Reiseautor Andreas Altmann stellte aktuelles Buch vor
10.11.2014, 11:02 UhrNoch ein Schluck Wasser im Nebenraum, dann kommt Andreas Altmann, eine Minute vor Beginn der Veranstaltung, er macht das immer so. Steuert zielstrebig die kleine Bühne an, räumt vom Tischchen überflüssige Utensilien, spielt ein wenig an der Leselampe herum, reduziert das Licht auf das Notwendigste.
Der in Paris wohnende Schriftsteller, Reise-Journalist ist der Pop-Star unter den LesArt-Gästen in Schwabach in diesem Jahr. Organisatorin Hanne Hofherr hat wahrlich einen guten Fang gemacht. Kein Stuhl bleibt frei, als Altmann am Freitag aus seinem jüngsten Werk „Verdammtes Land – Eine Reise durch Palästina“ liest. Es ist sein 17. Werk seit 1996. Auf dem Verkaufsstand am Eingang stapeln sich seine Bücher, seine Werke. Beispielsweise „Dies beschissen schöne Leben – Geschichten eines Davongekommenen“.
Von Beginn ist man gefesselt von der Art, wie er die Geschichte erzählt. Gestik, Mimik reduziert Aussdrucksweise brillant. Es ist kein Reisebericht im fröhlichen Sinn, es ist kein unbeschwerter Ausflug in den Nahen Osten, es ist kein Trip voller Heiterkeit, voller Unbeschwertheit.
Es ist ein detailgetreuer, emotionsgeladener Zustandsbericht. Er macht fast bei jedem Wort, bei jeder Zeile betroffen. Altmann kann die Welt nicht retten, auch nicht dem Konflikt im Gazastreifen zwischen Palästina und Israel lösen. Daran scheitern seit Jahrzehnten schon die Politiker.
Gründung Israels, UN-Koventionen, Siedlungs-Politik, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Wut: Altmann gelingt es bis ins Kleinste, Gefühle, Ängste, Hoffnungslosigkeit, vielleicht auch die Auswegslosigkeit der Bevölkerung zu skizzieren. Eins zu eins, er beschreibt all die tägliche Tragik hautnah. Verhöre durch israelische Soldaten, den Mut und gleichzeitig die Verzweiflung von Palästinensern, das Aufbegehren, den Widerstand, den Kampf gegen Ungerechtigkeit, Willkür. Einseitige Schilderung? Dem Betrachter, dem Zuhörer, bleibt die Wertung überlassen
Wenn Altmann so erzählt, fühlt man sich mittendrin im Krisengebiet, direkt am Konfliktherd. Ein Deutscher, Altmann, will — von Neugierde und brillanter Beobachtungsgabe getrieben — Aufmerksamkeit erzeugen, das tägliche Elend, aber auch Facetten der Hoffnung herausarbeiten. Und alles ist hochaktuell, brisant.
Muslime, Christen, Juden: Der Nahe Osten ist ein hochexplosiver Schmelztiegel. Der religiösen Besessenheit, dem Fanatismus erteilt er eine Absage. Altmann will Geschichten erzählen, die es, wie anderswo auf der Welt auch, „an jeder Ecke gibt, Palästina bietet Stories“. Das Heilige Land sei in Wirklichkeit ein verdammtes Land, verdammt zum Unfrieden, zur Gewalt und zur Hoffnungslosigkeit.
Und mittendrin in tristen Leben kommen sogar die Lachmuskeln in Bewegung. Bei der Schilderung eines Bades im Toten Meer, wo man nicht untergehen kann, wo Konturen von Bäuchen der Menschen, an der Wasseroberfläche zu sehen sind, versprüht der Autor ein wenig Humor, wenn sich seine Hände an sein bereits 17. Buch klammern.
Es gibt, so scheint es, für Altmann keinen Ort der Welt, den er noch nicht bereist hat. Man fühlt sich bei seinen Ausführungen gefangen und gefesselt, Altmann schafft es ohne Mühe, den Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, ein wahrlich spannender Geschichstunterricht im Zeitraffer.
Abgebrochenes Studium, ZEN-Kloster-Aufenthalt, Aushilfsjobs als Dressman, Portier, Taxifahrer und vieles mehr: Der Autor Andreas Altmann hat alle Bereiche des Lebens der Gesellschaft durchschritten und mit seinem jüngsten Buch dem Volk Palästinas eine Stimme gegeben, zumindest etwas mehr Beachtung und Würde. Die Sinne geschärft, das politische Geschehen vielleicht auch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und zu begreifen.
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