Arnon Grünberg stellte seinen Roman und auch sich selbst vor
10.11.2014, 11:11 UhrEr hat das Gymnasium verlassen, um Schauspieler zu werden. „Das war eine Katastrophe“, sagt Arnon Grünberg. Er hat einen Verlag gegründet, fünf Bücher herausgegeben und mit seinem Unternehmen Pleite gemacht. „Noch heute habe ich ein Garage voll von Büchern“, erzählt er. Er hat als Bürohilfe bei einem Telefonbuchverlag gearbeitet. Dann erst fand er seine Berufung.
Heute ist er ein mehrfach aufgezeichneter Autor von Büchern Theaterstücken und Drehbüchern. Als Schriftsteller ist Arnon Grünberg so überragend, dass er den Preis für den besten Debütroman in den Niederlanden erhalten hat. Unter einem Pseudonym wäre ihm das fast sogar ein zweites Mal gelungen.
In Schwabach las der 43-Jährige mit Wuschelkopf und Hipster-Brille am Samstag aus seinem Roman „Der Mann, der nie krank war“. Bestimmt aber wird der Abend in der Synagoge von der Diskussion. Grünberg gibt dabei nicht nur umfassend Auskunft zum Roman. Im Publikum sitzen immerhin zahlreiche aufmerksame Leserinnen und Leser seiner Werke, die hochkompetente Fragen zu seinem Buch zu stellen vermögen.
Grünberg gewährt auch Einblicke in seine Lebens- und Autorengeschichte. „Seit 1994 lebe ich vom Schreiben“, sagt er. Begonnen hat er als Journalist mit eigener Kolumne. Dann wollte er mit der niederländischen Armee nach Afghanistan. „Okay, du kannst mitkommen“, haben die Presseoffiziere gesagt. Sein Chef war nicht begeistert. Das änderte sich, als Grünberg die ersten Reportagen in die Heimat sandte. „Geh doch mal in den Irak“, lautete wenig später der Auftrag seiner Zeitung.
Aus dieser Zeit stammen die Eindrücke, die Grünberg zu seinem Buch veranlasst haben. „Der Mann, der nie krank war“ ist ein indischstämmiger Architekt aus der Schweiz, der zwei Mal in den Nahen Osten reist, um dort zu arbeiten. Beide Male wird er verhaftet und gefoltert.
„Beweis doch mal, dass Du kein Spion bist“: Dieser Satz eines Kollegen habe dieses Szenario entstehen lassen. „Es ist ein ziemlich realistischer Roman, allen könnte so etwas passieren“, sagt Grünberg.
Wenngleich am Ende klar wird, dass er den Leser durchaus an der Nase herumführt. Denn der Baumeister mit indischen Wurzeln ist keineswegs nur ein harmloser Schweizer Staatsbürger, wie Moderator Werner Sittauer in seiner Einleitung andeutet. „Ein Auftragskiller des Mossad?“ Grünberg gibt zu: „Nicht alles wird erzählt.“
Mit 23 Jahren veröffentlichte Grünberg, der 1971 in Amsterdam als Sohn jüdisch-deutschstämmiger Eltern geboren wurde, seinen ersten Roman. Für „Blauer Montag“ wurde er mit allen großen niederländischen Literaturpreisen ausgezeichnet. Doch im Herzen scheint Grünberg ein echter Reporter geblieben zu sein. Er hat aus der Arbeit als „embedded journalist“ in Kriegsgebieten eine neue Form der Recherche gemacht. Denn kontrolliert habe ihn in Afghanistan und dem Irak weder ein deutscher noch ein US-Offizier, wie er versichert. „Nur die Holländer wollten meine Stücke lesen.“
Nun sammelt er auch in der Zivilwelt Eindrücke: Wie Wallraff als Gleicher unter Gleichen, aber offen und mit Kenntnis der Vorgesetzten. Zimmerjunge in Bayern, Masseur in Rumänien, Kellner in der Schweizer Bahn und Pfleger in der Psychiatrie war er mittlerweile.
Trotz seiner Weltläufigkeit unterläuft Arnon Grünberg ein Missgeschick. Denn der Titel des Romans ist der Schwester des Protagonisten geschuldet. Sie ist schwerbehindert. Seine Identität stehe im Gegensatz zu ihr. „Er ist körperlich und psychisch völlig gesund“, sagt Grünberg, verkennt aber eines: Auch Menschen mit Behinderung verbringen den größten Teil ihres Lebens ohne Grippe und Beinbruch.
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