerlangen:

  • Individuellen Freiraum schaffen
  • Eigenständige Persönlichkeiten entwickeln
  • Gezielte Auszeiten für sich selbst nehmen ("Me-Time")
  • Eigene Interessen und Hobbys verfolgen
  • Zeit mit Freunden und der Familie ohne den Partner verbringen
  • Offene und ehrliche Kommunikation fördern
  • Lernen, Diskussionen zu führen

Damit eine Beziehung nicht auf toxische Weise symbiotisch wird, sollte man bereits bei den ersten Anzeichen von Problemen ein offenes Gespräch mit dem Partner führen. Erst wenn beide Partner erkennen, dass ihre Abhängigkeit voneinander mehr Schaden als Nutzen bringt, können sie Schritte unternehmen und die Situation langsam ändern.

Eine symbiotische Beziehung bezieht sich nicht nur auf Liebesbeziehungen, sondern kann auch die Beziehung zwischen Eltern und Kind betreffen.

Ein Elternteil kann beispielsweise Schwierigkeiten haben, die Selbstständigkeit des Kindes zu akzeptieren. Dies gilt vor allem dann, wenn das Kind ängstlich ist und sich nur schwer abkapseln kann. Infolgedessen entsteht eine symbiotische Beziehung.

Aber wie kann man eine symbiotische Vater-Kind- oder Mutter-Kind-Beziehung erkennen?

Eine symbiotische Eltern-Kind-Beziehung äußert sich durch folgende Symptome:

  • Das Kind wird ständig vor negativen Erfahrungen geschützt
  • Unangenehme Tätigkeiten werden dem Kind abgenommen
  • Das Kind entwickelt keine eigenen Interessen oder Hobbys
  • Die Familie verbringt übermäßig viel Zeit miteinander
  • Das Kind hat Schwierigkeiten, außerhalb der Familie Freundschaften zu entwickeln

Weitere interessante Themen auf nordbayern.de:

Verwandte Themen