Als erste Frau auf Treuchtlingens Rathaus-Chefsessel?
4.3.2020, 06:04 UhrAuf den letzten Metern des Wahlkampfes hat es Kristina Becker dann doch erwischt: Schnupfen, Stimme weg – der Marathon der Versammlungen und Haustürbesuche hat Spuren hinterlassen. Bürgernähe, das sprechen so einige Treuchtlinger der CSU-Kandidatin nach wie vor ab. Zu Unrecht, wie die gebürtige Marburgerin betont: "Wir leben seit über 20 Jahren in Bubenheim, mein Mann ist alteingesessen, schon mein Schwiegervater war im Stadtrat. Ich habe nie die Bodenhaftung verloren. Ich war auf fast allen Wahlveranstaltungen der Konkurrenz, und alle betonen ihre Ortsverbundenheit. Die scheinen niemals rausgekommen zu sein. Auch ich bin ein Dorfmensch, aber es ist gut, wenn man einmal über den Tellerrand geschaut hat."
Abschlüsse in Medizin, Neurowissenschaften und Patentrecht, gleichzeitig Mutter dreier Teenager, Ortssprecherin, Mitgründerin des Bubenheimer Dorfvereins und des Kindergartenvereins in Schambach, dazu Musikerin, Reiterin, Vorstandsmitglied der Kreiswohnungsbaugenossenschaft und Aufsichtsrätin der VR- Bank: Es sind viele Welten, in denen Becker zuhause ist. Noch ist sie Partnerin einer Münchner Kanzlei, beschäftigt sich mit Medizintechnik und Biotechnologie. Qualifikationen für eine hauptamtliche Bürgermeisterin? "Ich bin kein Verwaltungsfachwirt, aber sehr aufgeschlossen gegenüber Neuem", sagt die 53-Jährige.
Warum sie kandidiert? "Ich bin seit 2013 im Stadtrat, und obwohl die Zusammenarbeit meist gut ist, läuft einiges nicht so, wie ich mir das vorstelle", erklärt die Herausforderin. Selbst habe sie den Hut aber nicht in den Ring geworfen: "Ich wurde gefragt, und da kann man nicht immer Nein sagen. Man muss sich auch mal trauen." Zudem gebe es viel zu wenig Frauen in der Kommunalpolitik.
Mehr Politik für Frauen
Mehr Arbeitsplätze für hochqualifizierte Frauen auf dem Land sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das ist auch ein Hauptanliegen Beckers, die sich politisch "nicht als Tiefschwarze" sieht. Die Partei spiele für sie, die erst seit 2014 CSU-Mitglied ist, keine entscheidende Rolle. Die Christsozialen lägen ihr "einfach nur näher als SPD oder Grüne, weil ich im Grunde konservativ bin. Vor allem bin ich aber für eine sachorientierte Auseinandersetzung."
Wer den Amtsinhaber ablösen will, möchte freilich etwas verändern. Im Treuchtlinger Rathaus will Becker "die Kommunikation auf neue Füße stellen und Verwaltungsabläufe transparenter machen". Bereits erreicht habe die CSU, dass Sitzungsvorlagen bei Ausschluss der Öffentlichkeit nun eine Begründung enthalten. Überdies gelte es, die Ortsteile stärker mitzunehmen. "Es gibt keine Spaltung, aber eine Unzufriedenheit in den Dörfern", so die Kandidatin. Das gelte auch für manche Stadtteile wie den "Winkel", wo "ein engerer Austausch vermeidet, dass Konflikte aus dem Ruder laufen".
Kaum andere Positionen als Kontrahent Werner Baum vertritt Becker dagegen in Sachen Bad. "Wir können das Rad nicht neu erfinden, aber irgendwann muss die Therme zumindest in Teilbereichen Geld erwirtschaften", räumt sie ein. Deshalb befürworte sie auch das geplante Businesshotel, wenngleich sie gern mehr über das Konzept wüsste: "Immerhin werfen wir die Linie von 30 Jahren über den Haufen und lassen uns auf etwas neues ein." Zwar trügen die Investoren das Risiko, aber auch das Zusammenspiel mit der Therme müsse stimmen. "Da sollten wir die Gesundheit stärker reinbekommen und können uns kein Konzept leisten, das nicht wandelbar ist."
Herausforderung Verkehr
"Sofort anstoßen" möchte Becker eine umfassende Verkehrsplanung. Die alte Frage der Nordumfahrung sei noch immer "hoch brisant", es sei "mit Gegenwind aus Graben, Dettenheim und Wettelsheim zu rechnen". Es brauche eine kooperative Arbeitsgruppe, was wegen der vielen Interessen ungleich schwieriger werde als bei der Umgehung von Dietfurt. Hinsichtlich der Parkhaus-Pläne am Bahnhof freue sie sich, dass die Stadt nun konkrete Zahlen eruiere.
Ja, das liebe Geld. Weil auch die CSU die rund 20 Millionen Euro mitträgt, die in den vergangenen zehn Jahren in die Therme geflossen sind, Treuchtlingens hohe Schulden aber sehr kritisch sieht, möchte Becker "die Einnahmesituation verbessern". Denn bei den Ausgabe seien die Stellschrauben gering. So gebe es bei zu vielen Bauprojekten Mehrkosten und die Digitalisierung könne mittelfristig Personal einsparen, auch "ohne radikalen Kahlschlag in der Verwaltung". Die Stadtbücherei zu schließen, wie es einmal aus ihrer Partei geheißen hatte, lehne sie jedoch ab.
Die Einnahmen verbessern
Geld könnte laut Becker dagegen durch neue Wohngebiete für Pendler und Industrieansiedlungen ins Stadtsäckel kommen. Mit guter Anbindung und bezahlbarem Wohnraum könne die Stadt "junge Familien anlocken, für die es dann aber auch Jobs für beide Partner braucht, nicht nur für den Mann". Hier habe Treuchtlingen Nachholbedarf, auch wenn sich die Kinderbetreuung gut entwickle.
Sie wolle "auf neue Technologien zugehen" und zum Beispiel die Nachbarschaft zum Weißenburger Kunststoff-Campus nutzen, so die Kandidatin. "Da tut sich gerade viel wegen der Plastik-Debatte." Das sei auch ein Dreh, der vielleicht den letztjährigen "Wasserstreit" um die Förderrechte der Firma Altmühltaler entschärft hätte. Denn neben der Intransparenz, derentwegen Becker gegen das Verfahren gestimmt hatte, "haben mich vor allem die Plastikflaschen gestört". Es gebe längst auch innovative Kunststofftechnologien, bei denen Treuchtlingen und der Getränkekonzern Vorreiter hätten sein können.
Dennoch will sich Becker im Fall ihrer Wahl "dafür einsetzen, dass Altmühltaler beim nächsten Wasserrechtsbescheid sein Kontingent behält". Denn im Grunde sei das Argument richtig, dass Mineralwasser immerhin getrunken und nicht durch Waschanlage oder Toilette gespült wird. Sie hoffe, dass die Firma "künftig sensibler agiert und die Gespräche wieder aufnimmt". Das angeschlagene Verhältnis zur Nachbarstadt Weißenburg wolle sie kitten, denn "wir können es uns nicht leisten, gegeneinander zu arbeiten".